Am 18. Juli vor 85 Jahren erhoben sich Teile der spanischen Streitkräfte gegen die rechtmäßige Regierung der spanischen Republik. Es folgten ein drei Jahre langer brutaler Bürgerkrieg und knapp vier Jahrzehnte der Diktatur unter General Francisco Franco. Seit rund 40 Jahren ist Spanien wieder eine Demokratie – doch der Umgang mit der jüngsten Vergangenheit reißt nach wie vor Gräben auf.

Die Regierung der Sozialisten von Ministerpräsident Pedro Sánchez und dem Linksbündnis Unidas Podemos verabschiedete am Dienstag (20.7.) das bereits im vergangenen September angekündigte „Gesetz zum demokratischen Andenken“, wie es wörtlich übersetzt heißt (Ley de memoria democrática). Es verbessert und ersetzt das „Gesetz zum historischen Andenken“ (Ley de memoria histórica) von Sánchez’ sozialistischem Vorgänger José Luis Rodríguez Zapatero aus dem Jahr 2007.

Das Ziel ist, die Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen aus der Zeit des Bürgerkriegs (1936–1939) und der Diktatur (1939–1975) aufzuarbeiten, den Opfern gerecht zu werden und Huldigungen an Franco Einhalt zu gebieten. Denn beim Übergang zur Demokratie in den 1970er-Jahren wurde eine Amnestie für die Täter des Regimes vereinbart und generell ein Mantel des Schweigens über die düstere Vergangenheit gelegt.

In letzter Zeit ist jedoch viel passiert. Angehörige von Opfern der Franco-Diktatur suchen im ganzen Land deren sterbliche Überreste, die oft am Straßenrand verscharrt wurden. In vielen Städten wurden Straßennamen mit führenden Figuren des Regimes geändert. Im Oktober 2019 schließlich wurden die Reste Francos aus seiner monumentalen Grabstätte, dem Valle de los Caídos, exhumiert und abtransportiert.

Doch diese Schritte seien nicht ausreichend, beklagen immer wieder Organisationen, die sich um das Gedenken der verfolgten und unterdrückten Franco-Gegner kümmern, sowie internationale Menschenrechtsorganisationen. Eine Sonderkommission der Vereinten Nationen veröffentlichte 2014 einen sehr kritischen Bericht, in dem Spanien vorgeworfen wurde, seine Verpflichtung zur Aufarbeitung der Verbrechen der Vergangenheit zu vernachlässigen. So bemerkten die UNO-Gesandten, dass in Schulbüchern weiterhin eine Version der jüngeren Geschichte verbreitet werde, welche die Repression der Diktatur verharmlose und relativiere.

Bußgelder für Verherrlichung

Das neue Gesetz zum demokratischen Andenken geht nun viel weiter als der Vorläufer von 2007. Nach intensiver Prüfung durch juristische Instanzen soll es der neue gesetzliche Rahmen ermöglichen, Organisationen zur Huldigung der Diktatur verbieten zu können. Dabei geht es vor allem um die Fundación Franco, die einen wichtigen Teil von dessen Nachlass verwaltet und Gedenkveranstaltungen organisiert. Im Gegensatz zu Deutschland, wo die Verherrlichung des Nationalsozialismus strafbar ist, können Franco-Nostalgiker und Neofaschisten in Spanien bisher unbescholten die Symbole in der Öffentlichkeit tragen. Damit soll nach dem neuen Gesetz Schluss sein. So werden Bußgelder für die Verherrlichung der Diktatur eingeführt. Die Franco-Stiftung will gegen ihre drohende Schließung vor Gericht gehen und beklagt einen „Angriff auf die Freiheit“.

Eine weitere Neuerung betrifft die Suche nach sterblichen Überresten der Opfer und der Aufklärung von Menschenrechtsverbrechen. Bislang stellte der Staat den Angehörigen und Organisationen Geld für die mühselige Suche nach den Gebeinen zur Verfügung, wobei es regional große Unterschiede gibt. Mit dem neuen Gesetz verpflichtet sich der Staat dazu, selbst eine führende Rolle bei dieser Suche zu übernehmen. So soll etwa eine DNA-Datenbank eingerichtet werden zur Identifizierung von Opfern. Außerdem wird der Posten eines Staatsanwaltes geschaffen, der ausschließlich für die Vergehen während der Franco-Zeit zuständig ist. Alle politisch motivierten Urteile der verschiedenen Gerichte der Diktatur werden für nichtig erklärt. Eine finanzielle Entschädigung können die wenigen Betroffenen, die noch am Leben sind, allerdings nicht erwarten.

Franco verteilte unter seinen Gefolgsleuten Adelstitel, die nun aufgehoben werden. Das Gesetz sieht auch die Erforschung der Zwangsarbeit unter dem Regime vor. Viele Firmen, die heute noch aktiv sind, hatten von dieser Menschenrechtsverletzung profitiert.

Das monumentale Valle de los Caídos – das „Tal der Gefallenen“ – nördlich von Madrid soll nun endgültig in eine Gedenkstätte rund um die Gräuel des Krieges und der Repression umfunktioniert werden. Seit Jahren ist der riesige, in einen Berg gebaute Tempel eine Pilgerstätte für Franco-Anhänger und Neofaschisten.

Was in anderen Ländern wie eine Selbstverständlichkeit wirkt, wirft in Spanien immer noch Debatten auf. Die konservative Volkspartei (PP) und die rechtsextreme Vox kündigten an, das neue Gesetz zu kippen, sollten sie an die Macht kommen. Oppositionsführer Pablo Casado zeigt in seinem Bemühen darum, Wähler von Vox zurückzuerobern, mitunter ein zweifelhaftes Geschichtsverständnis. So erklärte er jüngst im Parlament, dass im Bürgerkrieg jene, „die Demokratie ohne Gesetz“ wollten, jenen gegenüberstanden, die „Gesetz ohne Demokratie“ wollten. Das sorgte sogar innerhalb der PP für Kopfschütteln.

Das Gesetz zum demokratischen Andenken geht jetzt den langen Weg durch die parlamentarischen Instanzen, in denen die Regierung weitere Änderungen und Ergänzungen erwartet.