An diesem Montagvormittag läuft es nicht ganz nach den Vorstellungen von Lluís Apesteguia. Der Bürgermeister von Deià muss aus seinem außerhalb gelegenen Haus zu Fuß ins Dorf eilen. „Das Auto macht Zicken“, entschuldigt er sich beim Reporter. Ein schnelles bon día ins Sekretariat des Rathauses und schon geht’s wieder raus auf die Straße. Der MZ zeigt der erst 36-jährige Politiker der linksgrünen Regionalpartei Més sein Deià und erklärt seine wichtigsten Errungenschaften. Man kennt sich in Deià, Apesteguia stammt von hier.

Und zumindest entfernt hat er auch etwas mit dem Erzherzog Ludwig Salvator gemein, der sich in der Gegend niederließ. „Ein Sohn des Privatsekretärs von Salvator war der Großvater meiner Großmutter“, berichtet der groß gewachsene Mann bei einem Besuch von Can Vallès, seinem ganzen Stolz. Can Vallès ist ein eigentümliches Gebäude mitten in Deià, wenige Schritte vom Rathaus entfernt. Die Gemeinde hat es jüngst für drei Millionen Euro von einem Investmentfonds gekauft. „Das ist das neue Herz von Deià“, sagt Apesteguia.

Die Fassade von Can Vallès. | FOTO: MORA

Die Investition, die aus Überschüssen getätigt wurde, die auf der Bank lagen und aufgrund der sogenannten Ley Montoro lange nicht verwendet werden durften, lohne sich auf jeden Fall. Zum einen sei der Kaufpreis niedriger als das, was der letzte Käufer gezahlt hatte. Zum anderen könne man einen zum Haus gehörenden Parkplatz nun Urlaubern und Residenten zur Verfügung stellen und generiere damit weitere Einnahmen. Und zum Dritten kann das chronisch beengte Rathaus entlastet werden, mehrere Mitarbeiter sollen in Zukunft in Can Vallès unterkommen, darunter die Sozialdienste, das Archiv, die Bibliothek und die Abteilung Raumplanung sowie die Ortspolizei.

Apesteguia hat selbst den Schlüssel für das verrostete Gartentor von Can Vallès. „Ich bin auch derjenige, der die Besucher durch das Gebäude führt.“ Der 1884 erbaute 900 Quadratmeter große Palast kann seit dem 1. August besichtigt werden. „Ich erzähle jetzt einfach mal meinen Text“, hebt Apesteguia an und berichtet, dass das Haus vom Erzherzog in Auftrag gegeben wurde für seinen Privatsekretär Toni Vives, der aus einer verarmten Familie aus Deià stammte. Vives lebte allerdings nie in dem überdimensionierten Haus, weil er vorrangig am Hof in Wien residierte.

"Es ist mein Hauptanliegen, aus Deià wieder eine Gemeinschaft zu machen." Llúis Apesteguia, Bürgermeister

Gelegen kommt dem Bürgermeister auch der 1.700 Quadratmeter große Garten, der derzeit bereits aufgehübscht wird. Dort sollen in Zukunft kulturelle Veranstaltungen über die Bühne gehen. Überhaupt: Can Vallès soll ein Treffpunkt für alle Bürger in Deià werden. Und damit einem der wichtigsten Ziele in der Amtszeit von Apesteguia dienen. „Es ist mein Hauptanliegen, aus Deià wieder eine Gemeinschaft zu machen“, sagt er. Es sei schon jetzt zu spüren, dass die Menschen im Ort, Mallorquiner wie Ausländer, wieder mehr miteinander sprächen, auch wenn sie unterschiedlicher politischer Ansicht seien.

Zumindest mit Apesteguia reden sie alle. Er kann kaum zwei Schritte laufen, ohne dass ihn irgendjemand auf der Straße anspricht. Er scheint einem Schwätzchen selten abgeneigt zu sein, erkundigt sich nach dem Befinden der Familie. Es ist ein Heimspiel für ihn, er kennt schließlich wirklich fast jeden Einwohner persönlich. Zumindest die 617, die im Winter fest in Deià gemeldet sind.

Im Sommer werden daraus dann schnell 2.200. 420 Hotelbetten, 800 weitere Betten in Ferienapartments und dann noch die Zweitwohnungsbesitzer. Er habe nichts gegen Tourismus, so Apesteguia. Im Gegenteil: Bis zum Jahr 2000 habe der Fremdenverkehr den einst bettelarmen Ort bereichert. Ab dann begann für ihn aber der Niedergang des „guten Tourismus“. Der Ort sei geradezu überrannt worden, das Wasser reichte nicht mehr aus, die Wohnungspreise stiegen ins Unermessliche. „Die Leute begannen zu verstehen, dass die goldene Zukunft doch nicht so golden war.“

Mit der Corona-Pandemie ist ein weiteres sehr konkretes Problem dazugekommen. Vor allem junge Leute, die teils aus weiter entfernten Orten stammen, trafen sich abends und nachts in Deià, um Trinkgelage auf der Straße zu veranstalten. Lluís Apesteguia hat sich das Ganze ein paar Wochen angeschaut und dann Anfang August eine Verordnung unterzeichnet, mit dem Alkoholkonsum auf der Straße 24 Stunden am Tag verboten ist.

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Mit eingeschlossen sind hier auch die Freischankflächen, die öffentlichen Raum besetzen. Bars und Restaurants dürfen nur noch im Innenraum und auf ihren privaten Terrassen Alkohol ausschenken. „Und das ist nicht deshalb, weil wir Spießer sind. Wir in Deià feiern sehr gern. Aber eben gesittet und mit den in der Pandemie nötigen Regeln.“ Seitdem hätten sich die Trinkgelage schlagartig verringert.

So kann sich Apesteguia wieder um das wirklich Wesentliche kümmern: um die Umstellung des Müllsystems zum Beispiel. Ab spätestens Winter 2021 soll dann der Müll, wie in vielen anderen Orten auf der Insel, an der Haustür abgeholt werden. Damit will der Bürgermeister die Recycling-Quote von derzeit schwachen 27 Prozent auf 70 Prozent steigern. Und da ist noch die Verabschiedung eines neuen Raumordnungsplans. „Da ist dann deutlich weniger Baugrund vorgesehen. Es sollen diejenigen Bauherren Vorrang haben, die ihre Wohnungen auch für die Menschen aus Deià bauen“, sagt Apesteguia.