Das Tempo auf der Flaniermeile in Port d’Andratx ist gemächlich. Das mag an der drückenden Sonne liegen, an der schönen Aussicht – oder auch daran, dass man gesehen werden will. Das Markenhemd ist gebügelt, und am Handgelenk, da baumelt sie, die dicke Luxusuhr. Der Hafen ist der Treffpunkt der Schönen und Reichen, und das zieht auch die Kriminellen an – die als Rolex-Banden bekannten Gauner haben es auf die teuren Uhren abgesehen. „Sie machen Saisonarbeit im Sommer. Und ihren Job machen sie gut“, sagt Eduardo Peréz, Chefermittler der Nationalpolizei auf Mallorca in Sachen Überfälle.

Seine Beamten schlugen zuletzt Ende vergangener Woche zu. Ein 35-jähriger Italiener, der an Raubzügen in Palmas Viertel Molinar sowie in der Innenstadt beteiligt gewesen sein soll, wurde an Palmas Flughafen gefasst. Die Beute: Uhren im Wert von rund 125.000 und 40.000 Euro. Die Beamten gehen davon aus, dass der Dieb zu einer der organisierten Rolex-Banden aus Neapel gehört.

Die Täter und ihre Masche

Wie viele Banden auf Mallorca aktiv sind, lässt sich schwer sagen. „Wir unterscheiden zwei Typen: Italiener und Araber. Die Araber wenden direkt Gewalt an. Das sind aber wenige Täter“, sagt Peréz. „Die Italiener hingegen sind wahre Profis. Die Opfer merken manchmal erst Stunden später, dass ihnen die Uhr vom Arm abgenommen wurden.“ Fast alle Banden kämen aus Neapel. Dass sie der Camorra, der neapolitanischen Mafia angehören, will der Chefermittler nicht bestätigen. „Die Gruppen agieren unabhängig voneinander. Häufig sind es zwischen drei und sechs Personen pro Bande. Die Täter sind meist zwischen 20 und 30.“

Die Masche ist fast immer dieselbe. Die Italiener reisen mit gefälschten Ausweisen auf die Insel und leihen sich – unter falschem Namen – Motorroller aus, an denen sie gefälschte Nummernschilder anbringen. Dann legen sie sich auf die Lauer. „Beliebte Tatorte sind Puerto Portals, Port d’Andratx oder der Paseo Marítimo in Palma. Manchmal tarnen sie sich als Kunden, manchmal beobachten sie von einem Café aus.“ Die Italiener hätten ein geschultes Auge. Sie erkennen von Weitem, ob es sich um eine teure Uhr handelt. „Fälschungen gehen ihnen nicht ins Netz. Die billigste Uhr, die zuletzt gestohlen wurde, kostete 50.000 Euro. Die teuerste 200.000 Euro.“

Haben die Diebe eine lohnenswerte Uhr entdeckt, wird das Opfer unbemerkt verfolgt. „Sie warten auf eine günstige Gelegenheit. Das kann eine menschenleere oder dunkle Gasse sein. In einem Fall ist eine Bande dem Opfer sogar von Puerto Portals bis nach Son Rapinya gefolgt.“ Ist der Moment gekommen, wird die Uhr in Windeseile vom Arm gerissen. Ein Komplize wartet mit dem Motorroller, um schnellstmöglich zu fliehen.

Das Objekt der Begierde

Rolex, Patek Philippe und andere Marken gibt es etwa in der Relojería alemana. 1879 gründete der Deutsche Guillermo Krug das Geschäft. Heute sind die Läden in Palma und Puerto Portals in Händen der Geschwister Fuster. Die Deutschen seien gute Kunden, so eine Sprecherin. Aber auch Nordeuropäer, Engländer und Mallorquiner kaufen hier ein. „Rolex ist eine Mode-Ikone. Die Uhren sind handgefertigt. Sie werden meist von Generation an Generation weitergegeben.“

„Ich wollte schon immer eine Rolex haben“, erzählt eine deutsche Residentin der MZ. „Als ich vor 15 Jahren das nötige Kleingeld hatte, habe ich mir eine zweifarbige ‚Yacht-Master Lady‘ geholt.“ Besonders fühle sie sich nicht am Handgelenk an. „Für die Uhrzeit schaue ich sowieso meist auf das Handy“, so die 57-Jährige. Aber es sei eine gute Investition gewesen. „Heute ist die Uhr 10.000 Euro wert. Damals habe ich die Hälfte bezahlt.“ Aus Angst vor Dieben lagert die Uhr im Bankschließfach. „Zudem finde ich eine Smartwatch heutzutage viel praktischer. Und so modebewusst wie früher bin ich schon lange nicht mehr.“

Es geht aber nicht nur um Ästhetik und Wertanlage. „Die Uhr ist ein Statussymbol“, sagt eine Mitarbeiterin vom Immobilienbüro Dahler & Company in Port d’Andratx. Viele ihrer Kunden hätten eine. „Die Deutschen holen sich zuerst eine Immobilie in der Heimat, dann im Ausland. Das entsprechende Auto und eben die Luxusuhr gehören dazu. Man hat sich das Geld erarbeitet und genießt es." Dabei ist es gar nicht so einfach, eine Rolex zu bekommen. Manche Modelle haben lange Wartelisten, etwa die „Rolex GMT-Master II“, die dank ihres rotblauen Looks den Spitznamen „Pepsi“ hat, oder die „Rolex Daytona“.

Umso wichtiger ist es aufzupassen. „Allein in Palma wurden in der ersten Augusthälfte sieben Uhren gestohlen“, sagt Ermittler Peréz. Inselweite Statistiken gebe es nicht. Die Policía Nacional ist für Palma und Manacor zuständig, die Guardia Civil für die restliche Insel. Die Inselbeamten arbeiten mit den Kollegen auf dem Festland zusammen. „Die Banden agieren spanienweit. Ibiza ist beliebtes Jagdrevier, aber auch Marbella.“

Die Ermittlungen

Die Diebstähle seien nur schwer zu verhindern. „Wir müssten mehr Präsenz zeigen. Die Opfer können höchstens versuchen, den Dieben keine Gelegenheit zu bieten und dunkle Gassen zu meiden. Die Polizei muss sofort informiert werden, das ist für uns fundamental.“ Was mit dem Diebesgut geschieht, will Peréz aus ermittlungsstrategischen Gründen nicht sagen. „Einige bleiben auf der Insel, andere werden weggebracht“, sagt er lediglich. Werden die Täter geschnappt und war Gewalt im Spiel, drohen zwischen zwei und fünf Jahren Haft. Dazu kommen ein bis zwei Jahre wegen Dokumentenfälschung. Wiederholungstäter gebe es praktisch nicht. „Nach einem Raubzug verlassen die Banden meist die Insel.“

Immer wieder ist von deutschen Touristen die Rede, die in Port d’Andratx bestohlen wurden. Die für den Ort zuständige Guardia Civil kann das aber nicht bestätigen. Auch die Anwohner fühlen sich sicher. „Vor zwei Wochen gab es einen Fall. Aber sonst hört man nicht viel“, heißt es in einem Souvenirladen. So sieht es auch die Mitarbeiterin von Dahler & Company. „Ich habe keine Angst, nachts durch den Ort zu gehen.“ Vielleicht ist es eben diese Ruhe, die die Diebe einlädt. In einem Café sitzt eine Gruppe deutscher Urlauber. Einer hat den Arm lässig in Richtung der Flaniermeile hängen. Am Handgelenk funkelt die Rolex.