Es gibt Hinweise auf Tausende Fälle in Spanien, in denen Minderjährige von Würdenträgern und Mitarbeitern der katholischen Kirche missbraucht wurden. Und das über Jahrzehnte. Doch Spaniens Bischöfe weigern sich, den kriminellen Übergriffen auf den Grund zu gehen. Nun tritt die Politik in Aktion. Allerdings erst, seitdem der Druck von Opfern in letzter Zeit immer größer geworden ist.

Am Dienstag (1.2.) nahm das Präsidium des spanischen Unterhauses einen Antrag zur Berufung einer Untersuchungskommission an. In welcher Form diese Ermittlungen stattfinden sollen, blieb zunächst offen. Genaue Zahlen über die Missbrauchsfälle in Spanien gibt es bisher noch nicht.

Missbrauch in der Kirche: Spanische Bischofskonferenz reagierte lange nicht

Die Zeitung „El País“ hatte in einer aufwendigen Studie 251 Einzelfälle dokumentiert. Dieses Dossier überreichte sie im Dezember Papst Franziskus und der spanischen Bischofskonferenz CEE. Während der Pontifex in der Öffentlichkeit die skandalösen Vergehen in der Institution weltweit anprangert, reagierte die heimische Kirchenspitze nicht. Im Gegenteil, ein Sprecher der CEE hinterfragte die Glaubwürdigkeit der Berichte und Aussagen von Opfern in „El País“.

Doch der Druck wuchs. Mehrere christliche Organisationen wie „Alandar“, „Revuelta de Mujeres en la Iglesia“, „Redes Cristianas“ verlangten vor Tagen in einem offenen Brief an die Bischöfe rücksichtslose Aufklärung in Form einer Wahrheitskommission. Bisher gibt es nur Meldestellen in den einzelnen Diözesen, in denen Opfer ihre Fälle vortragen können. Die sind in Augen der Kritiker sinnlos. Denn die meisten Betroffenen fühlen sich mit ihren Anzeigen bei der Kirche selbst kaum gut aufgehoben.

Missbrauch in der Kirche: Opfervereinigungen fordern unabhängige Wahrheitskommission

Die Sozialisten von Ministerpräsident Pedro Sánchez taten sich lange schwer damit, die Initiative in dem Skandal zu ergreifen, obwohl ihre linken Koalitionspartner von Unidas Podemos und andere Parteien auf eine Untersuchung pochten, so wie sie in vielen anderen Ländern vereinbart worden ist. Dann kam der Wendepunkt: Der Schriftsteller Alejandro Palomas erzählte, wie er als kleiner Junge 1975 in einer Schule der Salesianer misshandelt worden war. Der erschütternde Bericht rief Sánchez auf den Plan. Nach einem Telefonat mit Palomas versprach der Regierungschef, sich mit Opfern des Missbrauchs in der Kirche zu treffen.

Die Sozialisten stimmten im Parlament schließlich der Einberufung eines Untersuchungsausschusses zu. Die Parteien und die Opfervereinigungen bevorzugen eine unabhängige, mit Experten besetzte Kommission. Sie befürchten, dass ein Ausschuss mit Abgeordneten der einzelnen Parteien in einem unwürdigen Spektakel des politischen Schlagabtausches ausarten könnte.

Spanische Opposition fürchtet "Abrechnung mit der Kirche"

Die rechtsextreme Vox stimmte im Parlamentsvorstand gegen eine Untersuchung der Kirche, wie auch die konservative Volkspartei PP. Oppositionsführer Pablo Casado fordert eine Kommission, die alle Fälle sexuellen Missbrauchs von Kindern untersuchen soll, nicht allein innerhalb der Institutionen der katholischen Kirche, sondern auch in Vereinen und staatlichen Einrichtungen.

Der PP-Chef zielte insbesondere auf die Missbrauchsfälle in Kinderheimen in Madrid, Valencia und auf den Balearen ab. Auf Mallorca sollen Mädchen und Jungen aus einer Anstalt zur Prostitution gezwungen worden sein, ohne dass die Behörden darauf reagiert hätten. Die Konservativen glauben, dass es den Linken bei dem zukünftigen Untersuchungsausschuss vor allem um eine Abrechnung mit der Kirche ginge.

Spaniens Staatsanwaltschaft will zu Missbrauch in der Kirche ermitteln

Derweil ist auch die spanische Staatsanwaltschaft aktiv geworden. Sie forderte von den 17 regionalen Staatsanwaltschaften Informationen über sämtliche Ermittlungen an. Die Opferverbände verweisen aber darauf, dass die allermeisten Fälle bereits verjährt sind und daher nicht von der Justiz aufgearbeitet werden können. Deswegen sei eine unabhängige Wahrheitskommission notwendig.

„El País“ kritisierte in einem Artikel vom Sonntag die spanische Bischofskonferenz: „Sie hat zahlreiche Gelegenheiten zum Handeln gehabt, aber diese lieber verstreichen lassen und die Forderungen der Opfer, von Sektoren der eigenen Kirche und von ihren Vorgesetzten in Rom ignoriert.“ Nun werde sie die Ermittlungen nicht mehr aufhalten können.