Wenn Maria und Jaume sich fürs Zubettgehen fertig machen, dann schauen sie neuerdings immer wieder auf die Uhr. Um Punkt 23.30 Uhr wird in Artà im Nordosten von Mallorca das Leitungswasser abgedreht und erst um 8 Uhr morgens wieder eingeschaltet – drastische Maßnahmen, die das Rathaus vergangene Woche eingeführt hat, um die „alarmierend leeren“ Wasserspeicher zu entlasten. „Wir erledigen also alles, wofür man Wasser braucht, jetzt vorher. Und für den Notfall haben wir zwei Wassereimer zur Seite gestellt“, berichtet die junge Familienmutter Maria. „Ich hätte nicht gedacht, dass sie im Rathaus mal so weit gehen“, sagt ihr Mann. „Aber es scheint wohl nötig zu sein.“

Ja, es sei nötig, betont Bürgermeister Manolo Galán auf MZ-Anfrage immer wieder. „Wir wollen unbedingt verhindern, dass tagsüber plötzlich kein Wasser mehr aus dem Hahn fließt. Das können wir aber nur garantieren, wenn die Speicher über Nacht Zeit haben, sich wieder etwas zu füllen“, so der sozialistische Politiker. „Natürlich ist es eine drastische Maßnahme, aber nach diesem extremen Sommer bleibt uns nichts anderes übrig.“

70 Prozent gehen verloren

An der Wasserknappheit sei nicht allein die monatelang anhaltende Trockenheit schuld. „Dass wir mehr Probleme haben als die Nachbargemeinden, liegt auch daran, dass mehrere unserer Brunnen in sehr schlechtem Zustand sind“, räumt Galán ein. Lecks in Brunnen, Speichern und Leitungen ließen große Teile des Wassers ungenutzt versickern, tatsächlich gingen in Artà aktuell bis zu 70 Prozent des Wassers, das aus dem Boden geholt wird, verloren. Im zu Artà gehörenden Küstenort Colònia de Sant Pere habe man die Probleme in den vergangenen Wochen bereits lösen können, im Hauptort dagegen noch nicht.

„Schwierigkeiten bereitet vor allem der Hauptwasserspeicher an der Hauptstraße Avinguda Costa i Llobrera“, so Bürgermeister Galán. Er hofft, dass die Reparaturen in etwa einem Monat abgeschlossen sein werden und die nächtliche Wassersperre dann wieder aufgehoben werden kann – zumal die Regenwahrscheinlichkeit im Herbst natürlich höher liege als im Sommer.

Dass die Gemeindeverwaltung geschlafen hat, als es darum ging, die Infrastruktur instand zu halten, will sich Galán nicht vorwerfen lassen. „Niemand konnte einen solchen Hitzesommer vorhersehen. Und wir greifen ja nicht zu spät ein, sondern vorsorglich, damit wir eben nicht plötzlich auf dem Trockenen sitzen.“

Infrastruktur auch in anderen Orten ausbaufähig

Auch in der für Wasserqualität und -reserven auf den Balearen zuständigen Agentur Abaqua, die dem balearischen Umweltministerium unterstellt ist, will man dem Rathaus in Artà keine direkte Schuld zuweisen. „Allerdings ist für die Gegend um die Gemeinde Artà seit Oktober 2020 nahezu durchgehend die Vorwarnstufe wegen Trockenheit ausgerufen, es kommt also nicht ganz überraschend“, sagt die zuständige Generaldirektorin Joana Garau.

Dass in anderen Gemeinden ähnlich drastische Schritte wie in Artà eingeleitet werden müssen, hält sie in den kommenden Monaten für unwahrscheinlich – obwohl auch in der Tiefebene Pla im Inselinneren schon seit Langem die Trockenheitswarnstufe ausgerufen ist. „Die Regenfälle im September dürften die Lage etwas entspannt haben, wobei uns noch keine aktuellen Daten vorliegen“, sagt Garau. Hinzu käme, dass die Infrastruktur andernorts etwas besser in Schuss sei als in Artà. „Im Balearen-Schnitt beträgt der Anteil des Wassers, das aus dem Boden geholt wird, aber nie bei den Endverbrauchern ankommt, 29 Prozent.“ Das ist deutlich weniger als in Artà, aber immer noch bedenklich. Nicht immer seien Lecks der Grund für die Differenz. „Oft fehlen auch die Zähler, die alle Daten korrekt erfassen. Daran sollten die Gemeinden unbedingt arbeiten“, berichtet Garau.

Überhaupt sei es das Gebot der Stunde, die Infrastruktur so gut wie möglich zu renovieren. „Aufgrund des Klimawandels und des hohen Verbrauchs bei touristischer Auslastung der Inseln sind Investitionen in die Wasserleitungen und -speicher unumgänglich.“ Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern könnten dabei auf EU-Hilfen des Förderfonds Next Generation zählen, erklärt Garau.