Was hat das Örtchen Pla de na Tesa bei Palma zu bieten, das die spanische Königin Letizia zu einem offiziellen Besuch nach Mallorca kommen lässt? Die Antwort liegt in einer unscheinbaren Nebenstraße hinter dem Sportflugplatz Son Bonet. Hier steht das erste Berufsausbildungszentrum der Insel, das sich ab diesem Schuljahr „Nationales Referenzzentrum" nennen darf. Denn in Son Llebre werden nicht nur 185 Schüler in Pflegeberufen ausgebildet. Das Zentrum mit seiner angeschlossenen Pflegeeinrichtung ist auch Vorbild und Innovationszentrum für diesen Zweig der Berufsausbildung in ganz Spanien.

„Der Besuch der Königin ist eine Antwort auf unseren Einsatz für die Berufsausbildung auf den Balearen", meint Maria Francisca Alorda, Generaldirektorin im balearischen Bildungsministerium - und hofft, dass sich die Menschen nicht nur für das Schuhwerk oder die Ohrringe von Letizia interessiert haben, sondern auch für den Ort ihres Besuchs. Was vordergründig als Protokolltermin mit viel Sicherheitspersonal, offiziellem Fototermin und inoffiziellen Schüler-Selfies herüberkam, war auch eine Anerkennung der Berufsausbildung an sich, der wachsenden Bedeutung der Pflegeberufe sowie der Bildungspolitik der Balearen-Regierung.

Bei der formación profesional hat die Landesregierung trotzdem noch viel Arbeit vor sich. Zwar wurde die Zahl der Berufsschüler balearenweit innerhalb von vier Jahren von 13.600 auf rund 15.000 im Schuljahr 2017/18 gesteigert. Doch damit liegen die Inseln weiter unter EU-Schnitt. Einerseits nehmen viele junge Leute mit Billigjobs vorlieb, die zwar zur touristischen Hauptsaison leicht zu finden sind, bei jedem Schluckauf der Insel-Wirtschaft jedoch auch schnell wieder verloren gehen. Andererseits haben strategische Wirtschaftsbranchen Schwierigkeiten, Fachkräfte zu finden. Und die duale Berufsausbildung nach deutschem Vorbild steckt mit zuletzt gerade einmal 257 Absolventen immer noch in den Kinderschuhen.

Das balearische Bildungsministerium hat deswegen im Frühjahr zusammen mit Vertretern der Insel-Wirtschaft einen Masterplan aufgelegt. Er sieht vor, die Zahl der Berufsschüler auf den Balearen bis 2021 auf 18.000 zu steigern. Zum jetzt beginnenden Schuljahr hat das Ministerium 48 Lehrerstellen geschaffen, mehr Klassen eingerichtet und sieben Ausbildungswege ganz neu auf den Balearen eingeführt, darunter Yachtbau, erneuerbare Energien oder Weinbau. In die Ausstattung fließen knapp 2 Millionen Euro, das sind 570.000 Euro mehr als vergangenes Schuljahr.

Der Finanzierungsbedarf ist auch deswegen so hoch, da in der konventionellen Berufsausbildung in Spanien die Praxis an der Schule und nicht in externen Firmen unterrichtet wird - erst zum Ende der Ausbildung folgt dann ein dreimonatiges Betriebspraktikum. So entstand für die Ausbildung zum Schiffsbauer an der Berufsschule Baltasar Porcel in der Gemeinde Andratx für rund 400.000 Euro eine Bootswerkstatt. Man investiere aber nicht nur in das Angebot, sondern auch in Information und Beratung, betont Generaldirektorin Maria Francisca Alorda. Denn noch immer entschieden sich zu viele Jugendliche für Berufe, ohne sich am tatsächlichen Bedarf am Arbeitsmarkt zu orientieren. Als Beispiele für Bereiche mit besten Jobchancen nennt Alorda Informatik, Elektronik oder auch Energie­effizienz.

Dass die inzwischen vor sechs Jahren auf den Balearen eingeführte duale Ausbildung nur langsam vorankommt, dürfte an der fehlenden Flexibilität auf allen Seiten liegen: Schüler, die dem Zwischending aus Schule und Beruf nicht trauen, Unternehmen, die noch ihre Rolle als Ausbilder finden müssen, aber auch eine zu starre öffentliche Verwaltung. „Wir haben in Madrid klargemacht, dass endlich der Ausbildungsvertrag klar geregelt werden muss", meint Alorda. Trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen sieht sie in der dualen Ausbildung (formación profesional dual) jede Menge Wachstumspotenzial als zweite Option neben der konventionellen Ausbildung (formación profesional presencial). Der Masterplan gibt für das Jahr 2021 immerhin eine Zielmarke von jährlich 1.500 Schülern im Dual-Modus vor.

Und wenn die Pläne des balearischen Bildungsministeriums aufgehen, könnte die spanische Königin in Kürze durchaus Anlass für weitere Dienstreisen auf die Inseln haben. So sollen laut dem Masterplan neben der Ausbildung von Pflegeschülern auch die Bereiche Tourismus und Schiffsbau so weit ausgebaut werden, dass die Berufsausbildungszentren auf Mallorca und Menorca zur spanienweiten Referenz werden.