Es war an einem Aprilmorgen vor zehn Jahren, als die erste Schulungsgruppe des Callcenters startete. Auf dem Tisch lagen eine Fritzbox, eine Telefonbuchse sowie ein NTBA, also ein ISDN-Netzanschlussgerät. „Wer kann das zusammenbauen?“, fragte Ausbilder Michael Heinemann. Die Nase vorn hatte Heti Hartl, mit dabei im ersten Jahrgang. „Wir nennen uns das A-Team“, sagt die quirlige Deutsche, die an diesem Samstag (30.4.) zusammen mit 70 weiteren früheren und aktuellen Mitarbeitern zu einem Treffen gekommen ist. „Es machte tierischen Spaß.“

Es mag an der damaligen Gründerstimmung im Callcenter CCES24 liegen, an der Verklärung jener Anfangsjahre, aber auch daran, dass sich mit dem raschen Aufbau des Unternehmens die Branche auf Mallorca massiv professionalisierte. Jedenfalls herrscht ein großes Hallo beim Wiedersehen mit den ehemaligen Kollegen, als sie im „Münchner Kindl“ an der Playa de Palma eintreffen. Man liegt sich in den Armen, Spitznamen schwirren durch die Luft, es gibt eine Menge zu erzählen. Und wer war eigentlich damals der Kollege mit der Personalnummer eins?

3.000 Mitarbeiter an 17 Standorten

Die Idee zum Treffen hatten Heinemann, inzwischen in Deutschland tätig, sowie Axel Simon, der weiterhin für das Unternehmen telefoniert. Das firmiert nach einem Eigentümerwechsel heute unter dem Namen Avedo und gehört zur Konzerngruppe Ströer X. Bei Avedo arbeiten rund 3.000 Menschen an 17 Standorten in Deutschland, Spanien und Griechenland im Dialogmarketing – Kunden werden nicht nur telefonisch, sondern auch per E-Mail, Social Media oder Chat betreut –, wobei der Sitz in Palmas Gewerbegebiet Son Castelló mit rund 350 Mitarbeitern aus 38 Nationen der größte ist. Kernbranchen sind Telekommunikation und Versicherungen.

Initiatoren des Treffens: Michael Heinemann und Axel Simon. Frank Feldmeier

Statt weitverzweigter Konzernstrukturen gab es anfangs vor allem Improvisation. Die ersten Mitarbeiter erinnern sich, dass die Büromöbel zu spät geliefert wurden und deswegen ein nahes Lokal rund zwei Wochen lang mit Café-Tischen aushelfen musste. Am 2. Mai 2012, nach der ersten Schulung, wurde lostelefoniert. „Die Leitungen wurden freigeschaltet, und 48 Hände gingen nach oben“, beschreibt Heinemann den Enthusiasmus des Teams.

Und damit wären wir auch schon bei dem Anekdoten-Schatz, der sich im Laufe von zehn Jahren angesammelt hat. Erfahrungen mit der Verwirrung bei Computerbegriffen weiß an diesem Abend praktisch jeder zu berichten – Kunden, die nach der Aufforderung, alle Fenster zu schließen, erst mal den Hörer weglegen. „Im Schlafzimmer auch?“, bekam etwa Savage Oezbay von einem Kunden zu hören. Der Support-Mitarbeiter ist seit 2012 dabei und nach einer vorübergehenden Auszeit für die Arbeit in einer Tauchschule heute wieder hauptberuflich am Telefon.

Nicht jeder wollte mit einer Frau sprechen

Und dann war da jener Anrufer, der Technikfragen nicht mit einer Frau am Telefon besprechen wollte. Doch da war er bei Heti Hartl an die Falsche geraten. „Sie machen jetzt genau, was ich sage“, bekam er zu hören – und man kann sich gut vorstellen, wie der resolute Ton keinen Widerspruch zuließ. Die Kabel raus und nacheinander wieder rein, und das Gerät lief wieder. Am Ende merkte der zufriedene Kunde noch an, dass ihm die vier männlichen Mitarbeiter, die er zuvor in der Leitung gehabt habe, nicht hätten helfen können. Hartl, die auch dem Betriebsrat angehörte und heute in Deutschland lebt, vermisst die Zeit auf der Insel – nicht zuletzt den Bierkönig an der Playa, damals ihr „zweites Wohnzimmer“: „Ich wurde immer Disco-Oma genannt.“

Auch bei ihren ehemaligen Kollegen Michael Dentges und Jürgen Scheliong haben sich einige Telefonate ins Gedächtnis eingebrannt. Da war etwa jener sehbehinderte Anrufer, der sein iPad per Spracherkennung steuerte und bei dem sich der telefonische Support als besonders knifflig erwies. Drei volle Stunden dauerte die Prozedur, der Kunde sei ausgesprochen dankbar gewesen.

Dann war da die Sache mit den seltsamen Anrufen zu frühmorgendlicher Stunde, über die sich eine Kundin beschwerte. Das Rätsel löste sich erst, als die Frau ihren Reisewecker im Schrank fand, den sie nicht ausgeschaltet hatte. Und da war das Mysterium mit dem Router, der stets ausging, wenn die Kundin an ihm vorbeilief. Wie sich herausstellte, war beim Verlegen der Fußleisten die Leitung durch eine Nagelpistole beschädigt worden, ein ständiger Kurzschluss die Folge. Wie Sherlock Holmes habe man sich manchmal gefühlt.

Ein Training fürs Leben

Genauso wichtig wie die technische Spürnase seien aber auch empathische Fähigkeiten, die in der Schulung einen inzwischen immer größeren Raum einnähmen und letztendlich auch außerhalb des Jobs von größtem Nutzen seien: ein Training fürs Leben. Gerade wenn man zusammen mit einem anfangs wütenden Anrufer eine Lösung finde, sei das ein besonderes Erfolgserlebnis, erzählt Barbara Schmidt-Möller. Und neuerdings freuten sich die Kunden häufiger, dass sie wieder direkt einen Menschen am Apparat haben: „Sie sind gar kein Computer?“, wurde Mitarbeiter Thomas Thiel vorsichtshalber schon gefragt.

Ex-Ausbildungsleiter Heinemann erinnert sich besonders gern an ein Fußballturnier gegen Teams anderer Standorte in Berlin 2014. Die bunt gemischte Truppe von Mallorca traf beim versehentlichen Schwarzfahren in der U-Bahn auf besonders nette Kontrolleure, und den Rückflug verpasste die Mallorca-Delegation auch. Stoff genug also, um bis tief in die Nacht von damals zu erzählen.