„Das hier hat alles verändert", sagt Bernard Boutique und wedelt demonstrativ mit seinem Smartphone durch die Luft. „Als es das noch nicht gab, war man als Reiseleiter noch wichtig." Freundliches Lachen, etwas schelmischer Blick, immer einen flotten Spruch auf den Lippen - der in Deutschland geborene Belgier weiß, wie er Menschen mit Geschichten in seinen Bann ziehen kann. Seit fast 40 Jahren hat er beruflich mit Urlaubern auf Mallorca Kontakt, immer wieder auch als Reiseleiter. „Früher kamen die Leute auf die Insel und wussten nichts. Beim Begrüßungs-Cocktail im Hotel konnte man sie noch richtig beeindrucken, wenn man ihnen von der Standard-Inselrundfahrt erzählte", sagt Boutique mit einem Grinsen. Das sei heute natürlich anders. „Die Menschen kommen informiert an und informieren sich vor Ort selbst", so Boutique.

Und doch: Der 63-Jährige glaubt daran, dass die Funktion des Reiseleiters durchaus auch im digitalen Zeitalter noch ihre Berechtigung hat. „Die Urlauber wollen immer noch schöne Sachen sehen und gutes Essen kosten. Und sie wollen gute Informationen. Daran hat sich nichts geändert." Die Herausforderung sei, ihnen etwas zu bieten, was sie so noch nicht kennen und ihnen Wissen zu vermitteln, auf das sie auf ihrem Mobiltelefon nicht so einfach stoßen. Sachen, die man zum Teil nur durch jahrzehntelange Insel­erfahrungen lernen kann - und vor allem durch ein vielfältiges Leben.

Wie das von Bernard Boutique. Mit Anfang 20 ging er als Sport­animateur nach Griechenland. Geplant war eine Saison, „als Tapetenwechsel". Letztlich kehrte er in sein Heimatland nur noch als Urlauber zurück. Denn Tui warb ihn ab und schickte ihn 1979 nach Mallorca. „Das hatte ich nie geplant, es kam einfach so." In einem Hotel an der Playa de Palma unterhielt er im Winter Rentner mit Strick- und Tanzkursen. Er stieg schnell auf. „Plötzlich war ich stellvertretender Chefanimateur­ der Iberotel-Gruppe und hatte 150 Animateure unter mir", erinnert er sich. „Da ist man Psychiater, Vater und Personalmanager in einem."

Jahrelang reiste er für die Arbeit umher, seine Basis blieb Palma. In Israel lernte er die zukünftige Mutter seiner zwei Kinder kennen und nahm sie mit nach Mallorca. „Die Insel ist der einzige Ort, an den es mich immer wieder ­gezogen hat." Anfang der 90er-Jahre ließen sich die beiden in Cala Ratjada nieder, doch Boutiques Leben blieb bewegt. Er war als Radiomoderator, Zauberer und Immobilienmakler tätig. „Einmal spielte ich sogar einen Pfarrer auf einer Scheinhochzeit", sagt er. Stolz blickt Boutique vor allem auf die Jahre 2007 bis 2011 zurück, als er im Gemeinderat von Capdepera saß. „Noch heute sprechen mich alte Mallorquiner im Supermarkt an und fragen mich nach dem aktuellem Geschehen. Das ist ein schönes Gefühl." Sogar ­Ex-König Juan Carlos durfte er ­einmal die Hand schütteln, damals, in seiner Zeit als Führer durch die Gärten der Casa March.

Zur Ruhe setzen will er sich noch lange nicht. Seit wenigen Monaten - nach einem längeren Aufenthalt in der Dominikanischen Republik - ist

Bernard Boutique heute wieder als Reiseleiter in Cala Ratjada tätig, diesmal bei der Firma seines Sohnes, „Mallorca Holidays". Von dort aus bietet er zwei Ausflüge für ­Touristen ins Inselinnere an, führt die Besucher über schmale Feldwege zu urigen Restaurants und wenig bekannten Sehenswürdigkeiten. In eine alte Bodega in Petra zum Beispiel. Oder auf den Puig de Bonany. Didaktisch locker wie ein Animateur, inhaltlich fundiert und tiefgehend wie jemand, der schon lange viele Facetten der Insel kennt. Und vor allem stressfrei. So gefällt es ihm, so gefällt es den Kunden. Er ist sich sicher: „Ein Smartphone kann dagegen nicht ankommen."