Claudia Dorrek ist hoch konzentriert. Ihre Augen sind geschlossen, ihre Gesichtszüge angespannt. Es scheint, als würde die Flugbegleiterin selbst innerlich die Boeing 757-300 am Donnerstag (6.9.) auf dem Frankfurter Flughafen Richtung Palma starten. Nach einer halben Minute lockert sich ihre Miene, und sie atmet entspannt auf. „Der Start und die Landung sind die kritischen Phasen eines Fluges", sagt sie. „Als Flugbegleiter geht man im Kopf durch, was ich in Notsituationen zu tun habe und welche Kommandos man den Passagieren zurufen müsste." Sie ist froh, dass sie im Heck der Maschine mit dem Rücken zu den Fluggästen sitzt. „Viele Leute wundern sich immer, warum Flugbegleiter während des Starts so angespannt sind. Dabei sorgen wir uns um ihre Sicherheit."

Dorrek ist eine von 2.663 Flugbegleitern, die bei der deutschen Fluggesellschaft Condor arbeiten. Für viele junge Menschen ist der Job ein Traumberuf. Die Ausbildung dauert nur fünf Wochen, in denen Condor eine Ausbildungsvergütung zahlt. Danach reist man um die Welt und sieht so die schönsten Flecken der Erde. Doch dafür müssen die Flugbegleiter auch einiges leisten. „Es ist mehr als Kaffee und Tee ausgeben. Wir sind quasi Superhelden. Unsere Arbeit vereint die vieler Berufe", sagt Dorreks Kollegin Isabelle Castano.

Auch ich bin heute ein ganz klein wenig ein Superheld und schlüpfe für einen Flug von Frankfurt nach Palma in die Rolle eines Condor-Flugbegleiters.

Der Arbeitstag eines Flugbegleiters bei Condor startet im Crewraum in der Zentrale im Gateway Gardens am Frankfurter Flughafen. Da durch die vielen Mitarbeiter bei jedem Flug eine neue Teamkonstellation entsteht, trifft dort die Crew anderthalb Stunden vor Abflug erstmals aufeinander. Der Pilot klärt über die erwartete Wetterlage und die Besonderheiten des Flugs auf. Zudem wird besprochen, ob es hilfsbedürftige Passagiere an Bord gibt. Mit einem Shuttle-Bus geht es durch eine eigene Sicherheitskontrolle am Flughafen direkt zum Flieger. Eine Stunde vor dem geplanten Abflug kommt die Crew an und trifft auf den MZ-Reporter. Die Einweisung fällt kurz und knapp aus. Schnell wird für ein Teamfoto posiert, und dann geht es schon los. „Lächle einfach immer", antwortet Tanja Meider auf die Frage nach der wichtigsten Regel.

Während ein Reinigungskommando noch das Flugzeug säubert, arbeiten die sechs Flugbegleiter Checklisten ab. Max Arnold, der einzige Mann unter ihnen, nimmt mich mit auf die Kontrollrunde. Wir prüfen, ob die Schwimmwesten, die Karten mit den Sicherheitshinweisen und die Anschnallgurte an jedem Platz vollständig sind. Dann noch ein Blick nach dem Erste-Hilfe-Kasten und den Rauchmeldern auf den Toiletten, und die Arbeit ist getan.

Nicht alle Passagiere haben einen Sitzplatz. Kinder unter zwei Jahren können auf dem Schoß der Eltern mitfliegen. Ich darf die Sicherheitspakete für die Kleinen vorbereiten. Auch ein Zertifikat für den ersten Flug ist dabei. „Die Fluglinien unterscheiden sich fast nur noch durch den individuell angebotenen Service", sagt Chef-Flugbegleiterin Christina Berger-Danzinger. „Bei vielen Familien sind die Kinder große Entscheidungsträger. Sie freuen sich über das Andenken und überreden ihre Eltern, erneut mit Condor zu fliegen."

Bevor die Passagiere einchecken, steht noch eine wichtige Frage an: Jacken an oder aus. Diese Entscheidung gilt es ihm Team zu treffen, denn sie gilt für die ganze Crew. Ohne Jacke, lautet die einhellige Meinung. „Condor ist unter den Fluglinien noch am kulantesten, was die Uniform betrifft. So können wir beispielsweise zwischen Bluse und Weste auswählen", sagt Isabelle Castano. In anderen Punkten sind die Vorschriften strikter. „Der Lippenstift ist Pflicht und sollte auch zum Nagellack passen." Ein Glück, dass man als Mann sich darüber keine Gedanken machen muss.

Da muss nur der Bart gepflegt werden. Im Oktober unterstützt Condor zudem die Aktion FlyPink und sammelt Spenden für die Brustkrebsvorsorge. Testweise tragen die Flugbegleiterinnen heute schon pinke Halstücher, die Männer bekommen pink gestreifte Krawatten.

Die Passagiere steigen ein. Tanja Meider und ich sind das Begrüßungskommando. Bei 235 Mal „Hallo" sagen fühlt man sich wie ein Papagei. Einige Fluggäste steigen mit einer Bierdose in der Hand ein. „Im Flugzeug dürfen Sie mitgebrachten Alkohol nicht konsumieren. Bitte auf der Toilette entsorgen", sagt Tanja Meider streng. Angetrunkene Fluggäste gebe es vereinzelt bei den Mallorca-Flügen. Bei unserem Flug ist das eine Gruppe mit Motto-Shirts. „Einige kommen schon betrunken zum Flieger. An Bord hält sich der Konsum in Grenzen."

Aber es gibt ja auch die anderen. Ein Brautpaar steigt in voller Montur ein. „Das hatte ich auch noch nie", meint Tanja Meider verblüfft. Zur Feier des Tages bekommen die frisch Vermählten ein Glas Sekt und ein kostenloses Upgrade in die Premiumklasse.

Chefin Christina Berger-Danzinger begrüßt die Passagiere. Sie ist die Einzige, die Ansagen machen darf. Die tanzartigen Sicherheitshinweise vor dem Flug müssen die Condor-Flugbegleiter nicht vorzeigen. Ein Sicherheitsvideo wird auf den Bildschirmen abgespielt.

Nach dem Start bekommen die Flugbegleiter vom Piloten ein Signal, dass sie mit ihrer Arbeit beginnen dürfen. Die Frauen sind alle um ein paar Zentimeter geschrumpft. „Für die Begrüßung der Passagiere tragen wir Schuhe mit hohen Absätzen. Danach schlüpfen wir in bequemere Schuhe", sagt Isabelle Castano.

Zuerst müssen die Öfen angeschmissen werden, um die Menüs aufwärmen zu können. „Hier lassen sich auch Fischstäbchen gut zubereiten", sagt Claudia Dorrek. Die Flugbegleiter können entweder vom Cateringservice Essen bestellen oder eigene Speisen mitbringen.

Der MZ-Redakteur wird damit beauftragt, Spielzeug an Kinder zu verteilen. „Pass aber auf. Der Pilot meinte, es gibt die nächsten Minuten noch Turbulenzen." Claudia Dorrek hat sich an das Wackeln im Flieger schon gewöhnt. „Ich vertraue dem Cockpit, meiner Ausbildung und dem Flugzeug. Sonst könnte ich den Job nicht machen."

Mich bringen die Turbulenzen am Anfang dann doch ins Wanken. Mit einer schweren Kiste voller Ausmalbilder, Puzzles und Rätselheften mühe ich mich durch den Gang. Da ich die Runde vom Heck aus beginne und die Passagiere angelächelt werden müssen, muss ich rückwärts gehen. Die Boeing 757-300 ist für einen 1,90 Meter großen Menschen nicht geschaffen. Alle zwei Meter hängt ein Bildschirm auf Kopfhöhe von der Decke. Mitleidig lächeln mich die Passagiere an, als ich zum dritten Mal mit dem Schädel anecke.

Nach den Spielzeugen ist vor der Essensausgabe. Bei der Premiumklasse im vorderen Teil des Flugzeugs ist die Mahlzeit im Preis inbegriffen. Das Austeilen der Schalen ist kein großes Problem. Schwieriger wird die Runde mit den Getränken. Etwas ängstlich umklammere ich die Kaffeekanne. Schließlich könnten mich jede Sekunde Turbulenzen aus dem Gleichgewicht bringen und das heiße Getränk auf dem Schoß eines grimmig dreinblickenden Mannes landen. Zum Glück teilen gleich drei Flugbegleiter Getränke aus, sodass alle Passagiere zügig versorgt sind. Tomatensaft hat seltsamerweise keiner bestellt.

Einfacher wird die Runde mit dem Müllwagen. „Das freut die Leute immer", sagt Chefin Christina Berger-Danzinger. Und in der Tat braucht es kaum Worte, um den Müllsack zu füllen. Überzeugungsgeschick ist hingegen beim letzten Gang mit dem Servicewagen gefragt. Dann werden Artikel aus dem Bordshop angeboten. Die Flugbegleiter erhalten für die Verkäufe eine Provision. Doch so sehr ich auch mit einem Plüschteddy vor den Augen der Passagiere rumwedele, kaufen will ihn niemand.

Bei alledem vergeht die Zeit wirklich wie im Flug. Die Passagiere haben sich gut benommen. Auch die Gruppe mit den Motto-Shirts verhielt sich ruhig. Sexuelle Belästigung im Flieger, wie in diesem Sommer vermehrt in den Nachrichten zu lesen war, gebe es so gut wie nie, meint Isabelle Castano. Für solche Fälle seien die Flugbegleiterinnen zudem geschult. „Einige Männer merken sich aber unsere Namen von den Schildern und fragen uns dann nach Dates in den sozialen Netzwerken. Einer hat sogar schon mal bei Condor direkt nach mir gefragt."

Zur Belohnung für die Arbeit darf ich den Landeanflug im Cockpit erleben. „Unter den Kurzstrecken ist Mallorca mit Abstand der schönste", sagt Pilot Martin Wiegand. Die Landung ist für ihn wie ein Computerspiel. „Wenn ich das rosa Kreuz auf dem Bildschirm in dem blauen Kreis halte, lande ich in der perfekten Bahn." Unterhalb von 10.000 Fuß sind im Cockpit aus Sicherheitsgründen nur noch notwendige Dienstgespräche erlaubt. Martin Wiegand landet den Flieger problemlos. Von möglicherweise klatschenden Passagieren ist im Cockpit nichts zu hören. „Die höre ich nur, wenn die Flugbegleiter in dem Moment eine Durchsage machen. Ich bin aber nicht böse, wenn jemand nicht klatscht."

Zeit für eine lange Verabschiedung bleibt nicht. Die Crew muss sich beeilen, um schnellstmöglich den Rückflug vorzubereiten. „Wegen des Nachtflugverbots in Frankfurt müssen wir spätestens 23 Uhr wieder dort sein", sagt der Pilot. Dann ist auch der Arbeitstag für die Crew beendet.