Stellen Sie sich vor, Sie setzen sich im Sommer in ein Restaurant auf Mallorca - und werden nicht bedient. Und zwar nicht erst nach 15 Minuten, sondern überhaupt nicht. Weil das Restaurant keine Mitarbeiter hat. Hört sich absurd an, liegt aber gar nicht so fernab der Realität. Viele Restaurants und Bars auf der Insel haben ernsthafte Probleme, für die touristische Hauptsaison ihre Stellen mit Saisonkräften zu besetzen. Der Hauptgrund: Es lohnt sich für Arbeitnehmer vom spanischen Festland nicht mehr, während der Saison auf Mallorca zu arbeiten, weil die Mieten einen Großteil des Gehalts auffressen.

„Ich finde keine Leute", beklagt etwa Alfonso Robledo, Inhaber des Restaurants Coves de Gènova und gleichzeitig Sprecher der Gastronomen auf der Insel. „Früher kamen die Saisonkräfte vor allem aus Andalusien, haben dann auf der Insel sieben, acht Monate richtig geschuftet und ordentlich Geld verdient und sind dann mit dem Angesparten in die Heimat zurückgekehrt. Das funktioniert heute nicht mehr. Wie soll man denn bei den Wohnungspreisen hier etwas ansparen?", fragt Robledo. Laut Tarifvertrag verdient ein Kellner für eine 40-Stunden-Woche knapp 1.200 Euro netto im Monat.

Auch Juan Ferrer, Inhaber mehrerer Restaurants an der Playa de Palma, bestätigt: Noch vor ein paar Jahren haben wir einen festen Pool an Saisonkräften aus Südspanien und Galicien gehabt. Jetzt kommen die Leute nicht mehr." Dabei boomt der Arbeitsmarkt auf den Inseln, vor allem in ihrem Bereich. Im Mai gab es in der Gastronomie 136.408 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze - ein neuer Rekord für die Balearen. Insgesamt waren auf den Inseln 556.469 Arbeitnehmer bei der Seguridad Social gemeldet, mehr als je zuvor.

Da kommt die Wohnungsnot auf den Inseln denkbar ungelegen. „Die, die uns in dieser Situation ein Stück weit retten, sind junge Leute aus Nord- und Mitteleuropa, die ein paar Monate kommen, um die Sprache zu lernen und erste Erfahrungen in der Gastronomie zu machen", sagt Robledo.

Eine Lösung sei das aber nicht, sagt Juan Ferrer. „Das ist ein hausgemachtes Problem, die Politiker schauen weg." Seine Idee: Wenn alle Ein- und Zwei-Sterne-Hotels in Arenal zu Wohnraum umgewidmet werden könnten, hätten die Angestellten im Sommer genügend Unterkünfte. „Derzeit ist das aber verboten. Ich habe mit Hoteliers gesprochen, die das sofort machen würden, wenn es möglich wäre. Hier ist die Politik gefragt." Ferrer schweben Apartments von 35 bis 40 Quadratmetern zu einem Mietpreis von knapp 500 Euro vor. Das seien Bedingungen, mit denen man Leute vom Festland anlocken könne. So lange das nicht möglich sei, müsse er seine Stellen mit Leuten besetzen, die nicht für die Tätigkeit ausgebildet seien. „Das macht sich bei der Qualität bemerkbar", so Ferrer.

Etwas, das auch Rafael Berga, Vertriebsleiter der BQ-Hotels, feststellt. Auch bei BQ habe die Personalabteilung echte Schwierigkeiten, Leute zu finden. „Und wenn dann eine Stelle besetzt wird, dann zumeist mit einem Mitarbeiter, der nicht über die eigentlich nötige Qualifikation verfügt", sagt Berga. Besonders schwierig sei es, Köche zu finden.

Dass Hotels oder Restaurants ihren Angestellten Wohnungen vermitteln oder ihnen gar eigene Wohnungen zur Verfügung stellen, war noch vor wenigen Jahren gang und gäbe auf der Insel - bevor die Preise derart gestiegen sind. Bei Kim Gerdsen in Peguera ist es heute noch so. Die Inhaberin des Lokals Mar y Mar und Teilhaberin an weiteren Bars und Restaurants im Ort benötigt allein für ihr Restaurant 42 Arbeitskräfte im Sommer und hat für sie mehrere Wohnungen angemietet. Doch auch sie stöhnt über die steigenden Preise. Unter 600 Euro für ein Studio mit kleiner Küche gebe es nichts. „Das müssen dann Saisonkräfte berappen, die oft auch noch in ihrer Heimat eine zweite Miete zu bezahlen haben", sagt sie der MZ. Entsprechend schwierig sei es geworden, die Stellen zu besetzen. Gerdsen sucht immer noch händeringend nach mindestens ein bis zwei Leuten für die Sommersaison.

Weniger angespannt scheint die Lage auf dem Wohnungsmarkt und dementsprechend auch in Sachen unbesetzter Stellen im Norden der Insel zu sein. Der Gastronom Carlos Ramis vom Beachclub Ponderosa Beach an der Playa de Muro jedenfalls sagt: „Bei uns ist das noch kein Problem, ich habe meine Stellen für den Sommer bereits besetzt." Durch seine Kontakte zu Immobilienmaklern in den Dörfern im Hinterland könne er Wohnungen vermitteln. „Diese Woche sind zwei junge Männer aus Teneriffa angekommen, die sich eine Wohnung teilen. Die kostet sie keine 500 Euro", so Carlos Ramis zur MZ.