Eines ihrer größten Probleme sei die Unsichtbarkeit, sagt Paquita Merino, bei der Gewerkschaft UGT zuständig für das Pflegepersonal auf den Balearen. Dabei leisten die Angestellten in den Pflegeheimen der Insel eine Arbeit, die wichtiger nicht sein könnte: Sie kümmern sich um Menschen, die am Ende ihres Lebens wieder so abhängig sind, wie sie es ganz zu Beginn waren. Aufstehen, waschen, Windeln wechseln, füttern und spazieren gehen, für nahezu alles sind die Bewohner auf Hilfe angewiesen. Die wird ihnen auch geboten - doch die Entlohnung für die körperlich anstrengende Tätigkeit ist lächerlich niedrig.

Die letzten Verhandlungen für den seit Januar 2019 geltenden Tarifvertrag dauerten vier Jahre, das Ergebnis war eine minimaler Inflationsausgleich. Bei 39,5 Wochenstunden erhalten die überwiegend weiblichen Pflegekräfte laut dem spanienweit geltenden Tarifvertrag nur 976 Euro pro Monat. Das ist gerade auf Mallorca, wo Lebenshaltung und Mietkosten deutlich höher sind als auf dem Festland, lächerlich wenig. Die Gewerkschaft hat dem Arbeitgeberverband 1.000 Euro in 14 Monatsgehältern vorgeschlagen, mit einem Insel-Zuschlag von 25 Prozent für die Balearen und die Kanaren, und ist damit wortwörtlich auf taube Ohren gestoßen. „Die Verbände haben uns nicht einmal darauf geantwortet", so Merino.

Am 30. Oktober gingen die Altenpfleger und -pflegerinnen deshalb im ganzen Land auf die Straße. Auch in Palma de Mallorca demonstrierten sie vor dem Sitz des Arbeitgeberverbandes CAEB. Rund 50 Arbeiterinnen und Gewerkschaftsvertreter kamen zusammen - nicht eben viele. „Die Frauen haben Angst, sich zu beschweren", sagt Merino. Viele seien auf das wenige Geld, das sie erhalten, dringend angewiesen. Auch bei körperlichen Beschwerden kämen sie erst dann zur Gewerkschaft, wenn sie gar nicht mehr anders könnten. Fast alle Pflegerinnen leiden früher oder später unter Rückenschmerzen, die durch das Anheben und Bewegen der alten Menschen verursacht werden.

Zugleich kommen auf die Pflegeheime und ihr Personal immer mehr Menschen zu. Die Seniorinnen und Senioren ziehen immer später in Altenheime. Wegen der hohen Kosten werden sie so lange zu Hause betreut, bis es gar nicht mehr geht. So wächst die Zahl jener Menschen, die mehrmals am Tag Hilfe benötigen oder bereits einen völligen Autonomieverlust erlitten haben. Entsprechend hoch ist der Betreuungsaufwand, der etwa mehrfaches Umbetten pro Tag erfordert, damit sich die Pflegefälle nicht wundliegen. Zudem kommen nun die Babyboomer ins Pflegealter: „Das ist die Generation meiner Eltern, da waren neun Geschwister keine Seltenheit", so Merino.

Auch der Betreuungsschlüssel muss deshalb überarbeitet werden. Derzeit werden auf 100 Pflegebedürftige 28 Personen für die Patientenbetreuung veranschlagt - dazu gehören aber nicht nur die Pflegerinnen, sondern auch Ärzte, Krankenschwestern, Physiotherapeuten und Psychologen. Es fehlt also nicht nur wegen der miserablen Bezahlung an Personal.

Wer es sich als Angehöriger leisten kann, der lässt die Bedürftigen deshalb zu Hause pflegen. Auch für die Pfleger ist das Geschäft der privaten Betreuung lukrativer - doch oft werden sie dabei auch in die Schwarzarbeit gedrängt. Mario López (Name von Red. geändert) kam über einen Bekannten, der auf Mallorca eine Pflegeagentur eröffnete, in das Haus eines Schweizer Ehepaares. Die Frau war nach einem Schlaganfall pflegebedürftig, López teilte sich mit einer Kollegin die Betreuung zu Hause.

15 Euro erhielt er dafür pro Stunde, deutlich mehr als in seiner jetzigen Anstellung als Pfleger in einem Krankenhaus. „Aber klar, das war schwarz, und da gab es auch gar keine Diskussion." Das führt zu Schwierigkeiten, angefangen bei der geforderten Arbeitsleistung: „Wenn du pro Schicht 24 Stunden im Haus wohnst und auch dort übernachtest, dann rutschst du schnell in die Rolle der Haushaltspflege und wirst aufgefordert, die Wäsche oder den Abwasch zu machen." Richtig prekär wird es für die unversicherten Pflegekräfte, wenn etwas passiert. „Kollegen von mir sind Patienten gestorben. Die mussten das natürlich melden und am Telefon dann so tun, als wären sie Nachbarn, damit die Schwarzarbeit nicht auffliegt." López gab den Job wieder auf - nicht zuletzt wegen der psychischen Belastung.

Die ist auch bei fest angestellten Pflegerinnen in Heimen immens. Ihnen mangelt vor allem an der nötigen Zeit, um auch als Seelsorger tätig zu sein. „Die Heimbewohner brauchen persönliche Zuwendung, möchten, dass jemand ihnen zuhört oder auch von sich erzählt. Das ist bei der Arbeitsbelastung aber kaum möglich, die Frauen sind ständig gestresst, um wenigstens die physische Betreuung in angemessenem Umfang leisten zu können."

Dass das Zwischenmenschliche auf der Strecke bleibt, nehmen sich viele Pflegerinnen sehr zu Herzen. „Sie machen ihre Arbeit aus Berufung, weil sie gute Menschen sind", so Merino. Nicht zuletzt deshalb gestaltet sich der Arbeitskampf kompliziert. Für Anfang Dezember sind weitere landesweite Kundgebungen geplant, um die Arbeitgeber unter Druck zu setzen. Fast ein wenig neidisch blickt Merino auf die „Kellys", die Zimmermädchen der Hotelbranche. Doch die Erklärung für deren Verhandlungserfolge ist einfach: „Wenn die Kellys streiken, dann legen sie ein Hotel lahm. Wir aber arbeiten mit hilfsbedürftigen Menschen. Die Arbeitgeber wissen genau, dass wir nicht einfach streiken werden. Wir können die Leute doch nicht verhungern lassen."

Zimmermädchen treffen sich zu Kongress in Palma de Mallorca

Der Verband spanischer Zimmermädchen versammelte sich am Freitag (15.11.) zum zweiten nationalen Kongress in Palma. Die „Kelly Union" kämpft für bessere Arbeitsbedingungen und gerechten Lohn sowie gegen Belästigung am Arbeitsplatz. Die für die Arbeit typischen Leiden sollen zudem als Berufskrankheit anerkannt werden. Die balearische Landesregierung präsentiert eine Studie über die Situation der „Kellys" auf den Inseln. Weit über die Hälfte von ihnen leidet unter chronischen Schmerzen.