"Sich selbst neu erfinden", diesen Ausdruck findet Joelle Charles nicht besonders treffend. „Zu sich finden" schon eher. Charles ist seit zwölf Jahren als systemisch arbeitende, ganzheitlich zertifizierte Coachin mit ihrem Unternehmen Perspektivenreich in Deutschland ­tätig, seit 2016 bietet sie auch auf Mallorca ­Sitzungen an. „Am Anfang steht immer die ­Krise", sagt sie. Sei es eine private, eine berufliche, oder eben eine globale, wie die Corona-Pandemie, die die Menschen wiederum ganz unterschiedlich wahrnehmen.

„Vorher war es für viele Menschen eine ­Herausforderung, aus ihrem eingefahrenen Trott auszubrechen, obwohl sie unzufrieden waren. Momentan aber herrschen Unsicherheit und Instabilität, und die rüttelt viele auf", so Charles. In den vergangenen Monaten habe sie mehrere Neukunden hinzugewonnen, die merkten, dass sie etwas ändern wollen, weil Corona sie zwangsläufig aus ­ihrem Hamsterrad geholt habe. Eine Krise könne Gefahr bedeuten, wenn jemand blindlings loslaufe oder sich aus Angst verkrieche. Oder - je nach Perspektive - auch eine ­Chance. „Sie ist ein Lern-Tor. Es kostet Kraft hindurchzutreten, aber man geht gestärkt daraus hervor", sagt Charles.

Das sieht Alicia Cerdá, die das Unternehmen Coach Mallorca in Palma betreibt, ähnlich. „Obwohl Menschen unzufrieden mit ­ihrer Situation sind, wagen viele die Veränderung nicht. Eine Krise, die alles aufbricht, kann da hilfreich sein." Wichtig sei, sich nicht von Angst beherrschen zu lassen. „Angst limitiert und blockiert uns. Wir müssen uns ihr also stellen und fragen: Wovor haben wir überhaupt Angst? Davor keine Arbeit zu finden? Oder den Job zu verlieren? Wenn wir uns mit unserer Angst auseinandersetzen, wird das Problem schnell deutlich, und das ist der erste Schritt in Richtung Lösung."

Um frei und konstruktiv nachzudenken, müsse man zunächst aus allem Hektischen und Lauten herauskommen und Raum für Muße und sich selbst schaffen, rät Joelle Charles. „Man kann mehrere Tage hintereinander aufschreiben, wie es einem gerade geht, wie es in einem aktuell aussieht. Aus dem Geschriebenen geht meist schon viel Wahrheit hervor." Oft erlebe sie mit ihren Kunden, dass diese Schwierigkeiten haben, zu sich selbst zu finden. Dann sei der Austausch mit einem Profi hilfreich, der durch Fragen und Zuhören dabei unterstützt, Kontakt mit sich selbst herzustellen. „Bevor man weiß, wo man hin will, muss man wissen, wer man ist und wo man steht. Vielleicht befindet man sich ja schon direkt neben dem Ziel und sieht es nur nicht."

Dabei sei es essenziell, Eigenverantwortung anzunehmen und sich über sich selbst und die eigenen Werte und Prioritäten klar zu werden. „Oft haben Menschen eine falsche Vorstellung davon, wer sie momentan wirklich sind und was wesentlich für sie ist. Viele übernehmen Werte ihrer Eltern oder lassen sich von Status oder Besitz leiten. Häufig entsprechen solche Außenidentifizierungen dann aber gar nicht dem eigenene Wesenskern", so Joelle Charles.

Innere Veränderung

Um genau dorthin zu gelangen, sei es meist unvermeidlich, sich mit der eigenen Biografie auseinanderzusetzen. „Erst danach kann man sehen, wohin es gehen soll." Charles hält daher auch nichts von einer Trennung zwischen ­Beruflichem und Privatem bei der Coaching­arbeit. Letztlich hänge alles miteinander zusammen. „Erst wer innere Klarheit hat, kann Klarheit im Außen schaffen." Für die einen ­bedeute das, zu lernen, auch mal „Nein" zu sagen und Grenzen zu setzen. Für andere, sich anderen mehr zu öffnen. „Im Außen etwas ver­ändern zu wollen, ist oft ein Kampf gegen Windmühlen." Innere Veränderung bringe aber eine Veränderung des Außen mit sich.

„Es kommt ganz viel auf die innere Haltung an, mit der man äußeren Gegebenheiten gegenübertritt", bestätigt auch Alicia Cerdá. Das gelte für Konflikte in der Partnerschaft ebenso wie für Probleme auf der Arbeit. „Dinge positiv zu sehen, kann schon ganz viel verändern. Vor allem dürfen die äußeren Umstände nicht unser Innenleben bestimmen. Daher sollte man auch mit sich selbst gut und achtsam umgehen."

Was nicht heiße, dass man nicht auch große Einschnitte wagen solle. „Was uns nicht ­gefällt, sollten wir aus unserem Leben verbannen. Ich hatte tatsächlich in den vergangenen Monaten drei Kunden, die trotz der Krise sehr stabile Arbeitsplätze hatten, diese aber aufgegeben haben, weil sie durch die Ausnahme­situation, die Corona für die Gesellschaft mit sich bringt, merkten, dass sie nicht zufrieden sind in dem, was sie machen", sagt ­Alicia ­Cerdá.

Wer sich darüber bewusst geworden ist, dass sie oder er sich tatsächlich beruflich neu orientieren will, muss aufschlüsseln, was die eigenen Fähigkeiten, Ansprüche und ­Wünsche sind. „Man sollte dabei allerdings realistisch bleiben und sich möglichst kleine ­Zwischenziele setzen, die schnelle Erfolgs­erlebnisse bringen", rät Cerdá. Zudem solle der Fokus stets auf der Lösung und nicht auf dem Problem liegen. „Wer wirklich an sich und ­einem Wandel arbeiten will, kann innerhalb von vier Monaten an sein Ziel kommen. Wobei auch das natürlich individuell unterschiedlich ist", so die Spanierin.

Um den Kontakt zu sich selbst langfristig zu halten, sei es notwendig, sich immer wieder zu beobachten. Alicia Cerdá sagt: „Werte und Prioritäten können sich im Laufe des Lebens ändern, auch das darf man nicht außer Acht lassen. Man muss sich selbst ständig hinter­fragen." Und Joelle Charles rät, sich auch über die eigenen Ressourcen Gedanken zu machen. Wo tanke ich auf? Und wo lasse ich Energie? ­„Irgendwann meldet sich sonst der Körper mit Beschwerden, die sich zu chronischen Krankheiten ausweiten können." Und dann ist die nächste Krise nah.

Mehr Infos:

Joelle Charles, Perspektivenreich: https://www.perspektiven-reich.de/Alicia Cerdá, https://www.perspektiven-reich.de/

https://www.coachmallorca.com/