Wenn Carina Sánchez nach der Arbeit nach Hause kommt, kann sie oft nicht schlafen. Zwar ist sie erschöpft, doch die Erlebnisse des Tages und das Adrenalin rauben ihr den Schlaf. Seit zwölf Jahren arbeitet die 35-Jährige als Krankenschwester in einer privaten Klinik auf Mallorca. „Meiner Berufsgruppe ging es vor der Pandemie schon schlecht. Durch Corona sieht man das nun zwar mehr als früher, aber gleichzeitig ist auch alles noch viel schwieriger geworden", so Sánchez, die - wie auch die anderen von der MZ befragten Angestellten - in Wirklichkeit anders heißt, ihren Namen aber nicht in der Zeitung lesen will.

900 Euro verdient Sánchez netto für ihre Halbtagsstelle, dabei liegt der enfermería in Spanien anders als in Deutschland ein Hochschulstudium zugrunde. Oft arbeitet Carina deutlich mehr, als in ihrem Vertrag steht. „Wir werden nicht gezwungen, Überstunden zu machen, und wir kriegen sie auch bezahlt, aber wenn man uns bittet, das Doppelte zu tun, machen wir das Dreifache, so sind wir Krankenpfleger, wenn wir Not sehen."

Zu viele Patienten

Am schlimmsten hat sie die erste Pandemiewelle in Erinnerung. Damals fehlte es nicht nur an Wissen im Umgang mit den Patienten, sondern auch an Schutzausrüstung. „Es war eine stetige Angst, sich und andere anzu­stecken. Ich habe mich gefühlt wie an einer Kriegsfront", so die Andalusierin. Mittlerweile sei das zwar besser, aber der Personalmangel, der die Arbeitsbedingungen in der Branche ohnehin erschwert, sei durch die Pandemie noch deutlicher geworden. „Das Problem ist, dass es keinen gesetzlich vorgeschriebenen maximalen Betreuungsschlüssel gibt. Teilweise hat ein Krankenpfleger in einer Schicht mit 22 Patienten zu tun, das bringt uns um." Mehrere ihrer Kollegen seien bereits wegen des psychischen Drucks krankgeschrieben. „Und ich bin mir sicher, wenn die Pandemie vorbei ist, werden wir noch viel mehr Psychologen benötigen", so die Krankenpflegerin.

Der Job sei nicht nur praktisch anspruchsvoll, sondern auch emotional. Obwohl sie nicht in der Intensivstation arbeitet, sieht ­Carina regelmäßig Corona-Patienten sterben. „Wer früher auf die Intensivstation gekommen wäre, liegt nun bei uns auf der Station, weil die Intensivstation voll ist. Patienten, die wir normalerweise bei uns hätten, werden nach Hause geschickt, weil kein Platz ist." Zu sehen, wie Menschen allein ohne ihre Angehörigen sterben, nehme sie mit. „Es braucht klarere Regeln darüber, wie viel Arbeitslast uns zugemutet werden darf, und vor allem braucht es mehr Verständnis von der Bevölkerung dafür, was wir leisten."

Das sieht Paqui Méndez ähnlich. Sie arbeitet als Krankenpfleger-Gehilfin in einem ­öffentlichen Krankenhaus auf Mallorca - ein Arbeitsplatz, auf den viele in der Branche scharf sind. Nicht nur die Bezahlung ist im öffent­lichen System besser, auch die Arbeitslast ist ­geringer. Trotzdem klagt auch sie über Personalmangel. Erst recht seit Corona. „Allein schon, weil wir immer zu zweit zu den Corona-Patienten gehen müssen, um sicherzugehen, dass wir nicht versehentlich etwas anfassen."

Anders als in den privaten Kliniken ist in den öffentlichen derzeit ein Urlaubsverbot für die Mitarbeiter verhängt. Zwar werde man auch hier nicht gezwungen, Überstunden zu machen, oft sei es aber kaum anders möglich. Dreimal im Monat muss Paqui Méndez Nachtschichten übernehmen, nur einmal im Monat hat sie ein freies Wochenende.

Trotz der hohen Belastung kommen am Ende des Monats nur rund 1.400 Euro heraus. Früher, als sie noch in einer Privatklinik gearbeitet hat, waren es etwa 300 Euro monatlich weniger. Kein Wunder also, dass zahlreiche Krankenpfleger und Gehilfen von Mallorca in der vergangenen Woche dem Aufruf der Gesundheitsbehörde folgten und freiwillig Extra-Einsätze in den derzeit vollkommen überfüllten Krankenhäusern auf Ibiza übernahmen - für eine Zwölf-Stunden-Schicht gab es dort 400 Euro extra.

„Auch ohne Pandemie versuchen viele meiner Kollegen, sich neben ihrer Vollzeit­stelle noch weiteres Geld dazuzuverdienen", so Méndez. Oft übernähmen Krankenpfleger dann auch Schichten in Privatkliniken, fahren also zweigleisig - und sind entsprechend ausgelaugt. Zustände, die in Deutschland so undenkbar sind.

Wenig Verständnis

Dass das vielen Menschen gar nicht klar ist, erleben die Krankenhausangestellten im Alltag ständig. Vor allem die Besucher von Patienten reagierten immer noch ungehalten, wenn nicht direkt auf das Klingeln der Notrufglocke ein Mitarbeiter im Krankenzimmer erscheint. „Die Leute sehen immer noch nicht, wie es uns geht, auch wenn einige schon etwas sensibler sind als früher", so Maria Vadell. Die Mallorquinerin arbeitet als Krankenpfleger-Gehilfin für 1.100 Euro Vollzeit in einer Privatklinik und hat ebenfalls schon oft erlebt, dass sie gemeinsam mit einem Krankenpfleger allein für 17 Patienten zuständig war. Und Covid-Patienten, betont sie, bedürften eben allein schon wegen der Schutzmaßnahmen sehr viel Zeit und Aufmerksamkeit.

„Natürlich habe auch ich schon darüber nachgedacht, in das öffentliche System zu wechseln. Aber wenn man einen unbefristeten Festvertrag haben will, ist das schwer. Und gerade in den Privatkliniken ist der Teamgeist deutlich höher, wir sind wie eine kleine Familie, und das ist auch viel wert."

Wie viele ihrer Kollegen findet aber auch sie, dass es auf Dauer so nicht weitergehen kann. Über einen maximalen Betreuungsschlüssel wurde 2020 erstmals im spanischen Parlament diskutiert, Gesetzesvorhaben gibt es aber noch nicht. Wenn sich nach dieser Pandemie nicht grundlegend etwas an unseren Arbeitsbedingungen ändert, dann wird es große Probleme geben."