Manchmal rutscht eine ihrer Puppen über Nacht zur Seite oder kippt im Sitzen nach hinten. „Wenn sich eine Puppe von allein bewegt, lasse ich sie liegen", sagt Alicia García-Germán, die vor rund 30 Jahren anfing, Puppen zu sammeln. Ihre Kollektion mit inzwischen rund 800 Exemplaren aus 50 verschiedenen Ländern stellt sie im Puppenmuseum in Palma an der Kathedrale aus. „Ich bin nicht abergläubisch, doch eine Puppe hat auch eine Seele, die es zu respektieren gilt", sagt die Madrilenin und lächelt. Ihr erstes Stück fand die Mutter von vier Kindern auf dem Antiquitätenmarkt in Palma. Später reiste sie über sämtliche Antiquitätenmärkte Europas bis nach Amerika, immer auf der Suche nach alten muñecas.

Bis unter die Decken reichen die Glasvitrinen, in denen dicht an dicht die Puppen präsentiert werden. An der Wand stehen Regale, auf denen Puppen sitzen, auf dem Boden alte Schaukelpferde und Puppenschränke. „Ich suche schon seit Jahren nach größeren Räumlichkeiten, um die Puppen großzügiger präsentieren zu können", sagt die Museumsbesitzerin. Einen solventen Mitstreiter hat sie bisher noch nicht gefunden. Bis es so weit ist, stehen auch die Besucher dicht an dicht, um die Puppen-Schätze zu begutachten.

In der ersten Vitrine werden die Ursprünge der Puppe beleuchtet, die bis in die Jungsteinzeit zurückgehen. „Damals wurden Fruchtbarkeitsgöttinnen aus Ton als Amulett getragen oder bei Hochzeiten verschenkt", erklärt Alicia García-Germán und zeigt auf Krippenfiguren aus Holz und Ton und auf eine präkolumbianische Stoffpuppe, die man in einem Kindergrab gefunden haben will. Aus dem 14. Jahrhundert stammt eine reli­giöse Holzfigur aus einem russischen Kloster. Solche Figuren wurden damals von den Mönchen hergestellt, um sie an Wallfahrer zu verschenken.

„Im Mittelalter lernte man, Gesichter täuschend echt in Wachs nachzubilden", erzählt Alicia García-Germán und geht zur nächsten Vitrine, in der eine Puppe mit blauen Augen und braunen Haaren sitzt. „Sie hatten Augen aus Glas und die Echt-Haare wurden einzeln eingesetzt." Leider bekommt man im Museum nur spärliche Erklärungen, aus welchen Materialien die Puppen gefertigt sind und aus welcher Epoche sie stammen. Wer ein bisschen Vorwissen mitbringt, weiß, dass die Jahre von 1850 bis 1930 als das goldene Puppenzeitalter gelten. Deutschland und Frankreich waren damals führend in der Puppenproduktion, zu den Neuerungen in der Herstellung gehörten die Einführung von Porzellanköpfen, Kugelgelenken, die Herstellung erster Babypuppen sowie der Einsatz von Gummi für Puppenkörper und Celluloid, aus dem ganze Puppen und Köpfe entstanden.

Unter den deutschen Puppen findet man im Museum zum Beispiel eine Bruno-Schmidt-Puppe von 1890, etwa aus der gleichen Zeit stammt eine bewegliche Puppe, die einen bestickten Mantel trägt. „In Frankreich wurden Jumeau-, Armand-Marseille- sowie diese Gaultier-Puppe von 1875 hergestellt, die als Zigeunerin verkleidet ist und ausschließlich zur Belustigung der Erwachsenen diente", erklärt Alicia García-Germán. Erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die Puppe populär und auch als Spielobjekt entdeckt. „Am bekanntesten sind die deutschen Schildkröt-Puppen aus Zelluloid, von denen hier einige ausgestellt sind", sagt ­Alicia García-Germán.

„Die in dem blauen Kleid habe ich von meiner Mutter geerbt." Die bekannteste Puppe Spaniens ist die Mariquita Pérez, die nach dem Spanischen Bürgerkrieg auf den Markt kam. „Sie war die erste Puppe, die für jede Gelegenheit ein anderes Outfit besaß. Diese hier trägt zum Beispiel einen Bikini, um sie mit an den Strand zu nehmen."

Leider darf man im Museum keine der Puppen in den Arm nehmen und mit ihr spielen. „Aber man kann sie angucken, so lange man möchte", sagt Alicia García-Germán. „Und manchmal lächeln sie sogar zurück."

Infos

Im Museum gibt es einen Verkaufsladen mit Puppen verschiedener Marken sowie Puppenhäuser, -kleidung und -zubehör.

Das Museo de Muñecas Antiguas befindet sich neben der Kathedrale in Palma, Palau Real 27.

Geöffnet Di bis So, 10 - 18 Uhr.

Eintrittspreise: Kinder 2,50 Euro, Erwachsene 3,50 Euro.

Tel.: 971-72 98 50.