Die Deutschen sind überall. Sogar in den Sumpfgebieten Mallorcas fühlen sie sich wohl. Die Hälfte aller Touristen, die im vergangenen Jahr das Naturschutzgebiet S´Albufera nahe Alcúdia besucht haben, kam aus Deutschland. Auch an diesem Freitagvormittag spricht man hauptsächlich Deutsch, ­Touristen mit Fahrrädern und Ferngläsern bestimmen das Bild in dem etwa 1.700 Hektar großen Gelände an der Nordküste der Insel.

Viele sind gekommen, um Vögel zu beobachten. Reiher, Kolben­enten und die Schafstelzen lassen sich in dem grünen Areal nieder. Über 200 verschiedene Arten sind in dem Sumpfgebiet zu Hause. Von allen Seiten zwitschert und ruft es. In den Kanälen tummeln sich Frösche, die mit lautem Quaken ins Konzert einstimmen. Auch Schildkröten und sogar Büffel sind hier heimisch.

Eine Naturlandschaft ist S´Albufera trotzdem nicht. Die Kanäle, die das Gebiet durchkreuzen, wurden vor knapp 150 Jahren angelegt. Damals gelang es dem englischen Ingenieur Frederick Bateman, das Sumpfgebiet trockenzulegen. Die meisten Menschen dürften es als ein Zeichen des Fortschritts empfunden haben: In den Sümpfen brüteten nicht nur Vögel, sondern auch jede Menge Ungeziefer, die Mücken übertrugen Malaria. Und wirtschaftlich nutzbar war das Gebiet bis dahin nicht.

Schon ab Ende des 18. Jahrhunderts hatte die Regierung in Madrid 1851 unter Königin Isabella II. mehrere Anläufe zur Trockenlegung unternommen. Sowohl französische als auch mallorquinische Ingenieure ließen erste Kanäle ausheben, scheiterten aber letztlich an der Mammutaufgabe. 1861 dann interessierte sich ein international renommierter Fachmann für Hydraulik, Frederick Bateman, für das Vorhaben. Der britische Ingenieur (1810-1889), der auch die Trinkwassersysteme von Neapel und Istanbul entwarf, übernahm die Trockenlegung zusammen mit einem Kompagnon, William Hope. Ihre New Majorca Land Company rekrutierte ab 1862 rund 1.500 Helfer und begann im April 1863 mit der Trockenlegung. Die Arbeiter hausten in einem nahe gelegenen Camp, einer Art Boomtown, in der die anfängliche Unzucht von Bateman mit harter Hand unterbunden wurde. Zugleich bildeten die britischen Fachleute eine kleine anglikanische Gemeinde, die von der katholischen Kirche miss­trauisch beäugt wurde.

Bis 1871 bauten die Arbeiter fast 50 Kilometer Wege, 138 Kilometer Kanäle, elf Brücken und einen 300 Meter langen Landungssteg zum Meer. Das größte Bauwerk war der „Große Kanal" mit einer Breite von 60 Metern und zweieinhalb Kilometern Länge. Probleme bereitete die Tatsache, dass die Albufera unterhalb des Meeresspiegels liegt. Immer wieder drang Salzwasser in das Kanalsystem ein. Dort, wo heute das Besucherzentrum steht, errichtete Bateman deshalb eine dampfgetriebene Mühle mit hydraulischem Rad, die Süßwasser aus der näheren Umgebung und der Serra de Tramuntana in das Sumpfgebiet pumpte. Bateman – übrigens der erste Ausländer, der sich in Palmas Terreno-Stadtviertel eine Villa bauen ließ – scheute keine Kosten. Insgesamt kostete die Trockenlegung 18 Millionen Peseten, den damaligen Gegenwert von 5,6 Tonnen Gold.

Ein gutes Geschäft aber wurde nicht daraus. Nach Beendigung der Arbeiten ging ein Teil des gewonnenen Landes an die New Majorca Land Company über, dessen Hauptaktionär Bateman war. Angebaut wurden Baumwolle und Getreide; auch mit einer Seidenraupen-Zucht wurde experimentiert. Doch sickerte immer wieder Salzwasser nach – das urbare Land schrumpfte bis auf nur noch 280 Hektar zusammen.

Bateman vermachte die Ländereien 1886 seinem Sohn Lee, der sie wenige Jahre später an den mallorquinischen Großgrundbesitzer

Joaquim Gual de Torrella verkaufte, einem Vorfahren des heutigen Handelskammervorsitzenden. Der versuchte – erfolglos – in großem Stil Reis anzubauen. Zwischen 1938 und 1966 gab es auch noch eine Papierfabrik in S´Albufera. Die Chemikalien verseuchten das Wasser. Und 1959 ging am Rande des Sumpfgebiets auch noch das Kohlekraftwerk Es Murterar in Betrieb.

Richtig einträglich sollte schließlich nur der Tourismus sein – zwischen Port d´Alcúdia und Can Picafort wurde eine Apartment- und Hotelburg nach der anderen hochgezogen, die Ränder von S´Albufera nach und nach verschachert und zubetoniert. Zum Glück waren von den ursprünglich etwa 2.500 Hektar Sumpfgebiet 1.700 in Staatseigentum geblieben. 1988 wurden sie zum Naturschutzgebiet erklärt und später auch zum Biosphärenreservat der Unesco gekürt. Seither wird das Sumpfgebiet wieder den Vögeln und Mücken überlassen. Und ihren Bewunderern.