Als Rabea E. am Dienstag (8.5.) auf der Ausländerbehörde in Palma ihren Pass sowie das ausgefüllte Formular EX-18 vorzeigt, um das grüne Ausländerzertifikat zu bekommen, schüttelt die Mitarbeiterin den Kopf. €Das reicht jetzt nicht mehr", sagt die Dame und überreicht der Mallorca-Deutschen eine Kopie mit einem Auszug aus dem staatlichen Mitteilungsblatt (BOE) vom 24. April. Rabea E. soll einen Nachweis der Sozialversicherung über ihre Berufstätigkeit in Spanien bringen. Nur dann werde ihr das EU-Bürgerzertifikat ausgestellt.

Seltsam: Über Änderungen der Anforderungen der Behörde war nicht einmal Angela Fleckenstein, Beraterin für Ausländer in der Gemeinde Llucmajor, informiert worden. Rabea E. hatte sich vor dem Ämtergang eigens bei ihr erkundigt. Susanne Dickmann, die sich bei der Gemeinde Calvià um Ausländerangelegenheiten kümmert, wurde ebenfalls erst am Dienstag von zwei britischen Bürgern auf die offensichtliche Verschärfung der Gewährung des dauerhaften Aufenthaltsrechts für EU-Ausländer aufmerksam gemacht. €Von einer Mutter, die ihre vier Kinder aus der Schule genommen hat, um die ­residencia zu verlängern, wurde ein Nachweis über den Schulbesuch der Kinder verlangt. Sie muss nun noch einmal den gleichen Ämtergang mit den Kindern machen. Ein Rentnerpaar wurde zunächst abgewiesen", berichtet sie. Dickmann will jetzt herausfinden, ob ein Rentennachweis aus dem Herkunftsland ausreicht oder ob dieser ins Spanische übersetzt sein muss.

Gesetzliche Grundlage für den Richtungswechsel der Ausländerbehörde ist das Königliche Dekret 16/2012 vom 20. April, das vier Tage später im BOE veröffentlicht wurde. Die Verordnung ändert das bisher geltende Königliche Dekret 240/2007 zur Einreise, freien Bewegung und Aufenthalt von EU-Bürgern in Spanien. Auf den ersten Blick verwunderlich wirkt, dass das neue Dekret vom Gesundheitsministerium verfasst wurde. Doch die Ausländer-Regelung ist Teil eines 35 Seiten langen Maßnahmen-Katalogs, mit dem die spanische Regierung das staatliche Gesundheitssystem vor Missbrauch schützen will. Ministerin Ana Mato will sichergehen, dass nur Ausländer in den Genuss der Leistungen kommen, die wirklich im Land leben und €wie wir arbeiten und ihre Steuern zahlen".

In Kurzfassung heißt das nun in einem Anschlag an der Eingangstür der Ausländerbehörde: Für die residencia müssen Antragsteller folgende Bedingungen erfüllen:

l Sich in einem angestellten oder selbstständigen Beschäftigungsverhältnis befinden, oder

l Selbst über ausreichende Mittel und eine private Krankenversicherung verfügen, oder

l Schüler bzw. Student oder

l Familienangehöriger eines EU-Bürgers sein, der die Voraussetzungen erfüllt.

In dem Dekret werden die Bedingungen noch genauer ausgeführt. Doch welche Dokumente die Antragsteller vorlegen müssen, wird auch hier nicht erklärt. Wie hoch müssen etwa die €ausreichenden Mittel" sein, wenn jemand zwar in Spanien leben will, aber nicht hier arbeitet? Im Dekret steht, dass keine Summe festgelegt werden könne. Und eine Liste mit den konkreten Anforderungen gibt es bislang noch nicht, weder vom Gesundheits- oder Innenministerium noch von der örtlichen Ausländer­behörde.

Gegen das europäische Freizügigkeitsgesetz scheint die neue Regelung nicht zu verstoßen. €Das ist eine striktere Anwendung schon bisher geltender Vorschriften. Die spanischen Behörden haben das Recht, das genau so zu handhaben", sagt die deutsche Konsulin Regina Lochner. Obwohl EU-Bürger in den Ländern der Union problemlos leben und arbeiten dürfen, müssen sie bestimmte Bedingungen erfüllen. €Man will verhindern, dass es eine Art Umzugsverkehr gibt, dahin wo man vom Staat am besten versorgt wird", erklärt Lochner.

Angela Fleckenstein erinnert die Einführung der Auflagen an die Beantragung ihrer ersten eigenen residencia 1999 in Burgos. €Ich musste damals mein deutsches Sparbuch vorzeigen und eine Krankenversicherung." Auch in Deutschland ist es für EU-Bürger, die länger als drei Monate bleiben wollen, nicht mit der Vorlage des Ausweises getan. Dort erteilen die Gemeinden die dazu notwendige Freizügigkeitsbescheinigung. €Welche Nachweise die jeweilige Ausländerbehörde anfordert, ist von Kommune zu Kommune unterschiedlich. Zum Beispiel kann es sein, dass eine Bestätigung vom Arbeitgeber vorgelegt werden muss", sagt Gabriele Imhoff von der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland.

Auf Mallorca reichte Rabea E., die als Angestellte bei einer Firma im ParcBit arbeitet, schließlich eine Bescheinigung der Seguridad Social über ihre situación actual laboral für das Zertifikat. Unklar war allerdings zunächst, welche Stelle der Seguridad Social zuständig ist und welcher Zettel es genau sein soll. Die Ausländerbehörde schickte die Mallorca-Deutsche zum Büro der Sozialversicherung an der Rambla im Stadtzentrum. Dort klärten die Mitarbeiter Rabea E. auf, dass der Nachweis bei den Kollegen in der Carrer Pérez Galdós, 36 zu bekommen sei. Mit dem Papier der Stelle, auf dem lediglich das Datum ihres Arbeitsantritts vermerkt ist, sprach sie dann am Mittwoch wieder bei extranjería im Polígono de Levante vor und bekam schließlich das grüne Kärtchen € nach mehreren Stunden Ämtergängen und Unsicherheit an zwei Vormittagen. €Mich schockt nichts mehr. Man ist das ja gewöhnt hier, dass man keine richtigen Angaben dazu bekommt, welche Dokumente man vorlegen muss", sagt Rabea E. Sie hatte vorher auch versucht, telefonische Auskunft bei der Ausländerbehörde zu bekommen. €Da wurde aber immer aufgelegt."

Offenbar weiß in Spanien noch niemand genau, wie die neue Verordnung konkret in der Praxis umgesetzt wird. Das Innenministerium, auf dessen Internetseite die Bestimmungen nachzulesen sind, verweist bei der Nachfrage der MZ auf das Arbeitsministerium. Dort erklärt eine Sprecherin, dass das Gesundheitsministerium zuständig sei und man die Anfrage weiterleite. Später teilt sie mit, dass es aktuell keine weiteren Informationen dazu gebe. Um Aufklärung bemüht sich derzeit auch die stellvertretende Leiterin des balearischen Europa-Instituts,

Kate Mentink. Ihr stellte extranjería eine Antwort binnen fünf Werktagen in Aussicht.

Live-Chat mit Konsulin Regina Lochner

Wie ist das mit der ´residencia´? Wann bekomme ich auch in Palma einen neuen Personalausweis? Was ist bei Diebstahl zu tun? Wie steht es um die Beziehungen zwischen Deutschen, Mallorquinern und ihren Behörden? Zu diesen und vielen weiteren Fragen wird Konsulin Regina Lochner im ersten MZ-Live-Chat Rede und Antwort stehen. Sie können sie am Donnerstag (17.5.) von 16 bis 17 Uhr hier auf der MZ-Website befragen. Werden Sie schon jetzt Ihre Fragen los € hier können Sie sie einstellen.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 10. Mai (Nummer 627) lesen Sie außerdem:

- Aus für das Armenspital

- Von Vetternwirtschaft und Nebeneinnahmen

- Der neue Feind der Mönchsgeier

- Kriminalitätsrate: mehr Diebstähle, mehr Einbrüche

- Tödliche Stürze in Magaluf

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