Nach Bekanntwerden von Betrugsfällen, bei denen EU-Ausländer widerrechtlich deutsches Kindergeld bezogen hatten, ist die Kindergeld-Debatte auch auf Mallorca angekommen. Dabei würden viele deutsche Insel-Residenten das Thema lieber totschweigen. Aus schlechtem Gewissen. Denn die Zahl der auf Mallorca lebenden und arbeitenden Familien, die in der deutschen Heimat einen Scheinwohnsitz behalten, um die rund 200 Euro pro Kind zu kassieren, könnte größer sein als die vereinzelten in der heimischen Presse diskutierten Betrugsfälle - diese Annahme legen zumindest die der MZ bekannten Fälle nahe.

Die Rechtslage ist klar: Anspruch auf deutsches Kindergeld hat nur, wer auch in Deutschland Steuern zahlt. Die Bundesagentur für Arbeit formuliert das gegenüber der MZ so: „Wenn Sie die deutsche Staatsangehörigkeit haben und im Ausland wohnen, können Sie Kindergeld erhalten, wenn Sie in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sind oder entsprechend behandelt werden." Dabei ist egal, wo die Kinder leben.

In der Praxis heißt das: Ein Mallorquiner, der in Berlin einen Job findet, bekommt deutsches Kindergeld, selbst wenn seine Kinder in Palma zur Schule gehen. Eine auf Mallorca lebende und arbeitende deutsche Familie verliert das Recht auf deutsches Kindergeld. Da Spanien keine vergleichbare Leistung zahlt - nur Geringverdiener haben Recht auf etwa 25 Euro pro Kind - ist das gerade für Familien mit mehreren Kindern ein herber Verlust.

Ein Verlust, den nicht alle hinnehmen wollen. Mehrere deutsche Residenten berichten gegenüber der MZ von Eltern, die einen Wohnsitz in Deutschland behalten und Kindergeld beziehen - seit Jahren und mit schlechtem Gewissen. In einem Fall sind es drei Kinder, deren Eltern seit über zehn Jahren auf der Insel sind und - wie viele Mallorca-Residenten - nur zum Verwandtenbesuch in die Heimat fahren. In anderen Fällen sind es ein oder zwei Kinder.

Es gibt sogar unterschiedliche Strategien des Betrugs: Ein Paar meldete die Kinder zunächst in einer deutschen Schule an - und schickte sie sogar ein paar Tage in den Unterricht -, um den Lehrern später mitzuteilen, dass man sich in Spanien aufhalte. Andere versuchen hingegen, den Kontakt mit den ­Behörden zu vermeiden. „Wenn dein Kind nicht in Deutschland gemeldet ist, fragt auch keiner wegen der Schulpflicht nach", rät ein Vater.

Wieder andere verzichten bewusst auf den Betrug. „Als Alleinerziehende, die früher in Deutschland Steuern gezahlt hat, empfinde ich es als ungerecht, dass ich jetzt gar nichts bekomme", klagt eine Mutter. Obwohl sie die Unterstützung gut gebrauchen könne, wolle sie das Risiko einer hohen Strafe oder plötzlich fälligen Rückzahlung nicht eingehen.

Im deutschen Konsulat in Palma ist der Kindergeldbetrug vorerst kein Thema: „Dem deutschen Konsulat sind keine Fälle eines rechtswidrigen Bezugs von Kindergeld auf Mallorca bekannt", erklärt Konsulin Sabine Lammers auf Anfrage der MZ.