Es sind zwei kurze Sätze, die ausländische Residenten auf den Inseln seit Monaten zur Verzweiflung bringen: „Derzeit sind keine Termine vorhanden. In Kürze werden neue Termine zur Verfügung gestellt." Sie erscheinen auf einer staatlichen Website, auf der man sich - zumindest theoretisch - online einen Termin bei der Ausländerbehörde geben lassen kann, zum Beispiel für die Beantragung und Erneuerung der spanischen Ausländeridentitätsnummer NIE.

In der Praxis hingegen ist es „schlicht unmöglich", wie Fernando Cabaço entrüstet erklärt. Der Vorsitzende der Vereinigung der Portugiesen auf Mallorca berichtet von einem Freund, der zwei Monate lang versuchte, einen Termin zu bekommen, bis es dann endlich klappte. Wohl gemerkt nicht für die erstmalige Ausstellung des für viele Lebensbereiche in Spanien wichtigen Dokuments, sondern schlicht für die Erneuerung: „Er brauchte eine neue NIE, weil wir ja dieses Papierkärtchen nicht einschweißen dürfen, und es mit der Zeit einfach unleserlich wird", so Cabaço.

Dabei sei es für EU-Ausländer zwar lästig, sich mit einem unleserlichen Dokument herumzuschlagen, für Nicht-EU-Ausländer aber geradezu „dramatisch", wie Cabaço betont: „Die haben ja überhaupt keine Rechte, wenn sie keine gültigen Papiere vorweisen können!" Der 71-jährige Portugiese erklärt sich solidarisch „mit Immigranten aus der ganzen Welt" und ist deshalb als bisher einziger Vertreter eines EU-Mitgliedlandes in einem Zusammenschluss von Ausländerkollektiven tätig, das auf das Thema Terminvergabe aufmerksam macht.

Auch Norbey Andrade gehört zu der plataforma, die mittlerweile aus acht Ländervertretern besteht. Der in Kolumbien geborene 60-Jährige weiß von noch eklatanteren Fällen zu berichten. Sechs bis sieben Monate lang hätten Landsleute von ihm mit abgelaufenen Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen leben müssen, so Andrade. „Ohne gültige Papiere hast du überall Probleme, weil dir keiner glaubt." Das fange mit der Bank an und ziehe sich durch alle anderen Lebensbereiche, sagt er. Zudem droht zumindest eine Geldstrafe, wenn man mit abgelaufenen Papieren erwischt wird.

Anrufe auch im deutschen Konsulat

Auch bei der erstmaligen Beantragung der NIE-Nummer hapert es bei der Terminvergabe, wie ein jeder Neuankömmling auf Mallorca bestätigen kann. Beim Selbstversuch scheitert auch die MZ. Einen ganzen Tag lang versuchen wir zu verschiedenen Uhrzeiten, einen entsprechenden Termin zu erhalten: vergeblich. Das Problem ist auch der deutschen Konsulin Karin Köller bekannt. „Wir erhalten auch im Konsulat diesbezüglich Anrufe", sagt sie. Sie habe das Thema in dieser Woche bei Treffen mit Verantwortlichen der Ausländerbehörde und der Nationalpolizei angesprochen - und die gleiche Antwort erhalten wie auch Andrade und seine Mitstreiter: Die entsprechenden Stellen sind hoffnungslos unterbesetzt. Und zwar nicht nur auf den Balearen, sondern in ganz Spanien. Seit 2011 könne man wegen des gesetzlich verfügten Einstellungsstopps kein zusätzliches Personal anheuern, nicht einmal die Stellen neu besetzen, die wegen Krankschreibung oder Ähnlichem unbesetzt seien.

Norbey Andrade erkennt an, dass weniger Mitarbeiter im vergangenen Jahr trotzdem mehr Fälle bearbeitet haben, wie ihm erklärt worden ist. Sein Unverständnis ist trotzdem groß. „Wenn in Navarra oder Extremadura zu wenig Personal in den Ausländerbehörden vorhanden sind, dann ist das nicht so schlimm. Aber auf den Balearen? Hier leben Menschen aus 150 verschiedenen Ländern." Mit mehr Personal sei das Problem schnell zu bewältigen, immerhin sei es ja nur eine Formalie. „Wir verlangen nichts Unmögliches, es geht hier schließlich um Menschen, die das Land voranbringen."

Bei der Vertretung der Zentralregierung sei man sich des Problems sehr wohl bewusst, so ein Sprecher gegenüber der MZ. Allerdings sei das Thema komplex. Zum einen würden rund 25 Prozent der im Netz vergebenen Termine nicht wahrgenommen und auch nicht vorher abgesagt. Zum anderen fehle es eben schlicht an Personal. Bei der Policía Nacional würden pro Tag 1.000 bis 1.500 Personen bedient, „das ist eine sehr hohe Zahl."

Aktionsplan: Das soll sich verbessern

Da aber der Druck auf die Behörde offenbar weiter zugenommen hat, wurde am Montag (21.10.) ein Aktionsplan beschlossen. Er sieht vor, das Personal aufzustocken. Zudem soll die Zahl der Termine, die eine Person beantragt, limitiert werden, und zwar durch die Kontrolle der IP des Computers, der E-Mail oder der angegebenen Telefonnummer. Auch sei eine neue Internetplattform namens Mercurio in der Testphase, dank derer zahlreiche Vorgänge direkt online erledigt werden könnten. Wann genau die wirklich umfassend funktioniere, könne man aber auch nicht sagen. Bislang ermögliche Mercurio etwa die Verlängerung von befristeten Aufenthaltsgenehmigungen.

Für Andrade und Cabaço gibt es neben fehlenden Beamten aber ein zusätzliches Problem: Beide versichern übereinstimmend, dass Anwaltsbüros und Agenturen (gestorías) eigenes Personal abgestellt hätten, das nichts anderes täte als den ganzen Tag vor der Web-site zu sitzen und sich die wenigen verfügbaren Termine sofort zu sichern, um den Behördengang dann gegen Gebühr zu übernehmen. „Die legen das System lahm", urteilt Cabaço. Der Behördensprecher verneint das, es gebe ein eigens auf den Balearen erdachtes und mittlerweile schon in andere Regionen exportiertes Protokoll, demzufolge Kanzleien und gestorías ein Kontingent an Terminen zur Verfügung gestellt bekämen, für die eine cita previa gar nicht notwendig sei. Angesichts des Personalmangels bei der anschließenden Bearbeitung dürften die Ausländervertreter aber zumindest teilweise recht haben.

Umweg über den Schwarzmarkt

Neben den Unannehmlichkeiten, die den Inhabern abgelaufener Papiere entstehen, treibt die Problematik mittlerweile schon illegale Blüten: Norbey Andrade weiß von einem entstehenden Schwarzmarkt zu berichten, bei dem die raren und begehrten Termine unter der Hand verkauft würden. Bis zu 300 Euro würden fällig, habe man ihm erzählt. Und wenn die Leute wirklich Probleme hätten, dann würden sie das eben auch bezahlen. „Ich möchte aber an alle appellieren, diesen Schwarzmarkt nicht noch zu fördern, sondern eine Anzeige zu erstatten, wenn ihnen so etwas angeboten wird", so Andrade.

Er und seine Mitstreiter wollen weiterhin dafür kämpfen, dass Ausländer ganz legal und in einem vertretbaren Zeitraum an ihre Termine kommen. Neben Portugal, Kolumbien, Brasilien und Marokko haben sich mittlerweile auch Vertreter von Venezuela, Uruguay, Chile und der Dominikanischen Republik der Plattform angeschlossen. Weitere Länder hätten Interesse gezeigt. „Wir wollen den Behörden gegenüber stark auftreten, um dieses Problem zu lösen", sagt er. Der deutschen Konsulin zufolge stehe das Problem ganz oben auf der Prioritätenliste der spanischen Behörden, auch sie verweist auf die Ausschreibung neuer Stellen. Doch die Problematik dürfte sich in absehbarer Zukunft angesichts des bevorstehenden Brexits und der daraus entstehenden Zusatzbelastung der Behörden wohl erst einmal verschärfen.

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