Viele Mallorca-Residenten, ob sie nun ständig in Spanien leben oder nur einige Monate im Jahr - haben Kinder, die sich in Deutschland oder in Spanien noch in der Schul- oder Berufsausbildung befinden. Da stellt sich sogleich die Frage, ob man hierzulande deutsches oder spanisches Kindergeld beziehen kann. Das spanische Kindergeld ist in den meisten Fällen kaum der Rede wert. Manche Eltern denken nicht daran, dass auch bei einem Wohnsitz in Spanien deutsches Kindergeld in vielen Fällen gezahlt wird, und verzichten so auf wertvolle Ansprüche. Andere beziehen einfach deutsches Kindergeld weiter, wissen aber nicht so recht, ob sie wirklich einen Anspruch darauf haben. Über 36.000 Deutsche, die im Ausland leben, erhalten deutsches Kindergeld. Hier kann ich manchen Beziehern das Gewissen ­erleichtern und anderen vielleicht einen ­guten Grund geben, doch einmal zu prüfen, ob sie nicht künftig ihre Ansprüche geltend machen sollten.

Die Residenten kennen das: Grenzüberschreitende Leistungen sind im Detail meist recht verwirrend geregelt. Die Vorschriften zum Kindergeld finden sich teils im Steuerrecht (§§ 1, 49, 62), teils im Bundeskindergeldgesetz (§ 1 mit Verweis auf das Sozialgesetzbuch) und teils in den europäischen Verordnungen 883/2004 und 987/2009. Dreh- und Angelpunkt ist das Steuerrecht, denn daran knüpft der Kindergeldanspruch zunächst einmal an. Beginnen wir mit einem praktischen Beispiel.

Fallbeispiel 1: Das Ehepaar Schmitz aus Köln hat sein Feriendomizil bei Andratx nach der Pensionierung zum Hauptwohnsitz gemacht. Die 23-jährige Tochter studiert in München im zehnten Semester Jura. Erhalten sie deutsches Kindergeld für ihre Tochter?

Antwort: Ja!

Das deutsche Kindergeld ist eine Sozialleistung, die unabhängig vom Einkommen gezahlt wird. Es beträgt monatlich für das erste und zweite Kind jeweils 204 Euro, für das dritte Kind 210 Euro, für jedes weitere Kind 235 Euro.

Es wird grundsätzlich bis zum 18. Lebensjahr, bei einer Ausbildung aber noch bis zum 25. Lebensjahr gezahlt.

Das Ehepaar Schmitz hat seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt, also seinen ­Lebensmittelpunkt (183-Tage-Regel) in Spanien und hat sich dort auch angemeldet und ausländerpolizeilich registriert. Dann sind sie in Deutschland (nur) beschränkt ­steuerpflichtig (§ 1 Abs. 4 EStG). Beschränkt steuerpflichtige Personen haben immer dann einen Anspruch auf deutsches Kindergeld, wenn sie bestimmte deutsche Einkünfte ­haben. Bedingungen für Antragsteller sind, dass sie eine ­gesetzliche oder private oder ­betriebliche Rente oder andere entsprechende ­Versorgungsleistungen aus Deutschland ­be­ziehen. Oder sie müssen dem deutschen ­Sozial­versicherungsrecht unterliegen, etwa als entsandter Arbeitnehmer für ein deutsches Unternehmen. Noch eine Möglichkeit bietet sich, wenn man im Staatsdienst nach Spanien abgeordnet worden ist.

Eine dieser Voraussetzung wird bei deutschen Residenten in aller Regel gegeben sein. Ferner muss das Kind grundsätzlich seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland oder in der Europäischen Union (EU) oder dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) haben. Auch diese Voraussetzung liegt bei dem Ehepaar Schmitz vor. Damit haben sie Anspruch auf das deutsche Kindergeld. Achtung: Das Kindergeld wird in diesen Fällen nicht vom Finanzamt, wie bei deutschen Arbeitnehmern, sondern von der Familienkasse gezahlt. Das ist für Spanien die:

Bundesagentur für ArbeitFamilienkasse Bayern Nord90429 Nürnbergfamilienkasse-bayern-nord@arbeitsagentur.de

Es gilt zu beachten, dass das Kindergeld beantragt werden muss. Es wird höchstens für sechs Monate rückwirkend gezahlt!

1. Abwandlung des Falles: Was ist, wenn das Kind in Spanien studiert? Was, wenn es ein Auslandsjahr außerhalb Europas, etwa in den USA, einlegt?

Antwort: Wo innerhalb der EU das Kind zur Schule geht oder seine Ausbildung macht, spielt keine Rolle. Nur außerhalb dieser ­Staaten kommt es darauf an, ob das Kind seine enge Beziehung zum Wohnort der Eltern, etwa durch Besuche während der Semesterferien, aufrechterhält. Dann gibt es nach dem Urteil des Bundesfinanzhofes (Urteil vom 23.06.2015 - III R 38/14) gleichwohl weiterhin deutsches Kindergeld.

2. Abwandlung des Falles: Wie wäre es, wenn die Eheleute Schmitz ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, sie in Spanien nur „Langzeittouristen" sind - gibt es dann deutsches Kindergeld?

Antwort: Ja!

Das wird vielleicht der häufigere Fall sein. Als Langzeittourist kann man durchaus in Spanien angemeldet und registriert sein, wenn nur der Lebensmittelpunkt in Deutschland liegt (183-Tage-Regel). Dann sind die Eheleute in Deutschland weiter unbeschränkt steuerpflichtig. Auch dann erhalten sie das deutsche Kindergeld, aber nicht von der Familienkasse, sondern vom Finanzamt. Dennoch wird der Antrag an die oben genannte Familienkasse gestellt. Sie sehen dabei auch: Das Kindergeld muss meist kein Grund sein, sich nicht in ­Spanien ordnungsgemäß zu melden.

3. Abwandlung des Falles: Gibt es Besonderheiten für (ehemalige) Beamte?

Antwort: Für Beamte und Beschäftigte des ­öffentlichen Dienstes ist die Familienkasse nicht zuständig; hier zahlt der (ehemalige) Dienstherr selbst das Kindergeld mit den Bezügen aus. Die Voraussetzungen sind aber die gleichen.

Berufstätigkeit in Spanien

Kommen wir nun zu den Fällen, in denen deutsche Residenten in Spanien als Selbstständige oder als Arbeitnehmer beschäftigt sind.

Fallbeispiel 2: Das Ehepaar Müller lebt auf Mallorca und arbeitet in einem Hotel­betrieb in Palma. Ihre Tochter geht aber in Deutschland zur Schule. Gibt es deutsches Kindergeld?

Antwort: Nein!

Ausgangspunkt ist auch hier die Frage nach der Steuerpflicht. Hier sind die Eheleute nicht in Deutschland, sondern in Spanien steuerpflichtig. Damit haben sie keinen deutschen, sondern nur einen spanischen Kindergeld­anspruch. Wo das Kind zur Schule geht, ob in Deutschland oder in Spanien, hat keinerlei ­Bedeutung. Deshalb macht es entgegen verbreiteter Auffassung unter Residenten in ­diesen Fällen auch keinen Sinn, einen Schul­besuch oder ein Studium in Deutschland zu fingieren (einmal abgesehen davon, dass es sich um strafbaren Sozialleistungsbetrug gemäß § 263 StGB handeln würde).

Wie sieht es mit dem spanischen Kindergeld aus? Hat das Ehepaar Müller einen Anspruch darauf? Es gibt zwar geringe Ansprüche, die hängen aber von der Bedürftigkeit der ­Eltern ab. Die Einkommensgrenze liegt bei 11.954 Euro jährlich; dann gibt es ein Kindergeld von 291 Euro, und zwar im Jahr, also 24,25 Euro monatlich. Ist das Kind behindert, steigen die Leistungen deutlich auf 1.000 Euro jährlich bei einer Behinderung von 33 Prozent, 4.704 Euro jährlich bei einer Behinderung volljähriger Kinder von 65 Prozent und 7.056 Euro jährlich bei volljährigen Kindern mit 75 Prozent Behinderungsgrad. Informationen dazu gibt es vom:

Nationalen Institut für soziale Sicherheit (INSS)C/. Padre Damián, 428036 Madridwww.seg-social.es

1. Abwandlung des Falles: Die Eheleute ­Müller haben entschieden, dass die Mutter wegen des Kindes in Deutschland bleibt und der in Spanien arbeitende Ehemann nur besuchsweise nach Deutschland kommt. Gibt es einen Kindergeldanspruch?

Antwort: Ja!

Grundsätzlich wird das Kindergeld im Staat der Erwerbstätigkeit gezahlt, also in diesem Fall in Spanien. Wer nicht erwerbstätig ist, hat den Anspruch in dem Staat, in dem er lebt und seinen Lebensmittelpunkt hat (im Zweifel: 183-Tage-Regel). Die Mutter hat also einen Anspruch auf deutsches Kindergeld, ganz gleich, ob sie in Deutschland arbeitet oder nicht. Da der Ehemann zugleich einen spanischen Kindergeldanspruch hat, würde etwaiges spanisches Kindergeld nach den europäischen Rechtsvorschriften angerechnet.

Achtung: Dieses Schlupfloch nutzen manche Residenten, die in Spanien leben und ­arbeiten und deshalb keinen Anspruch auf deutsches Kindergeld haben. Sie besorgen sich eine Scheinwohnung in Deutschland und erhalten dann zu Unrecht deutsches Kindergeld. Das kann böse Konsequenzen haben, denn der unberechtigte Bezug von Sozialleistungen ist gemäß § 263 StGB strafbar und kann mit bis zu fünf Jahren Haft oder mit Geldstrafe geahndet werden. Gerade in grenzüberschreitenden Fällen gibt es beim Kindergeld strenge Kontrollen!

2. Abwandlung des Falles: Die Eheleute ­Müller arbeiten nur in den Monaten der Sommersaison im Hotelbetrieb und haben ihren Wohnsitz und Lebensmittelpunkt (183-Tage-Regel) weiterhin in Deutschland. Erhalten sie deutsches Kindergeld?

Antwort: Ja!

Denn dann bleiben sie in Deutschland in der Regel unbeschränkt steuerpflichtig und ­behalten den Anspruch auf deutsches Kindergeld. Allerdings würde während der Zeit der Tätigkeit in Spanien etwaiges spanisches ­Kindergeld, auf das ein Anspruch besteht, angerechnet.

Unbeschränkte Steuerpflicht

Fallbeispiel 3: Der Chirurg Dr. Schneider aus Köln hat sich mit 55 Jahren entschlossen, dauerhaft in seiner Villa in Alcúdia zu leben. Er arbeitet weiterhin an verschiedenen Kliniken in Deutschland und nimmt gelegentlich auch Operationen in spanischen Kliniken vor. Sein 23-jähriger Sohn studiert Medizin in Ungarn. Hat er Anspruch auf deutsches Kindergeld?

Antwort: unter Umständen Ja!

Dr. Schneider hat seinen Lebensmittelpunkt in Spanien. Er ist daher in Deutschland nur ­beschränkt steuerpflichtig. Er bezieht noch keine Rente oder ärztliche Versorgungsleistungen, die einen Anspruch auf Kindergeld gleichwohl eröffneten. Einen Anspruch auf Kindergeld haben aber auch Personen, die in Spanien ihren Lebensmittelpunkt haben, wenn sie in Deutschland als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden. Das setzt nach § 1 Absatz 3 des Einkommensteuergesetzes voraus, dass mindestens 90 Prozent der ­Einkünfte im Kalenderjahr der deutschen Einkommensteuer unterliegen. Die spanische Einkünfte dürfen den Grundfreibetrag von 9.168 Euro (2019) jährlich nicht überschreiten. Für das Kindergeld muss ein Antrag beim zuständigen deutschen Finanzamt gestellt werden. Wenn Dr. Schneider also darauf achtet, dass er diese Grenzen bei seiner Arbeit ­einhält, hat er einen Anspruch auf das deutsche Kindergeld.

Auszug aus dem Standardwerk für Deutsche in Spanien: „Sorgenfrei leben unter Spaniens Sonne" von Dr. Rainer Fuchs, das jetzt in ­erweiterter und aktualisierter 3. Auflage ­erschienen ist (ISBN 9783000629211).

Erhältlich über den Buchhandel und Amazon.de zum Preis von 24,90 Euro.Der Autor: Dr. jur. Rainer Fuchs war fünf Jahre lang Sozialattaché an der deutschen Botschaft in

Madrid. Er war zudem über lange Jahre zuständiger Ministerialrat im Bundesarbeitsministe­rium und im EU-Sozialausschuss in Brüssel im Bereich der internationalen und europäischen Sozialversicherung.

Kurz und knapp:

Es gibt in der Regel ­deutsches Kindergeld, wenn eine der folgenden ­Voraussetzungen ­gegeben ist:

— Es gibt eine unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland.

— Der Lebensmittelpunkt liegt in

Deutschland.

— Der Lebensmittelpunkt ist in Spanien, aber die Rente kommt aus Deutschland.

— Der Lebensmittelpunkt liegt in Spanien, aber 90 Prozent der ­Einkünfte werden in Deutschland erzielt.

Es gibt in der Regel kein deutsches Kindergeld, wenn eine der folgenden Voraussetzungen ­gegeben ist:

— In Deutschland herrscht nur eine beschränkte Steuerpflicht.

— Der Lebensmittelpunkt ist Spanien, wo auch die Arbeit ist.

— Der Lebensmittelpunkt liegt in Spanien, und keine Rente oder ähnliche Leistungen werden aus Deutschland bezogen.