Zwar haben alle EU-Staaten Schutzschirme zur Eindämmung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise aufgespannt, aber genau wie bei den unterschiedlichen Verordnungen hinsichtlich der Ausgangssperren handelt auch hier jeder Mitgliedstaat nach seinen eigenen nationalen ­Regeln und finanziellen Möglichkeiten. Die Unterschiede zwischen den Hilfen für Bürger und Unternehmen auf den Balearen und für Bürger und Unternehmen in Deutschland sind zum Teil beträchtlich.

Arbeitnehmer

Sowohl in Deutschland als auch in Spanien können Unternehmen schon bei einem ­Arbeitsausfall von zehn Prozent Kurzarbeit oder eine Freistellung über den soge­nannten ERTE (Expediente de Regulación ­Temporal del Empleo) beantragen. In Deutschland beträgt das Kurzarbeitergeld für ­Arbeitnehmer 60 Prozent des vormaligen pauschalisierten Nettogehalts, in Spanien sind es 70 Prozent der base reguladora (Bemessungsgrundlage, die auf der Gehaltsabrechnung erscheint). In beiden ­Ländern kann das Arbeitslosengeld höher ausfallen, wenn die Berufstätigen Kinder haben. Sowohl in Spanien als auch in Deutschland kümmert sich das Unternehmen um die ­Anträge, und die Beschäftigten haben keinen bürokratischen Aufwand.

So weit die Theorie. Aber wie sieht es gegenwärtig mit den entsprechenden Zahlungen aus? In Deutschland funktionieren sie relativ reibungslos - das Kurzarbeitergeld wird vom Unternehmen überwiesen, das sich das Geld vom Arbeitsamt holt. In Spanien überweist das Arbeitsamt direkt. „Wir kennen niemanden, der bis dato ERTE-Arbeitslosengeld erhalten hat", sagte vergangenen Freitag (17.4.) Toni Santoyo, Leiter der Arbeitsrechtabteilung der Gestoría Tomàs. Außerdem seien einige bereits vor einem Monat eingereichte ERTE-Anträge immer noch nicht vom Arbeitsministerium bearbeitet worden. Spanienweit sind die Arbeitsämter vollkommen überlastet. Mittlerweile ist davon auszugehen, dass betroffene Arbeitnehmer das ihnen zustehende Arbeitslosengeld der Monate März und April erst im Mai erhalten werden.

Selbständige

Während es bei den Arbeitnehmerhilfen in Deutschland und Spanien zumindest auf dem Papier noch recht ähnlich aussieht, könnte es bei den Maßnahmen für Selbstständige und Kleinunternehmer kaum ­unterschiedlicher zugehen - und so manch ein mallorquinischer autónomo wäre wohl dieser Tage lieber ein deutscher als ein ­spanischer Steuerzahler. Denn der Schutzschirm, den die Bundesrepublik für ­Selbstständige und Kleinunternehmer aufgespannt hat, lässt sich kaum mit den Staatshilfen, die die spanische Regierung für ­autónomos vorsieht, vergleichen. In einem Satz zusammengefasst: In Deutschland gibt es schnelle Hilfen, die nicht zurückgezahlt werden müssen - in Spanien werden Kredite vergeben, die umständlich beantragt werden müssen und zur Folge haben, dass der Kleinunternehmer sich verschuldet.

In Deutschland können kleine Betriebe mit maximal fünf Beschäftigten eine Soforthilfe von bis zu 9.000 Euro, und Betriebe mit maximal zehn Beschäftigten einen Zuschuss von bis zu 15.000 Euro für den Zeitraum von drei Monaten beantragen. Hierfür müssen die deutschen Klein­unternehmer weder viel bürokra­tischen Aufwand betreiben noch wochenlang auf einen Bescheid der Behörde ­warten. Und, das ist das Allerwichtigste, sie ­müssen den Zuschuss nicht zurückzahlen.

Wer auf Mallorca Selbstständiger ist, kann davon nur träumen. Zwar hat die spanische Regierung nach wochenlanger Kritik seitens zahlreicher Vereinigungen eine monatliche Hilfe von circa 660 Euro für die autónomos bewilligt, aber die Vorauszahlungen in die Sozialversicherung von 283 Euro (die es in dieser Form in Deutschland gar nicht gibt) müssen die Selbst­ständigen für die Monate März und April trotzdem weiterzahlen - auch wenn sie in diesem Zeitraum keinen einzigen Cent Einnahmen verbucht haben. Erst im Mai kann eine rückwirkende Stundung der getätigten Monatszahlungen beantragt werden.

Lorenzo Amor, Vorsitzender der Vereinigung selbstständiger Arbeiter (ATA), sieht auch noch ein ganz anderes Problem für die spanischen Selbstständigen und Kleinunternehmer. „70 Prozent der autónomos werden weder von der Hilfezahlung noch von der Stundung der Monatsquoten profitieren - weil sie nicht nachweisen können, dass ihre Einnahmen im Monat März um mehr als 75 Prozent zurückgegangen sind", sagt er. In Deutschland wird von Kleinunternehmern ein derart aufwendiger Nachweis gar nicht erst eingefordert.

Unternehmen allgemein

In Deutschland können Unternehmen bei ihren Banken oder Finanzierungspartnern Kredite der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) beantragen. Das spanische Pendant dazu ist das ICO (Instituto de Crédito Oficial). Auf den Balearen können Unternehmen des Tourismussektors und Betriebe, die mit diesem in Verbindung stehen, dort Kredite zu speziellen Konditionen beantragen. Des Weiteren sieht sowohl der deutsche als auch der spanische Gesetzgeber vor, dass Unternehmen bei den entsprechenden Finanzämtern Stundungsanträge auf fällig werdende Steuern stellen können. In Spanien kann ein Unternehmen diese Steuerstundung bis zum 30. Mai dieses Jahres beantragen - in Deutschland gilt die Frist bis zum 31.12.2020.

Die Hilfspakete

Als größte Volkswirtschaft Europas kann Deutschland für seine 83 Millionen Einwohner auch einen wesentlich größeren Schutzschirm aufspannen als Spanien für seine 47 Millionen Einwohnern. Einen Anhaltspunkt für die Ausmaße der Rettungsaktionen in beiden Ländern bieten die ­großen Hilfspakete, die in einer frühen ­Phase der Krise verkündet wurden. Laut Zahlen des Bundesfinanzministeriums von Ende März stellt Berlin insgesamt 353,3 ­Milliarden Euro an Hilfsmaßnahmen zur Verfügung, plus noch einmal 820 Milliarden Euro als Kreditgarantien. Zusammen macht das etwa ein Drittel des Brutto­inlandproduktes aus. Eine Woche zuvor hatte Pedro Sánchez ein Hilfspaket von 200 Milliarden Euro verkündet, was einem Sechstel des spanischen Bruttoinlandproduktes entspricht. Die Hälfte davon bestand in Kreditgarantien. Beide Hilfspakete sind seither noch einmal erweitert worden.

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