Alejandro Izquierdo hat wahrlich eine Pechsträhne. „Ich hatte drei Einkommensquellen. Alle drei sind mir durch das Coronavirus weggebrochen." Das Auto ging kaputt, das Handy wurde zu teuer. „Als dann meine Frau noch ­ihren Job verloren hat, hat das uns den Knock-out verpasst", sagt der dreifache Familienvater. 316 Euro hat die Familie derzeit im Monat zur Verfügung. Dass das nicht einmal für die Miete reicht, ist klar. „Essen kaufen oder Rechnungen zahlen - das ist die monatliche Frage", sagt der 46-Jährige, der durch die Hilfe gemeinnütziger Organisationen überlebt.

Für die vielen Menschen, denen es derzeit ähnlich ergeht, hat die spanische Regierung am Freitag (29.5.) erstmals die Einführung einer nationalen Sozialhilfe in Form eines Mindesteinkommens beschlossen. Drei Milliarden Euro will der Staat jährlich bereitstellen, um etwa 2,3 Millionen Menschen zu unterstützen.

Alejandro Izquierdo ist als ausgebildeter Türsteher von Diskotheken Saisonarbeiter. In normalen Jahren läuft der Job gut. „Im Sommer arbeite ich im BCM in Magaluf und im Bierkönig. Ich spare mir etwas für den Winter an, wo ich zusätzlich Arbeitslosengeld beziehe." Als Schiedsrichter bei Boxkämpfen und Komparse bei Dreharbeiten hat er kleine ­Nebenjobs, die bisher ein regelmäßiges Einkommen darstellten. „Wegen meines Erscheinungsbildes bin ich immer der Bösewicht oder Drogendealer", sagt er. Der muskulöse Mann ist am ganzen Körper tätowiert.

1.500 Euro betrug das Einkommen der Familie noch im Monat vor dem Ausbruch der Krise. „Wir haben Glück mit der Miete. Für eine Drei-Zimmer-Wohnung in Son Cotoner zahlen wir 450 Euro. Ich rauche nicht, trinke keinen Alkohol. Das Geld war nicht viel, aber wir kamen über die Runden."

Da die Diskotheken weiter geschlossen sind, bleibt der 46-Jährige arbeitslos. Boxkämpfe oder Dreharbeiten gibt es derzeit nicht. Mit kleinen Gelegenheitsjobs versucht er, das Einkommen aufzubessern. „Doch es sieht schlecht aus." Das Sozialamt von Palmas Rathaus hat der Familie eine monatliche ­Unterstützung von 300 Euro zugesichert.

Alejandro Izquierdo hat Zwillinge im Alter von zwei Jahren. „Allein für Babybrei, Corn­flakes und Milch für die zwei Kinder geben wir im Monat 200 Euro aus." Die Kassenzettel muss die Familie zur Kontrolle an den Sozialarbeiter schicken. „Cola oder Schokolade zählen zu Luxusgütern und sind nicht erlaubt."

Als wegen eines Bearbeitungsfehlers die Überweisung des Rathauses im vergangenen Monat ausblieb, wurde die Situation kritisch. „Der Sozialarbeiter empfahl uns die Orga­nisation Tardor." Seitdem steht Alejandro ­Izquierdo wöchentlich in der Schlange der ­Lebensmittelausgabe. „Ich kenne den Leiter Toni Bauzà von früher. Ich habe mich geschämt, als er gesehen hat, dass ich mich bei der Armenspeise anstellen muss." Damit er nicht nur nimmt, hilft der 46-Jährige beim Einpacken der Lebensmittel aus. „Das hilft mir, um auf andere Gedanken zu kommen. Vielen Leuten geht es noch schlechter als mir. Meine Familie hat zumindest ein Dach über dem Kopf."

Bereits ab Juni beziehen

Sozialhilfe war den Spaniern bislang nicht ­gänzlich fremd. Jedoch gab es die Zahlungen ­bislang nur auf regionaler Ebene. Die Balearen-Regierung hatte 2016 die „Renta Social Garantizada" eingeführt, an der sich nun auch der staatliche „Ingreso Mínimo Vital" (IMV) ausrichtet. Ab dem 15. Juni kann das Mindestein­kommen per Post oder über die Internetseite des Sozialamtes (seg-social.es) beantragt werden, die Zahlung wird rückwirkend ab dem 1. Juni bewilligt. 850.000 Haushalte will die ­spanische Regierung dadurch erreichen. 30 Prozent der Bedürftigen sind minderjährig, 16 Prozent alleinerziehend. Die Sozialhilfe kann für ­einen Haushalt oder für Personen, die allein ­leben, beantragt werden. Die Höhe der monatlichen Zahlung beträgt je nach Personenanzahl zwischen 462 und 1.015 Euro.

Die Bedingungen

Die Antragsteller müssen zwischen 23 und 65 Jahren alt sein. Eine Ausnahme gibt es für Senioren oder Personen, die jünger als 23 Jahre sind, wenn sie Minderjährige betreuen. Wer die ­Hilfe nur für sich beantragt, muss nachweisen, dass er die vergangenen drei Jahre allein gelebt hat. Ein Zimmer bei den Eltern oder in einem ­Wohnheim wären ein Ausschlusskriterium. In diesem Zeitraum muss der Antragsteller zudem mindestens zwölf Monate lang sozialversicherungspflichtig gemeldet gewesen sein. Ausnahmen für diese Regeln gibt es für Opfer von Menschenhändlern, sexueller oder geschlechtsspezifischer Gewalt. Ausländer müssen sich mindestens ein Jahr lang legal in Spanien aufgehalten haben.

Zur Feststellung der finanziellen Bedürftigkeit gilt die Faustregel, dass das Haushaltseinkommen nicht höher als das beantragte ­Mindesteinkommen sein darf. Um das Haushaltseinkommen zu bestimmen, wird zunächst das Nettoeinkommen des vergangenen Jahres geprüft (ohne etwaige Stipendien, Wohngeld­zuschüsse oder andere Hilfen). Es können aber auch die Einkünfte des laufenden Jahres geltend gemacht werden.

Das Haushaltsvermögen - etwa in Immobilien oder Bankkonten - darf das Dreifache der auf das Jahr gerechneten Sozialhilfe nicht übersteigen, im Falles eines Alleinstehenden wären das 16.632 Euro. Der Hauptwohnsitz wird zu diesem Vermögen nicht hinzugerechnet.

Der Zentralstaat setzt voraus, dass zuerst die Hilfen der Sozialämter der Gemeinden ­genutzt werden. Der IMV ist auch mit den regionalen Sozialhilfen kombinierbar. Wie das genau funktionieren soll, wird noch geprüft, heißt es im balearischen Sozial­ministeriums.

Zur Jobsuche verpflichtet

Wer die Sozialhilfe bezieht, ist verpflichtet, sich - sofern möglich - arbeitssuchend zu ­melden und angebotene Jobs anzunehmen. Jegliche Änderungen müssen umgehend gemeldet werden. Verstöße werden in leicht, schwer und gra­vierend eingestuft und ziehen Sperren sowie ­Rückzahlungen der Leistungen mit sich.

Er selbst würde den Höchstsatz kassieren, sagt Alejandro Izquierdo. „Ich will aber schnellstmöglich wieder arbeiten. In Andratx habe ich eine Stelle als Wachmann bei einer Diskothek in Aussicht. Zur Not arbeite ich bei einem Lieferdienst. Sonst wäre meine Scham zu groß."