Wer auf Mallorca aus seiner Stromrechnung nicht schlau wird, ist in bester Gesellschaft: Laut einer ­Umfrage der spanischen Wettbewerbskommission CNMC versteht nur ein Viertel der spanischen Stromkunden den Unterschied zwischen dem regulierten Markt und dem freien Markt. Jetzt unternimmt die spanische Regierung in Sachen Transparenz einen neuen Anlauf: Ab Juni gelten neue Vorschriften für die Stromrechnung - sie soll kürzer und verständlicher werden. Vor allem aber wird die Tarifstruktur reformiert. Madrid will so Anreize schaffen, um Strom vor allem in den Spitzenverbrauchszeiten zu sparen und die Tarife für die Besitzer von Fotovoltaikanlagen und Elektroautos attraktiver machen.

Eigentlich sollte die neue Stromrechnung für Privathaushalte mit einer Leistung von bis zu 15 Kilowatt schon im April vergangenen Jahres in Kraft treten. Doch dann kam Corona dazwischen. Zu Jahresbeginn wurde die Reform dann ein weiteres Mal verschoben, auf den 1. Juni dieses Jahres. Jetzt basteln die ­Energiekonzerne an den neuen Tarifen. Zur Erinnerung: Spaniens Strommarkt ist zwar liberalisiert, aber nur wer eigenständig einen Tarif wählt, wechselt vom regulierten Markt - in der Stromrechnung zu erkennen am Tarif PVPC (Precio Voluntario al Pequeño Consumidor) - in den freien Markt. Der Konzern Endesa ist dabei sowohl Energieversorger mit reguliertem ­Tarif („Endesa Energía XXI") als auch Vertriebsfirma im freien Markt („Endesa Energía").

Während die neuen Vorgaben auf die Kunden im regulierten Markt direkt umgesetzt werden, müssen die Tarife im freien Markt jeweils angepasst werden. So werde es zwar weiterhin Flat-Tarife geben (tarifa plana), erklärt Joan Maians, Sprecher des Energiekonzerns Endesa, im Gespräch mit der MZ. Die nach Verbrauchszeiten gestaffelten Tarife dagegen werde man nach und nach modifizieren, um die von Energieministerium und CNMC festgelegten staatlichen Gebühren (peajes) auf den Markt umzulegen.

Ab Juni werden drei Tarifzeiten unterschieden. Período punta (P1) gilt wochentags zwischen 10 und 14 Uhr sowie 18 und 22 Uhr, in dieser Spitzenverbrauchszeit ist der Strom am teuersten. Período llano (P2) gilt wochentags von 8 bis 10 Uhr, von 14 bis 18 Uhr und von 22 bis 24 Uhr. In dieser Zeit mittleren Verbrauchs ist der Strom günstiger, aber lange nicht so günstig wie im Período valle (P3). Diese Tarifzeit gilt nachts von 0 bis 8 Uhr sowie rund um die Uhr an Wochenenden und Feiertagen. Die Unterschiede zwischen den Tarifzeiten sind erheblich: Der Stromverbrauch in P1 fällt fast doppelt so hoch aus wie in P2 - und fast dreimal so hoch wie in P3.

Wird es also günstiger oder teurer für den Verbraucher? „Wer Strom nicht flexibel nutzt, wird etwas mehr bezahlen müssen", sagt Alex Durán, Koordinator der Energiekooperative Som Energia. Richtig sparen dagegen kann, wer alle verbrauchsintensiven Elektrogeräte nachts oder am Wochenende laufen lässt - von der Waschmaschine bis hin zur Umwälz­pumpe des Pools. Und auch für das nächtliche Aufladen des Elektroautos ist die neue Tarifstruktur maßgeschneidert.

Separate Vertragsleistung

Weitere Neuerung: Für den Nacht- und Wochenendstrom (P3) kann eine separate Leistung (potencia contratada) gewählt werden, die zudem billiger ausfällt. Dahinter steckt dasselbe Kalkül: Wer energieintensive Geräte nachts laufen lässt und dafür eine höhere Leistung braucht, damit die Sicherungen nicht herausspringen, fährt günstiger. Umgekehrt kann die vergleichsweise teure Vertragsleistung für die Tarifzeiten P1 und P2 herabgesetzt werden, wenn in diesem Zeitraum keine energieintensiven Geräte in Betrieb sind. Da inzwischen praktisch flächendeckend sogenannte Smart Meter als Stromzähler zum Einsatz kommen, können die Änderungen von zentraler Stelle vorgenommen werden. Solange der Verbraucher aber nichts anderes beantragt, gilt erst mal die bisherige Vertragsleistung für den Tag- und den Nachtstrom gleichermaßen.

Som-Energia-Sprecher Durán begrüßt, dass mit der Reform der in Spanien im europa­weiten Vergleich hohe Anteil der Fixkosten von 40 Prozent am Endpreis nun endlich deutlich sinken dürfte - eine Änderung, die auch Bewohnern von nur saisonal bewohnten Häusern zugutekommt. Andererseits hätten all die Haushalte das Nachsehen, die wenig flexibel beim Stromverbrauch seien - nicht jeder hat eine programmierbare Waschmaschine, und die Essens- und TV-Gewohnheiten lassen sich schlecht zeitlich verschieben.

Immerhin gibt die neue Stromrechnung Hilfestellung dabei, sich intensiver mit dem eigenen Stromverbrauch auseinanderzusetzen. So führt diese künftig auch die maximale Stromleistung auf, die in jeder Tarifzeit in Anspruch genommen wurde, um so den contador contratado optimal an den Stromverbrauch anpassen zu können. Zudem wird auf der Rechnung ein QR-Code abgedruckt, mit dem jeder Verbraucher schnell zum Online-Vergleichsrechner der spanischen Wettbewerbsbehörde gelangt (comparador.cnmc.gob.es). Hier können die Tarife der verschiedenen Anbieter ­direkt miteinander verglichen werden.