Wer auf Mallorca arbeitet, der weiß: An der Behörde der spanischen Sozialversicherung "Seguridad Social" kommt man nicht vorbei. Ob bei Krankmeldungen, beim Jobbeginn oder bei Themen rund um Arbeitslosengelder und andere staatliche Hilfen - immer wieder muss man sich mit dem Amt auseinandersetzen. Das ist derzeit jedoch fast unmöglich. Wie MZ-Schwesterzeitung "Diario de Mallorca" berichtet, ist die Behörde in den vergangenen Wochen regelrecht "kollabiert".

Grund dafür ist die Umstellung auf ein digitalisierteres Terminsystem. Sprich: Der Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern soll künftig vor allem übers Internet stattfinden, Termine vor Ort an den verschiedenen Standorten auf Mallorca hingegen sollen reduziert werden. Was angesichts der Pandemie fortschrittlich klingt, hat aber einen Haken: In der Praxis funktionieren derzeit weder die Telefonleitungen noch die Online-Terminvergabe einwandfrei. Und Präsenztermine sind vor allem am Hauptsitz in Palma de Mallorca, nahe der Plaça dels Patins, derzeit fast gar nicht zu bekommen.

Telefonisch geht niemand dran

"Es ist ein Desaster. Telefonisch geht niemand dran, aber online kann man auch keinen Termin vereinbaren. Ich bin bereits vor mehreren Tagen gekommen, aber da waren die 30 Nummern, die man zum Vorsprechen vor Ort ziehen konnte, bereits vergeben", beschwert sich Eulalia Fernández, die in ihrer Verzweiflung bereits mehrmals persönlich bei der Seguridad Social vorstellig wurde - oder es zumindest vorhatte, dann aber gar nicht an die Reihe kam. "Ich war an Corona erkrankt und konnte nicht arbeiten. Ich bin darauf angewiesen, dass sie meine Krank- und Gesundschreibung ins System aufnehmen. Aber es ist ein Kreuzweg."

Um kurz vor 9 Uhr morgens am vergangenen Freitag (4.2.) hatte Fernández wie zahlreiche andere Menschen bereits in der Schlange gestanden, die sich bald um den ganzen Häuserblock zog. Ein Bild, an das sich Passanten in den vergangenen Wochen schon gewöhnt haben dürften. Nur die ersten 30 Leute kommen an die Reihe - diejenigen also, die am frühesten aufgestanden sind. Alle anderen haben das Nachsehen.

Seit 20 Tagen niemand zu sprechen

"Ich habe ein behindertes Kind, und vor 20 Tagen erreichte uns ein Schreiben, in dem stand, dass es ein Problem mit der Hilfszahlung gebe, die wir erhalten. Seit 20 Tagen versuchen wir, hier mit jemandem zu sprechen, der es uns erklären kann", sagt Lourdes Coello, eine andere Frau in der Schlange. "Hier sagen sie einem nur, dass ich versuchen könnte, nachts online einen Termin zu bekommen. Das ist eine Schande", findet Coello.

In den frühen Morgenstunden ist es wahrscheinlicher, zumindest telefonisch oder digital ein Zeitfenster zu vereinbaren, da die Termine online stets um Mitternacht freigegeben werden.

Kann mit dem Internet nicht umgehen

"Ich begleite meinen Vater, weil er die spanische Staatsbürgerschaft bekommen hat, und wir müssen seine Ausländerindentifikationsnummer gegen einen spanischen Ausweis umtauschen. Das ist eigentlich eine Kleinigkeit, aber seit zwei Wochen versuche ich zu verschiedensten Zeiten einen Sprechtermin zu vereinbaren, doch sowohl online als auch telefonisch hat man keine Chance", berichtet auch Ana Ruiz. Vielleicht hat sie heute Glück. Sie ist eine der 30, die wohl noch einen Beamten sprechen dürfen.

Das könnte Sie interessieren:

"Ich kann mit den Internet nicht umgehen", sagt derweil María Serrano. Sie steht in der Schlange an, weil ihre Tochte plötzlich keine Halbwaisenrente mehr bekommt, und gerne wüsste, warum. "Ich bin vor einigen Tagen gekommen, ganz früh, aber sie wollten mir keine Nummer geben, denn sie sagten, ich bräuchte ein Dokument und das könne ich besser übers Internet machen. Aber ich habe gar kein Internet. Und wenn, dann wüsste ich nicht, wie man es benutzt. Mal sehen, was sie mir heute sagen, denn ich weiß wirklich nicht mehr, was ich noch tun kann. Es ist nur eine kleine Hilfszahlung, aber ich brauche sie."

Auch Jeni Mateo klingt merklich verzweifelt. "Ich will meine kleine Tochter in der Seguridad Social anmelden, damit ich für sie in einem weiteren Schritt auch eine Gesundheitskarte ausstellen lassen kann. Aber ich versuche es schon seit Dezember. Erst dachte ich, es sei wegen der Feiertage so kompliziert, oder weil ich zu dumm bin, mit dem Internet richtig umzugehen. Aber es scheint so, als liege es gar nicht an mir", sagt die junge Mutter. /somo