Von Frank Feldmeier

Der Weg hat ein einziges Ziel: Santiago de Compostela. Aber wo beginnt er? Lluís Bordas könnte auf einer Karte unzählige Ausgangspunkte des Pilgerwegs zeigen. Sie wären in ganz Europa verteilt. ýDer Weg beginnt bei jedem zu Hause", sagt er stattdessen. Der Mallorquiner und seine Frau leben als Laien-Mitglieder in der Klostergemeinschaft der Heremitage von Sant Honorat in der Gemeinde Algaida. Sie sind erfahrene Jakobspilger, und wer zu ihnen auf den Berg Randa kommt, erhält spirituellen und praktischen Ratschlag.

Wer möchte, kann jetzt seinen Rucksack aber auch direkt im Kloster schultern und sich von dort aus auf den Weg gen Santiago machen. Die Geistlichen stellen seit kurzem den offiziellen Pilgerpass (Credencial del Peregrino) aus, der zur Übernachtung in den zahlreichen Herbergen auf dem Weg berechtigt. Dass die Pilger wegen der Insellage Mallorcas einen Teil der Strecke per Flugzeug zurücklegen müssen, ist mit der Pilgertradition problemlos vereinbar: Jakobspilger müssen ohnehin nur nachweisen, dass sie die letzten hundert Kilometer vor Santiago zu Fuß zurückgelegt haben. Eine weitere, beschwerlichere Alternative, die nur wenige ausprobieren: mit der Fähre nach Barcelona und von dort zu Fuß nach Burgos.

Auf dem Berg Randa erhalten die Pilger nicht nur ihren ersten Stempel in das Credencial, auch eine kleine Zeremonie sei möglich, sagt Maria Bischet. Die 49-jährige Deutsche arbeitet ehrenamtlich in Sant Honorat. Bis vor wenigen Jahren war sie bei Siemens in Deutschland als internationale Personalreferentin tätig, jetzt übersetzt sie in Sant Honorat Messen für den Orden der Missionare von den Heiligen Herzen Jesu und Maria, betreut Besuchergruppen, organisiert Seminare oder verkauft Rosenkränze.

Auch die erste offiziell ausgesandte Pilgerin ist eine Deutsche: Am 15. Mai gegen 8 Uhr machte sich Brigitte Weinhold auf den Weg. Der Start von Mallorcas heiligem Berg aus sei ein schönes Symbol gewesen, findet die Pfarrfrau der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde.

Die Marschroute führte von den Toren des Klosters in Serpentinen hinab nach Llucmajor und von dort aus nach Sant Joan am Flughafen. Der Flug Palma-Pamplona brachte Weinhold in die Nähe des Ausgangspunkts, wo die meisten Pilger starten, Saint-Jean-Pied-de-Port an der spanisch-französischen Grenze. Sie startete jedoch in Pamplona - 737 Kilometer vor Santiago. Weinholds erster Eindruck: ein ausgetrampelter Pfad. ýIch suchte einen Pilgerweg und fand ein Freizeit­unternehmen vor", so die 64-Jährige. Besonders in diesem Jahr seien zahlreiche Deutsche unterwegs, angeregt durch den Bestseller von Hape Kerkeling. Ein Pilger habe sogar das Hörbuch dabei gehabt, um die einzelnen Kapitel von ýIch bin dann mal weg" vor Ort nachzuerleben.

Trotz des Ansturms verteilen sich die Wanderer auf der Strecke bis nach Santiago. Nach wenigen Tagen habe sie den knapp zehn Kilo schweren Rucksack kaum mehr gespürt, sagt Weinhold. Blasen seien unvermeidlich, im Schnitt eine auf 30 Kilometern. ýIch habe die Zähne zusammengebissen, und nach einer halben Stunde ging es wieder", so die Deutsche. Dennoch sei sie mehrmals an ihre physischen Grenzen gekommen.

Auch wenn der Weg vielbeschritten sei, biete er jedem die Chance, mehr über sich selbst zu erfahren - wenn man sich darauf einlasse. Sie habe viele Erkenntnisse über sich selbst gewonnen, so Weinhold. ýDas muss man erst einmal verdauen. Es war gut, alleine zu sein." Um Erfahrungen reicher und sieben Kilo leichter kam sie am 15. Juni in Santiago an und ist stolz, den Weg bis zum Grabmal des heiligen Jakob geschafft zu haben.

Wer sich über den Jakobs-Pilgerweg ab Sant Honorat informieren will, kann sich an Maria Bischet wenden,

Tel.: 971-12 00 25.