„Krebskranker Junge von Wunderheilerin betrogen" – so lautete am Montag (12.7.) eine Schlagzeile in der „Bild-Zeitung". Einen Tag später brachte der TV-Sender RTL die gleiche Geschichte. Bei der sogenannten Wunderheilerin handelt es sich um Pia Thomas (50), die auf Mallorca lebt und praktiziert. Seit den Beiträgen erhält sie sogar Morddrohungen. Was ist geschehen?

Es geht um Lukas H., einen achtjährigen Jungen aus Nordrhein-Westfalen (Name und Anschrift sind der Redaktion bekannt). Im September 2009 fanden die Ärzte bei ihm einen unheilbaren Hirnstammtumor (Gliom). Seine Überlebenschancen sind gering, die Ärzte konnten den Eltern keine Hoffnung machen. Trotzdem schlugen sie Chemotherapie und Bestrahlungen vor. Um das Wachstum des Tumors zu stoppen. Und sein Leben zu verlängern. In diesem Zustand der Verzweiflung sah Lukas Großmutter Dagmar H. im September 2009 auf RTL einen Beitrag über Pia Thomas. Sie nahm Kontakt zu der Heilerin auf. Es begann eine halbjährige Behandlung. Mal aus der Ferne, mal während Pia Thomas´ Heiltagen in Köln. Die Kosten für die Behandlung betrugen insgesamt 15.000 Euro. Die Familie H. aber fühlte sich von Thomas betrogen. Sie habe versprochen, Lukas bis zum Sommer zu heilen. Da dies nicht geschehen sei, fordert die Familie ihr Geld zurück. Dazu Dagmar H.: „Es ist nicht eingetreten, was sie gesagt hat. Also ist es eine nichterbrachte Leistung." Daraufhin schaltete sie die Boulevardzeitung ein, die Thomas jetzt als Betrügerin bezeichnet.

Aus Sicht von Pia Thomas liegt der Fall anders: „Die Familie, das heißt die Großmutter, hat mich im letzten September angefleht, ihrem Enkel zu helfen." Eine Woche später sollten die Bestrahlungen bereits anfangen. Die Familie selbst sei sich jedoch selbst nicht einig gewesen, Großmutter und Schwiegertochter seien zerstritten gewesen. „Aber ich wollte dem Jungen helfen. Also sagte ich, dass ich sofort mit der Behandlung anfange, um ihn für die geplanten Bestrahlungen zu stärken," sagt Pia Thomas. Sie habe auch nie gesagt, das keine Chemotherapie durchgeführt werden solle. „Jeder Patient soll sich die Hilfe holen, die er braucht." Das Honorar von 5.000 Euro für die ersten Wochen sei kein Thema gewesen. Dazu Dagmar H.: „Ich habe gezahlt im Vertrauen darauf, dass sie himmlische Kräfte hat. Ich hätte mir Vorwürfe gemacht, wenn wir es nicht versucht hätten." Hat sie nicht versucht, über das Honorar zu verhandeln? „Doch, aber darauf ließ sich Frau Thomas nicht ein."

Tatsächlich ging es Lukas unmittelbar nach der ersten Behandlung etwas besser. Sein Kopf schwoll ab, womit er auch den für die Bestrahlungen gefertigten Helm passte. Und Familie H. zeigte sich dankbar für die Hilfe von Pia Thomas, wie E-mails belegen, die der Redaktion vorliegen: „ (...) Wir hätten das alles nicht für möglich gehalten. Sie einzuschalten, war die absolut richtige Entscheidung und die ganze Familie H. ist Ihnen sehr dankbar. Sie können auch gern diese Mitteilung veröffentlichen." Im November, nach der Chemotherapie, verschlechterte sich der Zustand von Lukas. Thomas: „Er selbst bat darum, mit der Chemotherapie aufzuhören. Aber der Vater war dagegen." Wieder sollte Pia Thomas helfen. Von Januar bis Februar, in der bestrahlungsfreien Zeit, behandelte sie Lukas intensiv. Im Februar dann das angebliche Wunder. Familie H. schrieb: „Von dem Tumor ist nur noch ein Schatten zu sehen, der nicht mal in Prozenten angegeben werden kann!!!!! (...) Hurra, wir haben es geschafft!"

Dazu sagt Dr. Ronald Sträter, Oberarzt an der Uni-Klinik Münster, bei dem Lukas in Behandlung ist: „Es stimmt, dass der Tumor zu diesem Zeitpunkt geschrumpft war. Ganz weg war er aber nicht. Mit kurzen Behandlungspausen bekommt Lukas bis heute Chemo­therapie." Sträter mag die Heilerin nicht von vorneherein verurteilen: „Grundsätzlich respektiere ich diesen Beruf. Es gibt viele Eltern, die in so einer Situation, wenn die Schulmedizin nicht mehr helfen kann, Hilfe bei Heilern sucht. Das einzige, was mich bei Frau Thomas erschrocken hat, war ihr enormes Honorar. Zumal, wenn es um Kinder geht." Pia Thomas sieht das anders: „Ich weiß, dass es günstigere Heiler gibt. Das habe ich auch der Familie gesagt. Aber dafür habe ich sehr gute Heilungserfolge. Wenn ich dafür einen Tumor wegbekomme, finde ich das nicht zuviel. Schließlich habe ich Lukas ein halbes Jahr behandelt." Mittellose Patienten behandle sie auch schon mal umsonst. Lukas Familie sei aber definitiv nicht mittellos. „Die Großmutter führt einen Restaurantbetrieb auf einem alten Familiengut, sie war es, die bezahlt hat."

Erst im April hörte Thomas wieder von der Familie. Dagmar H. schrieb, dass es Lukas nicht gutgehe. Der Tumor sei wieder gewachsen. Er habe die Chemotherapie nicht gut vertragen. Die Dosis sei viel zu hoch gewesen. Pia war geschockt: „Ich wusste gar nicht, dass er wieder Chemo bekommt. Ich sagte der Familie, dass Lukas gern zu den Heilungstagen kommen könne." Kurz darauf kam von Familie H. die Forderung, das Geld für die Behandlungskosten zurückzuerstatten. Sonst werde man die Presse einschalten. Pia Thomas weigerte sich. Und erhielt plötzlich Erpressungsbriefe: „Man werde mir mein schönes Leben zur Hölle machen, wenn ich das Geld nicht sofort zurückzahle." Dabei habe sie nie versprochen, Lukas bis zum Sommer zu heilen: „Das mache ich grundsätzlich nicht."

Wie erklärt sich Thomas den plötzlichen Hass der Eltern? „Hier geht es nur um Geld. Die Eltern des Kindes sind arbeitslos geworden, müssen jetzt auf noch von Dagmar H. unterstützt werden." Dazu Dagmar H.: „Das stimmt nicht. Mein Sohn ist KFZ-Mechaniker, meine Schwiegertochter Hausfrau. Mein Geld will ich zurück, weil ich mich betrogen fühle."

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