Dienstagabends trifft man sich bei Thomas Wegner zum Volleyball. Wichtiger als die sportliche Ertüchtigung sei allerdings das Glas Rotwein hinterher, eingenommen in einer der Bars von Cas Concos, erklärt der Hamburger Millionen-Aussteiger und Kunstsammler, der sein Anwesen am sogenannten Hamburger Hügel zum gemeinschaftlichen Pritschen und Baggern zur Verfügung stellt. „Wir trinken viel Wein hier in der Gegend, das finde ich schön", sagt der einstige Unterhaltungs­elektronik-Unternehmer. In deutschen Sportvereinen gehe man ja immer nur Biertrinken.

Wegner, der in den frühen 90ern sein erstes Haus bei Cas Concos kaufte, ist eine der Schlüsselfiguren in der Hügel-High-Society, deren Ursprünge auf - ja wen eigentlich - zurückgehen? Eine klare Antwort hat Immobilienmaklerin Lucie Hauri parat, die seit 30 Jahren im Käffer-­Dreieck Cas Concos, s´Alqueria Blanca und Es Carritxó aktiv ist. „Ich habe den Hamburger Hügel praktisch kreiert. Alle, die dort sind, waren meine Kunden." Wer genau sich als erster in der sanften, grünen Hügellandschaft, die Hauri zufolge durch ihre Schönheit und Ursprünglichkeit besticht, ein Insel-Domizil zulegte, ließe sich nur noch schwer rekonstruieren. Doch es seien allesamt Hamburger Industrielle, Reeder oder Großunternehmer gewesen. Dann fallen Namen wie Peek & Cloppenburg, Tom Tailor, Garten von Ehren.

Dass Baumschul-Gründer Lorenz von Ehren mit seiner Villa samt prachtvollem Garten den Grundstein für den Hamburger Run auf die Gegend gelegt habe, behauptet Autor Axel Thorer - der sich übrigens auch als Urheber des Begriffs Hamburger Hügel ins Spiel bringt („habe den nicht ich erfunden?"). Doch Lucie Hauri weiß es besser. „Der Ehren kam erst vor 15 Jahren oder so", stellt sie klar, blickt über diesen Irrtum aber gnädig hinweg.

Inzwischen hätten sich auch Münchner, Heidelberger oder Frankfurter in der Ecke angesiedelt. „Aber kaum Düsseldorfer", so Hauri. „Ich weiß auch nicht, woran das liegt." Am ländlichen, unaufgeregten Charakter von Cas Concos, würde Thomas Wegner sagen. „Hier fährt auch der reichste Mallorquiner mit einem klapprigen R4 rum." In dem ein paar Hundert Einwohner zählenden Dorf gehe es nicht um das Zurschaustellen des Vermögens oder um sehen und gesehen werden wie in Port d´Andratx - wo es seiner Ansicht nach aus genau diesen Gründen all die Düsseldorfer hinzieht. Cas Concos habe zwar mehr Stil als etwa das Nachbarkaff s´Horta und eine rege Restaurant- und Kneipenszene, aber es sei eben der Arsch der Welt - und das ist absolut liebevoll gemeint. „Als wir vor Jahren von der ´Gala´ in einem Ranking einen Promi-Faktor von 0 attestiert bekamen, freuten wir uns alle", erzählt Wegner.

Diskret, abgeschottet, zurückgezogen, so charakterisiert Axel Thorer, stellvertretender Chef­redakteur bei „Bunte", das Leben der gut Betuchten in der Gegend. „Da trifft man sich nicht jeden Samstag bei einem auf der Terrasse." Das typisch Hamburgerische sei, dass die Hamburger sich untereinander nicht kennen. Doch auch das scheint nicht ganz richtig zu sein. „Ich kennen wahrscheinlich so an die zehn Hamburger hier", sagt Thomas Wegner, der zwischen Mallorca und der Hansestadt pendelt. Bei 1,8 Millionen Einwohnern mag das wenig sein, doch für den Südosten der Insel vielleicht relativ viel.

Dass die Hügelbewohner allesamt Eigenbrötler seien und am liebsten in ihren Villen blieben, würde auch Astrid Nehte nicht unterschreiben. Die gebürtige Berlinerin lebt seit zwei Jahren mitten in Cas Concos und arbeitet für die Galeristin Yvonne Massmann, die mit ihrem „Empire Art" vor rund vier Jahren das älteste Haus des Ortes direkt neben der Kirche bezogen hat. „Das Schöne ist, dass das Dorf so lebendig ist und sich alles mischt", sagt Nehte. Es gibt rund ein Dutzend Lokale, Bäcker, Apotheke, Arzt, drei Schreiner und eine Autowerkstatt. Der Wirt der Bar „Oveja Negra" ist Deutscher, das „La Tasca" betreiben Katalanen, Maria vom perfekt sortierten Gemischtwarenladen ist Mallorquinerin, und das „Viena" führt seit dem Tod von Rainer Fichel 2010 der Italiener Franco Maiorano.

Das 1997 vom Hamburger Fotografen Fichel gegründete Lokal gilt als Treffpunkt der Hügel-Szene. Jetzt gerade hat es - wie auch der Frisör, die Vinothek und einige Bars - für ein paar Wochen geschlossen. „Das hätte es früher nicht gegeben, da war das Viena immer auf", sagt Thomas Wegner. Überhaupt sei in Cas Concos nicht mehr viel los, und die Aussage, dass der Ort mit seiner Kunstszene etwas ganz Außergewöhnliches sei, eine „nicht gerechtfertigte, journalistische Übertreibung".

Typischer Fall von hanseatischem Understatement oder Tat­sache? In der Gegend wohnen nach wie vor viele Kunstschaffende,

darunter so bekannte wie der Italiener Fabrizio Plessi, der österreichische Maler Peter Marquant oder der Madrilene Manuel Bragado - wenngleich der seine „Garaje del Arte" inzwischen wieder geschlossen hat. Auch die Galerie L´Espai von Ann-Kathrin Seif gibt es nicht mehr, seit die Hamburgerin 2003 der Liebe wegen nach Deutschland zurückgekehrt ist. Während seiner vierjährigen Existenz soll der Laden aber gebrummt haben, Erzählungen zufolge kamen die Besucher scharenweise selbst aus Palma. Legendär seien auch die Vernissagen von Joanna Kunstmann gewesen, heißt es. Sie war eine der ersten, die den Hügel-Bewohnern Kunst nahebrachte, verließ den Ort aber - wie auch ­Galeristin Ingrid Flohr - schon 1996 Richtung Santanyí. Bis sie sich vor ein paar Jahren ganz aus dem Geschäft zurückzog, verkaufte Kunstmann in Palmas Innenstadt teure Gemälde.

In Cas Concos indes gab es auch Neuzugänge, etwa den österreichischen Künstler Erich Schobesberger, der vor einiger Zeit ein Atelier eröffnet hat. Thomas Wegner jedoch bleibt dabei. „Es gibt hier eine ganze Reihe guter Leute, aber es gab nie spektakuläre Ausstellungen." Auch die Preise seien nie abgehoben gewesen. Wobei am Ende ja nicht das Geld, sondern allein der Geist entscheidend sei. „Beim Geld würde Port d´Andratx Cas Concos locker in die Tasche stecken." Wenn es um Feingeist und Niveau geht, spielt hingegen der Hügel in einer höheren Liga.

Und beim Volleyball? „Oh, wir sind wirklich ganz schlecht, mit professionellem Sport hat das nicht viel zu tun", muss Wegner gestehen. Deshalb sei es auch lächerlich, dass einige nun auf die Idee gekommen seien, eigene T-Shirts drucken zu lassen.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 22. Januar (Nummer 768) lesen Sie außerdem:

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