Die Verwandlung geschieht schlagartig. Die Bässe dröhnen, der Einsatz kommt, und aus der 14-jährigen Nuria García mit den wallenden Locken und den vollen Lippen, die sie ein wenig unschuldig wirken lassen, wird die Streetdance-Braut, der man lieber nicht zu nahe kommen sollte. Sie zieht die Brauen zusammen, der Mund wird vor lauter Konzentration zu einem schmalen Strich. Nuria ballt die Fäuste, schaut böse in den wandgroßen Spiegel in der Tanzschule Empire of Dreams im Gewerbegebiet Son Fusteret in Palma.

Nuria García ist Teil der Streetdance-Gruppe Kidz on the block, die im August 2016 als erste spanische Gruppe bei einer Weltmeisterschaft in Los Angeles antrat und den sechsten Platz unter 27 Teilnehmern schaffte. Ihr Trainer und Mentor, der 28-jährige Sebastián ´Sebas´ Linares aus Pollença, selbst Hip-Hopper, seit er 15 Jahre alt ist, hatte eines Tages die Idee, eine Kindergruppe zu trainieren. Er wählte die Besten aus den damals in einer anderen Tanzschule geleiteten Kursen aus, die Eltern zogen mit, die Kinder sowieso, und die Gruppe wurde auf Anhieb

Sieger bei einem ersten Wettbewerb auf Ibiza. Das war 2012.

Seitdem räumen Kidz on the block Preise ab.

Oscar, Lucy, Daniela und Nuria haben es in die Wettbewerbs-Gruppe geschafft. Danie­las langer, hochgebundener Zopf fliegt beim Tanzen. Die Elfjährige wirbelt, lässt sich fallen, die Arme fliegen zackig von links nach rechts, auch sie übt sich im bösen Streetdance-Blick. Sie habe mit vier Jahren Ballett ausprobiert, „aber das war so langweilig, so starr", sagt sie. Hip-Hop, da sind sich die Kinder einig, ist alles, nur nicht das.

Intensives Training, Rhythmusgefühl, aber vor allem die Lust am Tanzen, das ist laut

Sebastián Linares die Zauberformel für den Erfolg. Dazu trainieren die 20 Kinder bis zu zwölf Stunden wöchentlich, hinzu kommen Reisen zu den Wettbewerben.

Die Kinder lieben ihren Trainer offenbar. Sie sagen Sätze wie: „Sebas ist der Beste. Er ist professionell und fordernd." Eine gewisse Strenge scheint bei den Kids zu ziehen.

Die 14-jährige Brasilianerin Naisha klebt förmlich an der Glasscheibe und schaut beim Training zu. Auch sie, die seit sechs Jahren auf Mallorca lebt, brennt für den Tanz. Ihre Afro-Locken trägt sie seitlich kurz, die Deckhaare hat sie cool hochtoupiert. Sie spricht fließend Deutsch -

ihr Vater wohnt in der Schweiz -

und Englisch, weil sie vergangenes Jahr mit ihrer Mutter in London lebte: „Ich war dort, um meinen Tanzstil zu verbessern." Hip-Hop ist für viele der Kidz on the block inzwischen mehr als ein Hobby. „Viele dieser Kinder sind auf dem Weg, Profis zu werden", sagt

ihr Trainer.

Das Training heute ist dazu da, die Musik zu spüren. Die Bässe dröhnen. Sebastián Linares zeigt ihnen zwei, drei neue Bewegungen. Lucy, Oscar, Nuria und die anderen kopieren sie blitzschnell. Linares spricht wenig, stattdessen tanzt er den Kindern die Schritte vor. Die besonders engagierten und motivierten dürfen in die erste Reihe. „Das müssen nicht die technisch Besten sein", sagt

Linares. Bei Hip-Hop zählten mehr als die Technik das Engagement und die eigene Energie, die man in den Tanz setze.

In die Gruppe der Auserwählten, die sich für die nächsten Weltmeisterschaft in Arizona qualifizieren soll, hat es nur ein neues Mädchen geschafft. Das rotblonde Mädchen darf heute am Ende der Stunde allein zu einer Choreografie tanzen. Die Gruppe sitzt am Rand auf dem Boden, johlt und feuert sie an.

Einige Eltern schauen beim Training zur Scheibe rein. Man spürt ihren Stolz, es sind ihre Schützlinge, die so erfolgreich sind. Ein Vater knüpfte Kontakte zum spanischen Fernsehen, heraus kam eine im Oktober gesendete Reality-Doku: „El baile de Los Ángeles". Die Kamera begleitete die Gruppe von Fe­bruar bis August 2016 beim Training, zu Hause, unterwegs in Los

Angeles.

Beim Rausgehen geben Naisha und die anderen ihrem Trainer und Idol die High-Five. Hip-Hop, das ist ihr Ding.