Die Geschichte ist bekannt und gehört zum Lokalkolorit der Insel: Auf Mallorca gibt es einen Hobbyhistoriker namens Gabriel Verd, der seit Jahren mit guten Argumenten die These vertritt, dass Christoph Kolumbus nicht, wie gemeinhin angenommen, 1451 in Genua geboren wurde, sondern in Felanitx.

Weniger bekannt ist, zumindest auf der größten der Balearen-Insel, dass es auch auf Ibiza jemanden gibt, der den „Entdecker" Amerikas für sich reklamiert. Kolumbus - da hat Nito Verdera keinen Zweifel - sei in Wahrheit in Ibiza-Stadt geboren.

Auf den Geschmack der Geschichtsforschung kam er 1962, als er als Seemann eines Frachtschiffs in Havanna an Land ging und ihm eine Biografie des spanischen Schriftstellers Salvador de Madariaga über Christoph Kolumbus in die Hände fiel. Schnell war es um ihn geschehen. Der Ibizenker beschäftigte sich seither von Jahr zu Jahr intensiver mit dem großen Admiral und kam so schließlich zu dem Schluss, dass auch Kolumbus Ibizenker gewesen sein muss.

„Alle anderen Theorien kann ich wissenschaftlich widerlegen", so der inzwischen 82-Jährige, der auch schon als Diskotheken-Betreiber und Journalist gearbeitet hat, am Telefon zur MZ. Verdera hat bereits sieben Bücher zum Thema veröffentlicht und lebt hörbar auf, wenn der Name Kolumbus fällt.

Das mit dem Geburtsort Genua wischt Nito Verdera gleich zu Beginn vom Tisch. Eines seiner Hauptargumente: „Kolumbus konnte gar nicht Italienisch schreiben und verfasste Texte auf Kastilisch, die durchsetzt mit katalanischen Wörtern waren."

Christoph Kolumbus sei kein Genovese sondern ein Spross einer reichen Händler- und Politikerfamilie namens Colom gewesen, die im 15. Jahrhundert unweit der Kathe­drale von Ibiza lebte, so Verdera. Es habe sich um jüdische Konvertiten gehandelt - Menschen, die sich nur durch einen Religionswechsel vor der damals von den katholischen Königen betriebenen Ausweisung aus Spanien schützen konnten. Zu den Indizien, dass der Seefahrer aus dieser Familie stammte, zählt neben dem Namen - Colom oder Colón sind die katalanischen und spanischen Schreibweisen für „Kolumbus" - auch die Zeichensetzung in seinen Texten. „Diese Interpunktion wurde damals nur in der katalanischsprachigen Welt und ausschließlich von jüdischen Konvertiten benutzt." Kastilische Texte seien dagegen niemals mit diesen kommaartigen Strichen versehen, sondern schlangenartig ohne Leerstellen zwischen den Wörtern geschrieben worden.

Eindeutig zu erkennen sei das in Dokumenten, die einer der bekanntesten Anhänger seiner Theorie, der Herzog von Alba, Luis Martínez de Irujo, ihm zur Verfügung gestellt habe, so Verdera. „Dieses Adelshaus verfügt über so viel Material, weil eine Alba einst den Sohn von Kolumbus, Diego, heiratete."

Im Übrigen habe Kolumbus Gegenden in der Karibik nach Ortsbezeichnungen auf und rund um Ibiza und Formentera benannt. „Camarí, Angulia, Saona oder Caragoler gibt´s auch bei uns hier", so der Hobbygelehrte.

Auch Teile der akademischen Welt können sich für Nito Verderas Kolumbus-Theorie erwärmen: Estelle Izirarry etwa, Professorin an der Georgetown-Universität in Washington, D.C., schrieb ein Buch mit dem Titel „El ADN de los escritos de Cristóbal Colón" und zitiert darin aus allerlei Dokumenten, die Verdera ihr zuschickte.

Weniger verwunderlich als die Unterstützung aus der Forschung ist die Tatsache, dass die Menschen seiner Heimatinsel Nito Verdera in Ehren halten: Im Jahr 2012 fand der Gemeinderat von Ibiza-Stadt seine Theorie so überzeugend, dass die Vertreter sämtlicher Parteien beschlossen, diese als bewiesen anzusehen und sie in der Welt zu verbreiten - unter anderem mit einem im August 2016 eröffneten Kolumbus-Museum in Ibiza-Stadt. Nito Verdera bewertet dies im Gespräch mit der MZ als verdiente Ehrung nach jahrzehntelangen Mühen.

Wenn Kolumbus freilich so viele katalanische Wörter und auch eine nur hier gebräuchliche Interpunktion benutzte, hätte er eigentlich auch aus Mallorca kommen können, wie Mitbewerber Gabriel Verd herausgefunden hat. Laut dessen Theorie kam Kolumbus in einem Anwesen namens Alqueria Roja (heute Son Ramonet) unweit von Felanitx zur Welt - und zwar als unehelicher Sohn des Bruders von König Ferdinand. Dieser Herzog von Viana soll im Jahr 1459 eine gewisse Margalida auf Mallorca geschwängert haben.

Das könnte etwa erklären, dass Ferdinand den wie aus dem Nichts aufgetauchten Kolumbus zum Admiral machte und ihn womöglich aus Sorge um die Thronfolge aus dem Verkehr zog, indem er ihn losschickte, einen neuen Seeweg nach Indien zu erkunden. Außerdem habe Kolumbus seine „Entdeckungen" dann nach Mallorquinischem benannt: der Wallfahrtskirche Sant Salvador in Felanitx zum Beispiel oder auch nach dem Namen seiner Mutter, Margalida (Margarita).

Der 61-jährige Mallorquiner hat über seine Theorie schon zwei Bücher veröffentlicht und tingelt seit Jahren mit einer kleinen Ausstellung von Ort zu Ort. Der Ibizenker Verdera begegnet Verd durchaus mit Respekt. Doch seiner Ansicht nach reichen wenige Argumente aus, um die Felanitx-Theorie über den Haufen zu werfen. „Kolumbus wäre demnach spätestens 1460 geboren und schon mit 46 Jahren gestorben - das aber widerlegt eine DNA-Analyse der in Sevilla aufbewahrten und untersuchten Knochen eindeutig", sagt Nito Verdera. Zudem habe die Wissenschaft festgestellt, dass nämliche Margarita gar nicht Mallorquinerin gewesen sei, sondern eine Sizilianerin aus Palermo.