Lange Zeit lebte er unter falschen Namen. Juan Pablo Escobar ist der Sohn des kolumbianischen Drogenbosses Pablo Escobar, der bis zu seinem gewaltsamen Tod am 2. Dezember 1993 in Medellín mit Bombenanschlägen und bezahlten Killer-Kommandos ein ganzes Land terrorisierte.

Die Familie Escobar musste die Rache der konkurrierenden Drogen-Kartelle fürchten, heute arbeitet Juan Pablo Escobar als Architekt und Industriedesigner in Buenos Aires, Argentinien. Seine Familiengeschichte hat er in dem Buch „Pablo Escobar, mi padre" (Pablo Escobar, mein Vater) und mit der Dokumentation „Die Sünden meines Vaters" aufgearbeitet. In der Dokumentation trifft er die Söhne der Politiker Luis Carlos Galán und Rodrigo Lara Bonilla, die sein Vater ermorden ließ. „Es war nicht einfach, sie zu treffen, aber notwendig", sagt er der MZ.

Wir treffen Escobar auf dem Kongress „Lo que de verdad importa" („Worauf es wirklich ankommt") im Trui Teatre in Palma, mehr als 1.300 Schüler sind hier, um mit Escobar und anderen Referenten über Werte und Menschlichkeit zu sprechen.

Warum sind Sie der Einladung zu diesem Kongress gefolgt?

Ich bin hier, um den Schülern zu erzählen, warum ich nicht dem Weg meines Vaters folge und ein Pablo Escobar 2.0 sein will. Die Geschichte soll sich nicht wiederholen.

Wie wollen Sie das erreichen?

Indem ich ganz einfach Geschichten aus meinem Leben erzähle. Ich erzähle ihnen die Wahrheit über meinen Vater.

Was ist die Wahrheit?

Jedenfalls nicht das, was man als Serie auf Netflix sehen kann. Es stimmt zum Beispiel nicht, dass mein Vater von den Polizisten erschossen wurde. Er hat sich selbst getötet. Ich habe mit den Forensikern gesprochen. Dank Netflix gibt es jetzt viele junge Menschen, die Drogendealer sein wollen. Ich bekomme Tausende E-Mails, in denen mir Jugendliche schreiben, dass sie Pablo Escobar sein wollen.

Was antworten Sie denen?

Ich kann nicht allen antworten, aber vielen. Denjenigen die mir schreiben, dass sie Pablo Escobar sein wollen, empfehle ich, mein Buch zu lesen und zweimal darüber nachzudenken.

Wurden Sie von den Machern der Serie kontaktiert?

Ich habe sie sechs Monate nach Drehbeginn kontaktiert und angeboten, mein Privat-Archiv zu öffnen. Sie hatten kein Interesse.

Sie werfen der Serie vor, Ihren Vater zu verherrlichen. Gibt es noch viele Kolumbianer, die Ihren Vater trotz seiner Taten immer noch verehren?

Es kommt ganz darauf an, wen Sie fragen. Aber es gibt noch viele, vor allem Menschen aus den ärmeren Bevölkerungsschichten, die ihn sehr lieben.

Wie ist die Situation heute in Kolumbien?

Die Menschen in Kolumbien sind der Gewalt müde, das Land ist auf dem Weg zum Frieden. Aber das Geschäft mit den Drogen läuft immer weiter, solange es einen Markt dafür gibt. Doch ich denke, die Sicherheitskräfte leisten heute bessere Arbeit, es ist ruhiger geworden.

In Ihrem Zuhause, der Hacienda Nápoles, haben Sie in unvorstellbarem Reichtum gelebt. Ihr Vater hat für Sie einen Vergnügungspark bauen lassen. Heute kann man das Gelände besuchen, in den Teichen schwimmen noch die Nilpferde von damals, es gibt einen Wasserpark, ein Museum und sogar ein echtes Gefängnis. Waren Sie mal wieder dort?

Ja, vor ein paar Jahren. Ich denke, sie haben dort eine Ode an meinen Vater geschaffen. Für uns, die Familie, gibt es dort nichts zu sehen. Das Geld, das dort verdient wird, sollte man den Opfern meines Vaters geben, anstatt dass sich Politiker damit bereichern.

Ist es gefährlich für Sie, nach Kolumbien zu reisen?

Ich weiß es nicht. Aber ich bin ohne Leibwächter gefahren. Das sind normalerweise die Ersten, die getötet werden, und ich will niemanden in Gefahr bringen.

Wann haben Sie erfahren, dass Ihr Vater mit Drogen handelt?

Als ich sieben Jahre alt war, hat er mir gesagt, dass er ein bandido ist. Aber es war natürlich auch viel in den Zeitungen über ihn zu lesen, im Fernsehen wurde über ihn berichtet. Ich erinnere mich noch, dass er immer sehr viele Ausreden hatte, um Gewalt anzuwenden.

Haben Sie die Drogen jemals zu Gesicht bekommen?

Selbstverständlich. Als ich acht Jahre alt war, hat mein Vater mir die Drogen gezeigt, Kokain, Marihuana, Extasy, LSD. Er hat sie mir gezeigt und gesagt, dass ich sie niemals nehmen solle.

Hat Ihr Vater Drogen genommen?

Nur Marihuana. Aber bei Weitem nicht so viel, wie es auf Netflix zu sehen ist.

Sie haben einen vier Jahre alten Sohn. Was machen Sie bei seiner Erziehung anders als Ihr Vater bei Ihnen?

Gar nichts. Mein Vater war sehr gut zu mir und hat mir Werte vermittelt. Das werde ich auch tun.

Haben Sie jemals darüber nachgedacht, in die Politik zu gehen?

Nein, daran habe ich kein Interesse. Auch mein Vater hat eingesehen, dass es ein Fehler war.

Werden Sie auf der Straße erkannt?

Jeden Tag erkennen mich ein paar Leute mehr.

Was werden Sie am häufigsten gefragt?

Wo ist das ganze Geld geblieben. Das ist keine leichte Antwort, ich habe der Frage ein ganzes Kapitel in meinem Buch gewidmet.

Was würden Sie Ihrem Vater heute gerne sagen?

Dass ich ihn liebe.