Wer auf der Insel kleinere Kinder hat oder selbst noch Kind ist, der dürfte um Victoria Sitges kaum herumkommen. Bekannt ist die Mallorquinerin nicht unter ihrem bürgerlichen Namen, sondern unter dem Pseudonym Maria Bimbolles. Als diese tritt die „Frau in den 40ern" - genauer will sie ihr Alter nicht verraten - auf Dutzenden von Dorffesten im Jahr auf, komponiert eigene Musicals und organisiert Workshops für Kinder. Wenn es sein muss, bringt sie auch Bürgermeister dazu, mit ihr auf der Bühne zu Kinderliedern zu schunkeln. Es fällt schwer, sich dem Charme der felanitxera zu entziehen.

Wer Victoria Sitges trifft, der wird von einem breiten Grinsen empfangen, bevor eine auffällig weiche Stimme zu erzählen beginnt. Viel zu erzählen. Das stellte schon ihre Großmutter fest. „Sie sagte immer zu mir: ,Victoria, du hast bimbolles im Kopf, also kleine Luftbläschen.'" So war der Künstlername Maria Bimbolles geboren. „Maria, weil es in jeder Familie auf Mallorca irgendeine Maria gibt, die Leute sich also bestens mit der Figur identifizieren können", sagt Sitges beim Treffen mit der MZ auf einem Kinderspielplatz.

Victoria Sitges ist dabei keineswegs schon ihr ganzes Leben Maria Bimbolles. „Am 23. April nächsten Jahres feiere ich zehnjähriges Jubiläum." Zu dem veritablen Kinderstar wurde Victoria Sitges aus Zufall - oder aus der Not heraus, je nachdem. Sie arbeitete damals als Tourmanagerin der Petits Chanteurs de Saint-Marc aus Lyon - die „Kleinen Sänger von Sankt Markus" sind durch den Film „Die Kinder des Monsieur Mathieu" bekannt geworden. Sitges organisierte für den Schulchor die Termine in Spanien. Davor hatte sie mehrere Semester lang Psychologie studiert und in Didaktik Kenntnisse angeeignet. Kindern fühlte sie sich seit jeher verbunden. Vielleicht, weil sie selbst früh Mutter einer Tochter wurde. Neben ihrer Managertätigkeit organisierte sie Aktivitäten für Kinder, suchte etwa Geschichtenerzähler für Dorffeste.

Eines Tages fiel einer von ihnen aus, und Sitges fand so schnell keinen Ersatz. Also setzte sie sich selbst hin und erzählte Geschichten. Und das so gut, dass sich das schnell auf der Insel herumsprach. Bald konnte sie sich vor Aufträgen kaum retten. „Was Maria Bimbolles auch macht, es funktioniert einfach", sagt sie - selbst beeindruckt vom Erfolg ihres Alter Ego. Die Kinder lieben sie, im Internet finden sich haufenweise dankende Kommentare von Eltern, die ihren beseelten Nachwuchs nach den Auftritten singend und tanzend wieder mit nach Hause nehmen.

Das Geheimnis ihres Erfolgs: Victoria Sitges nähert sich den Kleinen behutsam, spielerisch, in ihrer Sprache. Aber sie hat auch einen erzieherischen Auftrag, will, dass die Kinder etwas mitnehmen. Dann, wenn sie in ihrem Youtube-Kanal erklärt, wozu es gesellschaftliche Normen gibt oder warum man sein Zimmer aufräumen muss. Ihr zur Seite stehen zwei von ihr kreierte Puppen, der Pirat Nicolas und der dimoni Dídac, die die Kinderperspektive einnehmen. Nicolas hat als Pirat Angst vor dem Meer, was natürlich nicht sein darf. Also nimmt Maria Bimbolles ihm die Angst, indem sie sie auf einen Zettel schreibt und in eine Kiste legt. Und sie ermuntert Kinder dazu, mit ihren Ängsten ebenso zu verfahren.

Mit ihrer pädagogischen Ader hat Victoria Sitges auch die Chefetage des Krankenhauses Son Espases für sich gewonnen. In Zusammenarbeit mit den Ärzten und Psychologen der Klinik hat sie zehn Folgen über das Thema Krebs für die Kinder-Palliativstation produziert.Sie erklärt darin kindgerecht die Erkrankung. „Es kommt auch immer wieder vor, dass mich die Kinder dann bitten, dass ich sie im Krankenhaus besuche", erzählt sie. Drei „ihrer Kinder", wie sie sagt, seien inzwischen gestorben.

Ihre Bekanntheit führt dazu, dass viele Leute sie nur als Maria Bimbolles kennen. Für ­Sitges keine Beleidigung: „Das ist doch die größte Anerkennung, die sie dir zollen können." ­Allerdings hat sie in näherer Zukunft vor, auch als Victoria Sitges auf die Bühne zu treten und etwa Workshops für Eltern zu geben, in denen sich vieles um das Vorleben von Werten dreht. Nötig sei das allemal, sagt sie. „In vielen Familien gibt es überhaupt keine Regeln und Normen mehr. Die Kinder bekommen kaum ­Ansprache, ihnen wird ein Tablet-Computer hingeschoben, statt mit ihnen zu reden. ­Irgendwann wundern wir uns dann, warum die Kinder den Hintern nicht mehr hochkriegen oder rebellieren." Sitges will den Eltern klarmachen, was ihre Aufgabe ist. „Schließlich gibt es keine bösen Kinder, nur desorientierte. Sie sind die Opfer, nicht die Schuldigen."