Am 28. November wird Fra Ramón Maria Cobo seinen Koffer mit ein paar Klamotten packen und die Tür abschließen. Er wird zum Flughafen fahren und nach Gran Canaria fliegen. „Den Stromvertrag werde ich nicht kündigen. Darum kümmert sich jemand anders." Auch das Geld auf dem Konto wird er nicht abheben. „Das geht nach Madrid. Ich habe da ohnehin keinen Zugriff." Ein Paket hat er schon vorgeschickt. „Ein paar Bücher und ein Rosenkranz waren da drin." Am 28. November wird der letzte Ordensbruder das Franziskanerkloster in Petra verlassen, ein Gebäude, in dem auch schon der Heilige Junípero Serra (1713-1784), Missionar, Gründervater Kaliforniens und ebenfalls Franziskaner, gebetet hat. Was dann mit dem Kloster passiert, weiß noch niemand.

Bruder Cobo ist ein freundlicher Mann, der gerne über Fußball redet. Atlético Madrid sei sein Lieblingsverein in Spanien, der AC Mailand in Italien. Cobo stammt aus Badajoz, sein Vater ist in Hamburg geboren. Der Franziskaner war schon an vielen Orten stationiert. In Valencia, Zaragoza, aber auch im Amazonasgebiet in Peru. Er hat Abschlüsse in Philo­sophie und Theologie, hat viele Jahre auch als Grundschullehrer gearbeitet. „Einer meiner ehemaligen Schüler spielt bei Eintracht Frankfurt, Lucas Torró. Er hat neulich in der Europa League gegen Marseille getroffen", sagt er mit einem gewissen Stolz.

Das Kloster Sant Bernardí gibt es seit 1607. Bruder Cobo ist seit einem Jahr hier, als einer von vier Ordensbrüdern. Das ist die Mindestanzahl, die der Orden für die Klöster vorschreibt. „Ich war sozusagen das Mädchen für alles. Je nachdem, was gerade anfiel. Messen halten oder Beerdigungen. Oder Besucher durch die Kirche führen. Es kommen hauptsächlich Ausländer, Deutsche und ein paar US-Amerikaner."

Ende Juni kündigte der Franziskanerorden an, das Kloster in Petra zu schließen. Die Gesamtzahl der Mönche in Spanien schrumpft, da müssen Kapazitäten gebündelt werden. Und Petra ist von Madrid aus gesehen ziemlich weit entfernt. Zwei Brüder - so nennen sich die Franziskaner, niemals Pater - haben das Kloster bereits verlassen, sind aufs Festland gegangen. Ein weiterer, Joan de Déu, zieht am 2.11. nach Cocentaina, einem Kloster bei Valencia.

Bruder Cobo führt durch den Klostergarten, der etwas vernachlässigt aussieht. Ein paar verfallene Bögen des früheren Klostergangs stehen noch. An einem Zaun steht ein Brunnen. „Früher war er in der Mitte des Gartens", erklärt Cobo. „Einen Teil des Grundstücks hat der Orden vor langer Zeit verkauft." Heute stehen dort Wohnhäuser. Es ist nicht das erste Mal, dass das Kloster geschlossen wird. 1835 fiel es der sogenannten Desamortisation unter ­Isabel II. zum Opfer, der Überführung von Kirchen­eigentum in Staatsbesitz. In der Folge stand es bis 1969 weitgehend leer. „Es ist ein Wunder, dass das Kloster überhaupt erhalten ist", sagt Cobo. Die Mönche Salustiano Vicedo und Pedro Escriche bauten Sant Bernardí neu auf. Ihr erklärtes Ziel war es dabei, den wohl berühmtesten Schüler des Klosters, Junípero Serra, zu ehren, bekannter zu machen und für eine Heiligsprechung zu werben, die 2015 auch gelang.

Nachwuchsprobleme

Bruder Cobo ist 74 Jahre alt. Er war praktisch sein ganzes Leben lang Mönch. Mit 13 Jahren ging er ins Seminar, mit 16 legte er sein Ordensgelübde ab, mit 23 wurde er Priester. „Ein Problem der Orden ist heute, dass die wenigen, die noch beitreten, schon älter sind", sagt er. „Die sind teilweise schon 40. Und mit 60 gehen sie dann schon wieder in Rente. Die aktive Zeit eines Mönches ist von teilweise 50 auf 20 Jahre gesunken." Zum anderen wirkten sich die Pädophilieskandale der Kirche negativ auf die Bewerberzahlen aus. „Man kann ja heute keine Ausflüge mehr mit den jungen Leuten machen, so wie ich das früher gemacht habe. Da wird man gleich komisch angeschaut."

Bruder Cobo freut sich auf seine neue Station. „Ich war schon immer ein Abenteurer, genauso wie mein leiblicher Bruder, der ebenfalls Mönch ist. Er ist gerade in Jerusalem, im heiligen Land. Wir sind schon immer gern gereist und haben neue Orte kennengelernt."

Weniger optimistisch sind die Gläubigen in Petra. Zu viele Fragen sind offen. Wer wird sich um die Gemeinde kümmern? Wer die Gottesdienste übernehmen, die die Ordensbrüder auch in der Nachbargemeinde Sant Joan gaben. Was wird aus dem Kloster, was aus den Kunstwerken und Büchern darin? Antworten gibt es bislang weder von der Gemeinde noch vom Orden.

Kürzlich veröffentlichte eine Zeitung die Meldung, Franziskaner aus Mexiko würden das Kloster übernehmen. Bruder Cobo wird in dem Artikel zitiert, er ist deswegen immer noch ein wenig angefressen. „Die Provinzialleitung in Madrid hat mich zurückgepfiffen", sagt Cobo. „Deshalb möchte ich noch einmal feststellen: Das war eine persönliche Meinungsäußerung. Ich würde es gutheißen, weil es in Mexiko eine neue Ordensprovinz namens San Junípero Serra gibt, die viele junge, ambitionierte Mönche hat. Für die wäre es sicherlich interessant, in dieses Kloster nach Petra zu kommen. Aber selbstverständlich habe ich das nicht zu entscheiden." Zumal man das Kloster auch nicht einfach mit Mexikanern füllen könne. „Ein Vergleich: Man kann einen US-Amerikaner im Rathaus anstellen, aber man kann nicht die Gemeinde den USA überlassen."

Sorge bei den Dorfbewohnern

Die Dorfbewohner zumindest würden sich freuen, wenn das Kloster nicht verfallen würde. „Ich kann mich noch erinnern, als die Mönche ankamen", erzählt Bel Salom, die über 30 Jahre lang das Museum Juniper Serra geleitet hat. „Es war der Tag, an dem meine Mutter starb. Es ist unfassbar, dass das alles endet. Die Franziskaner waren ein wichtiger Teil des Dorflebens." Sie hoffe, dass neue Ordensbrüder einziehen. „Aber die müssen von außerhalb geholt werden, hier auf der Insel gibt es ja kaum noch welche." Wie nun die Kooperation mit dem Museum weitergeht, ob man mit der Eintrittskarte auch das Kloster besichtigen kann, das steht noch nicht fest. „Wir wissen nichts", sagt eine Museumsmitarbeiterin.

Mateo Perelló bedauert den Wegzug ebenfalls. „Die Ordensbrüder standen dem Dorf sehr nah, waren recht modern im Umgang, nicht so verstaubt wie früher", sagt der ältere Herr. Sorgen mache ihm vor allem das Gebäude. „Würde man das heute bauen, würde das mehrere Millionen Euro kosten. Dessen müssen sich die Verantwortlichen bewusst sein. María Jiménez, die in einer Dorfbar arbeitet, bestätigt: „Natürlich ist das hier ein Gesprächsthema." Wobei vielen ihrer Gäste die Zukunft des Klosters relativ gleichgültig sei. „Nur eine ältere Dame erzählte mir, dass sie sehr traurig sei, weil sie im Kloster immer zur Beichte ging und nun nicht weiß, wo sie ab jetzt hinsoll."