Irmgard Rincke ist 90 und hat häufiger mal Probleme mit ihrem Smartphone. Sie geht dann zu ihrer Mitbewohnerin Johanna Koch. Die ist 18 und sagt dann etwa: „In welche Richtung du wischen musst, wenn dich jemand anruft, üben wir noch einmal. Ich rufe dich ein fach mal als Test an." Johanna Koch ist die jüngste Bewohnerin der Seniorenanlage Es Castellot in Costa de la Calma. Seit September und noch bis Ende Juni 2019 arbeitet die frischgebackene Abiturientin aus Stralsund an der Ostsee als Freiwillige zur Hälfte in der Anlage und zur anderen Hälfte in der evangelischen Gemeinde in Arenal. Diakonisches Jahr im Ausland heißt das Programm. „Ich wollte vor dem Studium noch einmal weg, aber trotzdem nicht nur reisen und meinen Spaß haben, sondern eine Arbeit machen, von der auch meine Mitmenschen etwas haben", erzählt sie.

Schon in Stralsund hatte sich Johanna Koch in ihrer Gemeinde engagiert und unter anderem Freizeiten für Konfirmanden organisiert. Das Programm auf Mallorca ist ein freiwilliges soziales Jahr, wie man es aus Deutschland kennt. „Nur eben mit besserem Wetter", sagt sie. Johanna Koch begleitet die Senioren zu Ausflügen und Singstunden, unterhält sich mit ihnen oder liest etwas vor. „Es ist schön, so eine junge Frau hier zu haben, die man immer ansprechen kann", sagt Irmgard Rincke.

Die Enkelin auf Zeit ist die einzige Mitarbeiterin der Seniorenresidenz, die auch in der Anlage wohnt - wie die Bewohner, die sich noch eigenständig versorgen können, in einer Einzimmerwohnung mit Küche und eigenem Bad. Andere Senioren sind auf der Pflegesta-tion rund um die Uhr auf Hilfe angewiesen. Ebenso wie die Senioren profitiert auch die junge Frau von der räumlichen Nähe. Sie habe in den über drei Monaten, die sie nun schon auf der Insel ist, schon viel über das Leben gelernt, sagt sie. „Etwa, wie unterschiedlich schnell Menschen altern können." Auch wie sehr Schicksalsschläge auch die sorgfältigste Lebensplanung von einem Tag auf den anderen verändern können, werde ihr bei der Arbeit im Seniorenheim täglich bewusst.

Johanna Koch bekommt vom Programm Diakonisches Jahr im Ausland neben der kostenfreien Unterkunft 150 Euro Taschengeld im Monat und 200 Euro Verpflegungspauschale. „Wenn ich jüngere Menschen treffen will, gehe ich einfach zum Chiringuito an den Strand oder fahre nach Palma", sagt sie. Dann stünden die Chancen auch besser, mal wieder etwas Spanisch zu hören. In der einst von der Norddeutschen Gesellschaft für Diakonie betreuten und seit einigen Jahren von der mallorquinischen Behinderten-Organisation Amadip-Esment betriebenen Anlage wird vor allem Deutsch gesprochen.

„Wenn man in einer deutschen Auslandsgemeinde Spanisch lernen will, geht das nur mit viel Eigeninitiative", hat Johanna Koch gelernt. Sie denkt darüber nach, nach ihrem Auslandsaufenthalt im kommenden Wintersemester Kunst und Mathe auf Lehramt zu studieren. Zunächst aber steht Weihnachten an, das Johanna Koch, wie die Freiwilligen vor ihr, auf der Insel und damit zum ersten Mal nicht bei ihrer Familie verbringt. Beim ökumenischen Gottesdienst in der Kathedrale am Montag (24.12.) wird sie Fürbitten vorlesen. Und ihren Mitbewohnern von Es Castellot dabei helfen, ihre Plätze einzunehmen.