Ein junger Mann aus der Familie des österreichischen Kaisers unternimmt auf ärztliches Anraten - und weil ihm ohnehin danach ist - eine Reise in den Mittelmeerraum, lernt dabei die Balearen kennen und ist so begeistert, dass er fünf Jahre später wiederkommt und damit beginnt, an der Nordküste Anwesen aufzukaufen - darunter auch das Landgut Son Marroig, auf dem am Mittwoch (18.6.) Mario Götze und Ann-Kathrin ihre freie Trauung vollzogen.

Wir schreiben das Jahr 1872. Der damals erst 25-jährige Käufer war Erzherzog Ludwig Salvator. Im selben Jahr hatte der unternehmungslustige Habsburger seine Dampfyacht Nixe in Betrieb genommen. Es war der Auftakt zu einem beispiellosen Forschungsprojekt: Jahrzehntelang kreuzte der Adelige durchs Mittelmeer und beschrieb in mehr als 50 Büchern, was er sah, hörte und erfuhr.

Doch obwohl Ludwig in den Mittelmeerraum als Ganzes verliebt war, faszinierte ihn ein Ort besonders: Mallorca, und hier vor allem die Nordküste. Bis zu seinem Tod 1915 kaufte der Erzherzog in der Region mehr als ein Dutzend prächtiger Anwesen mit ausgedehnten Ländereien und betrieb dort angewandten Landschafts- und Architekturschutz.

Das heißt nicht, dass alles unverändert erhalten blieb. Der rastlose Adlige, der wegen seines exzentrischen Charakters und seiner Abneigung gegen das zeremonielle Leben am Wiener Hof zum engen Vertrauten der ähnlich veranlagten Kaiserin Sisi wurde, baute zum Beispiel Son Marroig um. Das Landgut an der Straße zwischen Valldemossa und Deià wurde im italienischen Stil aufgemotzt und erhielt eine zum Meer hinausblickende Loggia. Dazu ließ der geübte Weltverschönerer ein griechisches Tempelchen in den Garten stellen, das heute das Cover jedes dritten Mallorca-Reiseführers oder -Sonderheftes ziert.

Son Marroig ist öffentlich zugänglich, einige Räume sind originalgetreu erhalten und ein kleines Museum lässt ahnen, was Salvator für einer war. Nämlich ein Vielschreiber, ein ganzheitlich Forschender, ein Multi-Kultur-Begeisterter. Mit seinem aus Gelehrten und Künstlern bestehenden Gefolge fabrizierte er zumeist im Eigenverlag Bücher wie „Lose Blätter aus Abazia" (über ein Seebad in der Adria), „Wintertage auf Ithaka" (über jene griechische Insel, von der Odysseus stammen soll) oder „Was mancher wissen möchte" (über den sich entwickelnden Tourismus im Mittelmeerraum, herausgegeben 1909!).

Eine Reihe schöner Originalexemplare dieser Edelschmöker, die Salvator in der Regel an seine Familie, Freunde und Bekannte verschenkte, ist in Glasvitrinen in Son Marroig ausgestellt. Daneben sind ein kurioser Mix historischer Fundsachen sowie Kunstwerke zu sehen, ein Sammelsurium, das die vielseitigen Interessen dieses unheimlich modern anmutenden Mannes widerspiegelt.

Direkt unter dem Anwesen, das bereits 1927 zum Museum umgestaltet wurde, erhebt sich einer der berühmtesten Felsen Mallorcas aus dem Meer: Sa Foradada, unverwechselbar, weil die Naturgewalten ein riesiges Loch mittendurch geschlagen haben. Das Anseufzen des Sonnenuntergangs vom nahen Aussichtspunkt aus ­gehört zum Pflichtprogramm eines jeden Inselromantikers.

Son Marroig ist eines der letzten Anwesen, die noch im Besitz der Nachfahren der Erben sind. Salvator, der nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1915 im böhmischen Brandeis verstarb, vermachte sein gesamtes Vermögen seinem mallorquinischen Sekretär und dessen Familie. Der Erzherzog selbst verstarb kinderlos. Zumindest offiziell. Salvator-Biografin Helga Schwendinger vertritt die These, dass der Nachwuchs des Sekretärs in Wahrheit die Kinder des Adeligen waren.

Auch über Son Marroig erzählt man sich einiges. So sollen einer Legende zufolge im 15. oder 16. Jahrhundert maurische Piraten sämtliche Frauen des Küstenstreifens entführt haben. Die Letzte verschanzte sich im bis heute erhaltenen, massiven Wehrturm des Gutshauses, doch umsonst: Auch sie wurde zur Beute der Mauren und endete auf einem Sklavenmarkt in Nordafrika.

Für Legenden, Märchen und Geschichte hatte der Erzherzog ein Faible. In seinem Auftrag stellte ein Schriftsteller Ende des 19. Jahrhunderts eine Sammlung von „Märchen aus Mallorca" zusammen. Umgekehrt blättern Historiker heute, wenn sie etwas über die Vergangenheit der Insel erfahren wollen, in einem siebenbändigen Superschmöker, der 1878 bei der Pariser Weltausstellung eine Goldmedaille erhielt: „Die Balearen".

Er kannte sich aus, dieser Salvator. Wer auf Mallorca seinen Spuren folgt, gelangt ganz automatisch zu einigen der bezauberndsten Plätze der Insel.

So geht's hin

Von Palma über Valldemossa Richtung Deià fahren. Sobald die Straße die Steilküste erreicht, kommen kurz hintereinander zwei beschilderte Abfahrten nach links: Miramar (ebenfalls zugänglich) und danach Son Marroig (9.30 bis 14 Uhr und von 15 bis 17.30 Uhr, sonntags geschlossen).

Dieser Artikel erschien erstmals im August 2012 im Rahmen der MZ-Serie "50 Dinge, die man auf Mallorca einmal gemacht haben sollte".

Lesen Sie hier weiter: Wie vor 150 Jahren der erste Band des Monumentalwerks "Die Balearen in Wort und Schrift" von Ludwig Salvator entstand