„Eigentlich", das muss Ingrid Krey-Mengel zugeben, „war es anfangs nur eine Schnapsidee von meinem Mann." Einmal vom Eigenheim in Hildesheim bei Hannover aus mit dem E-Bike in die Ferienwohnung an der Ostküste von Mallorca radeln, statt wie bisher immer das Flugzeug zu nehmen. „Mich hat die Idee nicht losgelassen. Es war Abenteuerlust. Ich habe gedacht: Was haben wir schon zu verlieren?", so Krey-Mengel (65). Also machten sie und ihr Mann Helmut Krey (68) sich Ende April tatsächlich auf: 2.300 Kilometer, drei Länder, und eine Menge Hochs und Tiefs.

„Freunde und Bekannte haben vorher Wetten abgeschlossen, wie weit wir kommen. Die meisten dachten, wir schafften es nicht einmal bis zum Rhein", erinnert sich Krey-Mengel. Denn schließlich sind weder sie noch ihr Mann erfahrene Radler, „und ich leide seit elf Jahren an Parkinson." Die erste Euphorie war dann auch schnell verflogen. „Schon am allerersten Tag, nach grade einmal 60 Kilometern, hatte ich meinen ersten Platten. Da standen wir im Regen, kein Taxi wollte uns mitnehmen und ins Hotel bringen, und ich war kurz davor, einfach wieder nach Hause zurückzukehren", so Krey-Mengel. Tat sie aber nicht. Auch wenn das Wetter immer wieder mit ganzer Kraft an ihrer Willensstärke nagte. „Der Regen und die Kälte haben uns fast die ganze Reise über begleitet. Aber irgendwann packt einen dann doch der Ehrgeiz, man kommt in einen Sog und denkt nicht mehr ans Aufhöhren."

Das erste große Etappenziel war der Rhein. „Wir hatten uns vorgenommen, wenn möglich die ganze Zeit über an Flüssen entlang zu radeln, und das hat auch ganz gut geklappt", berichtet die Rentnerin. Ebenfalls ein Erlebnis sei die Einfahrt nach Straßburg gewesen. „Mit dem Fahrrad über die Europabrücke zu radeln, das ist schon toll", schwärmt Krey-Mengel. Das Highlight schlechthin sei aber die Ankunft in Marseille gewesen, von wo aus die beiden wie geplant einen Zug bis zur Fähre in Toulon nahmen. „Wir radelten über Bergkuppen und durch einen ziemlich unheimlichen dunklen Tunnel, und hatten gar nicht erwartet, dass sich dahinter ganz unvermittelt das blaue Meer und der Blick auf die Stadt erstrecken. Da haben sogar die Autofahrer angehalten, um die Aussicht zu genießen."

Überhaupt erleben man die Landschaft mit dem Rad natürlich ganz anders, als aus dem Auto heraus. Von wenigen Ausnahmen abgesehen seien die Radwege einen Großteil der Strecke hinweg auch tatsächlich sehr gut ausgebaut gewesen. „In Deutschland hatten wir das erwartet, aber in Frankreich waren wir uns da vorher nicht ganz so sicher gewesen", berichtet die Rentnerin. Vor allem an der Rhone entlang sei der Untergrund stehts radlerfreundlich und die Beschilderung gut gewesen.

„Ich hatte vorher die Fahrrad-App 'Komoot' heruntergeladen. Das war immer so ein kleiner Streit zwischen mir und meinem Mann, denn er hatte extra altbewährte Fahrradkarten auf Papier besorgt." Letztlich nutzten sie beides. „Abends kehrten wir stets in ein Hotel ein, die wir meist am Mittag oder frühen Nachmittag übers Smartphone spontan buchten. Das war in der Regel kein Problem." Im Zimmer angekommen brauchten sie allabendlich acht Steckdosen: für die Batterien der E-Bikes, für mehrere Handyakkus und für ihre Walkie-Talkies, die sie auf der Fahrt stets am Helm trugen, um miteinander kommunizieren zu können. „Auch so eine Idee von meinem Mann, die ich erst total bekloppt fand, die sich aber total bewährt hat", muss Ingrid Krey-Mengel zugeben. „Vor allem in den Städten mit viel Verkehrslärm war es großartig, diese Geräte dabei zu haben."

Mit den E-Bikes Marke „Flyer Upstreet" war das Paar weitgehend zufrieden. Das größte Problem sei eigentlich das Gepäck gewesen. „Da haben wir vorher lange drüber nachgedacht, aber auch im Nachhinein wüsste ich nicht, wie man es ideal lösen könnte." Sie war mit 20 Kilo unterwegs, er noch mit etwas mehr, verteilt auf mehrere Fahrradtaschen. „Die dann jeden Abend ins Hotel zu schleppen, das war schon anstrengend." Und das Aus-dem-Koffer-leben habe man auch irgendwann satt.

Motivation gab die WhatsApp-Gruppe, in der Krey-Mengel jeden Abend einen Reisebericht an rund 50 Verwandte und Freunde schickte. „Das hat sich irgendwie so ergeben. Es ging darin mehr um Emotionen und weniger um Sehenswürdigkeiten, die uns auf der Fahrt begegnet sind. Alle haben mitgefiebert und angefeuert, das hat mir sehr geholfen."

Am 30. Mai, nach einer einmonatigen Reise mit nur drei Pausentagen, kam das Paar schließlich mit der Fähre in Alcúdia an. Selbstredend: Die letzte Etappe vom Hafen zur Ferienwohnung in Port Verd bei Costa dels Pins legte das Paar natürlich auch mit dem E-Bike zurück. „Und ehrlich gesagt sind die Radwege auf Mallorca vergleichsweise richtig schlecht", bewertet Ingrid Krey-Mengel.

Trotz aller Hindernisse: Bereut hat sie ihre Entscheidung im Nachhinein nicht - obwohl ihre Parkinson-Erkrankung, die sich während der Tour wenig bemerkbar gemacht hat, im Nachhinein schlimmer geworden ist. „Aber man fühlt sich stark, dass man so etwas trotz Behinderung schafft. Ich kann allen nur Mut machen, so etwas selbst zu wagen. Auch als Rentner oder Kranker sollte man sich Ziele setzen." Was ihr nächstes Ziel ist? „Das weiß ich noch nicht. Aber es findet sich bestimmt bald eine neue Herausforderung."