Hinweis: Dieser Text ist erstmals im Februar 2020 in der Mallorca Zeitung erschienen.

Auf Mallorca als Auswanderer glücklich zu werden, erscheint aus der Ferne als einfach und ist doch schwer. Viele streichen nach nur wenigen Jahren die Segel und ziehen zurück nach Deutschland. So meldeten sich im Jahr 2018 laut des balearischen Statistikinstituts Ibestat 1.598 Deutsche auf der Insel an, 1.016 verließen Mallorca im gleichen Jahr. Eine weitverbreitete Auswanderer-Weisheit besagt, dass wer auf der Insel fünf Jahre durchhält, hier auch langfristig glücklich werden kann. Wir haben acht langjährige Mallorca-Residenten gefragt, was ihr Geheimnis für das Inselglück ist.

Glück ist, draussen zu sein

Glück bedeutet anderen zu helfen: Uschi Berndt Sebastián Terrassa

Jedem der am Telefon Befragten war es zuerst einmal wichtig, in Sachen Glück über das hiesige Wetter zu sprechen. Machen wir uns nichts vor, die vielen Sonnenstunden, die milden Winter, das besondere Licht wirken auf uns Deutsche überaus anziehend. „Das Wetter saugt man richtig in sich auf", sagt Rentnerin Uschi Berndt (78), die mit ihrem Mann Wolfgang (81) seit 23 Jahren in Santa Ponça lebt. „Im Winter ist es schon viel früher hell als in Deutschland. So starten wir gleich glücklich in den Tag - ich glaube, das merkt man den Menschen hier auch allgemein an."

Uschi Berndt: „Glück bedeutet auch, anderen zu helfen"

„Ich könnte ohne das Meer nicht mehr leben" sagt Katharina Mariella Karasek (30). Sie besitzt ein Kosmetikstudio in Santanyí, 2007 ist sie nach Mallorca ausgewandert. Auf einer Skala von eins bis zehn ordnet sie ihr Glück mit einer Neun ein. Doch aller Anfang ist schwer. „Gerade wenn man frisch ankommt, muss man lernen, damit umzugehen, dass man selbst arbeiten muss, während andere am Strand faulenzen." Dafür habe man den Strand das ganze Jahr über vor der Haustür und die Besucher nur für ein paar Wochen. Da wir gerade Winter haben, freuen sich viele der Befragten darüber, dass sich das Leben auf der Insel auch im Winter draußen abspielt, ohne gleich mit Pudelmütze im Café sitzen zu müssen. Aber generell sei Mallorca keine Insel für Stubenhocker, heißt es immer wieder. Wer aktiv ist, dem wird eine gehörige Portion Glück mit auf den Weg gegeben.

Die Gesundheit im Mittelpunkt: Gordon Schier Nele Bendgens

Glück ist Gesundheit

Wie wichtig Gesundheit ist, weiß man im Laufe des Lebens immer mehr zu schätzen. „Ich habe drei Bypässe bekommen, alle wurden hier auf der Insel operiert", sagt Gordon Schier (58). Der Tierarzt wohnt seit 1997 mit seiner Familie in Colònia de Sant Pere. Er empfiehlt jedem zu seinem gesundheitlichen Glück auf Mallorca eine private Krankenversicherung abzuschließen, wegen der Wartezeiten im öffentlichen System. Aber auch dort finde man eine gute fachliche Qualität bei den Ärzten.

„Ich war acht Jahre lang auf Mallorca nicht einmal krank", sagt Marita Leisdorff (60), die 2011 auf die Insel gekommen ist und in einem Immobilienbüro in Palma de Mallorca arbeitet. Erst vor zwei Monaten habe es sie mit der ersten Grippe erwischt. „Das liegt vielleicht daran, dass ich angefangen habe, viel mit dem Bus zu fahren, da mein Auto kaputt ist. Ansonsten glaubt sie an die heilende Wirkung der Meeresluft.

„Wer alkoholkrank ist, sollte nicht herkommen, um sein Glück zu suchen."

„Wir haben ein wunderbares Klima, sowohl für diejenigen, die gesund sind, als auch für die, die krank sind", bestätigt auch Alice Weber (44). Sie ist in Inca die einzige deutsche Stadträtin auf der Insel. Auf der Glücksskala von eins bis zehn gibt sie sich sogar eine Elf.

Ganya Norina Ebele (42) strotzt vor Gesundheit. Ihr Glück liegt vor allem darin, an der frischen Luft mit Pferden zu arbeiten. Die Reitlehrerin lebt seit 2008 auf Mallorca und gibt auch Yoga-Kurse. „Ich meditiere viel und achte auf eine ausgewogene Ernährung." Das halte sie gesund.

Immer wieder kommt es vor, dass Auswanderer zu tief ins Glas schauen. „In meinem ersten Jahr habe ich sehr viel Alkohol getrunken, weil das Urlaubsfeeling hier so stark ist. Nach der Arbeit geht es an den Strand, man trinkt einen Mojito, die Mengen nimmt man gar nicht so wahr", berichtet Katharina Mariella Karasek von ihren Erfahrungen. Sie könne verstehen, dass hier nicht nur gescheiterte Existenzen dem Alkohol verfallen. „Wer alkoholkrank ist, sollte nicht herkommen, um sein Glück zu suchen", sagt Tierarzt Gordon Schier.

Stadträtin in Inca: Alice Weber Sebastià Terrassa

Glück ist Verständigung

„Wir haben uns die ersten zwölf Jahre weniger als Residenten, sondern vielmehr als Urlauber verhalten und den großen Fehler gemacht, uns fast ausschließlich mit Deutschen zu umgeben", sagt Jürgen Umland (68), der mit seiner Frau Monika seit 1996 auf der Insel lebt. Sie betreiben die Facebook-Gruppe „Cala Ratjada Insider". Ihr Glücksfaktor sei gestiegen, seitdem sie sich auch auf Spanisch verständigen können.

Sozusagen an der Schnittstelle dieses Glücks sitzt Jörg Humke, der die Sprachschule Die Akademie in Palma de Mallorca betreibt. Seit neun Jahren lebt er mit seiner Familie auf Mallorca. „Man muss Kontakt zu den Spaniern aufbauen", sagt er. Das gehöre zum Glück einfach dazu, weil es Selbstsicherheit gibt. Auch könne man so den Humor der Spanier verstehen lernen, der ein ganz besonderer sei.

Alle von der MZ befragten Zuwanderer sprechen mittlerweile Spanisch, einige, wie Alice Weber, die als 15-Jährige auf die Insel kam, und Ganya Norina Ebele auch Mallorquinisch. Wichtig sei es von Anfang an, ohne Scheu auf die Mallorquiner zuzugehen und zu sprechen. „Es muss nicht perfekt sein, aber dein Gegenüber sollte bemerken, dass du dich bemühst", sagt Jürgen Umland. „Der Schlüssel zur Integration ist die Sprache", weiß Ganya Norina Ebele. Sie wohnt in Sencelles und ist sehr glücklich darüber, im Dorfleben aufgenommen worden zu sein. Auch wenn das vielleicht eine Zeit lang dauern könne. Dann aber entstünden verlässliche Freundschaften, die für das Glück auf der Insel unabdingbar sind.

„Ich habe eine mallorquinische Freundin in Cala Ratjada, die ich regelmäßig besuche", sagt auch Marita Leisdorff. „Ich gehöre sozusagen in den Schoß der Familie", sagt sie. Pures Glück.

Und dann sind da noch die Glücksmomente, sich bei Behördengängen, Einkäufen und Erledigungen allein durchzuschlagen. „Es ist doch deprimierend, wenn man ständig auf fremde Hilfe angewiesen ist", sagt Katharina Mariella Karasek.

"Um hier oder woanders glücklich zu sein, muss man mit sich selbst zufrieden sein."

Glück ist eine Aufgabe

Glücklichsein ist auch eine Vorbereitungssache. „Ich habe, bevor ich ausgewandert bin, ein halbes Jahr auf Mallorca leben können, um meine Doktorarbeit zu schreiben", sagt Gordon Schier. So viel Glück muss man natürlich auch erst einmal haben. Aber das Ergebnis kann sich sehen lassen: „Ich habe noch nicht einen Tag hier bereut", sagt Gordon Schier.

Sich auf Mallorca auf die faule Haut zu legen, war für Uschi und Wolfgang Berndt keine Option. Sie engagierten sich von Anfang an im Lions Club Calvià, Uschi Berndt managte zwölf Jahre lang den „Charity Shop" des Clubs in Palmanova, wo sie heute noch aushilft. Dort werden Spenden gesammelt. „Glück bedeutet auch, anderen zu helfen", sagt sie. Durch ihre Arbeit hat sie auch die Schattenseiten Mallorcas gesehen. Es gebe viele Familien auf der Insel, denen es am Nötigsten fehle. „Geld allein macht nicht glücklich. Aber es hilft in manchen Situationen", sagt Uschi Berndt.

„Die Höhe des Gehalts sagt nichts darüber aus, wie glücklich ich bin", sagt Alice Weber, Mutter zweier Söhne. Es sollte aber schon bis zum Ende des Monats reichen und ermöglichen, dass die Kinder ihren Hobbys nachgehen können. Wichtiger als die Höhe des Gehalts sei, dass das Geld regelmäßig und nicht nur zur Hochsaison reinkommt.

„Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich in Palma de Mallorca ganzjährig einen Job habe", sagt Marita Leisdorff. In ihrem Büro werden Immobilien und Yacht-Charter angeboten. „Und ich bin stolz darauf, mich hier durchgeboxt zu haben", sagt sie. Nach der Trennung ihres Partners vollständig auf den eigenen Füßen zu stehen, sei der Moment gewesen, in dem Mallorca nicht nur ein Glück verheißender Ort zum Leben, sondern zur Heimat geworden sei. Um im Arbeitsleben glücklich zu werden, sollte man seine bisher erlernten Fähigkeiten auch einsetzen, lautet eine weitere Erkenntnis von Gordon Schier. „Ich hatte das Glück, als Tierarzt vom ersten Tag an arbeiten zu können. Berufsaussteiger, die hier ihr Glück in einer völlig neuen Branche suchen, fallen meist auf die Nase."

Glück ist Abwechslung

„Ich bin jetzt 13 Jahre hier und entdecke bei meinen Ausflügen immer noch etwas Neues", sagt Katharina Mariella Karasek. Falls doch einmal der Inselkoller droht, helfen ihr Reisen aufs spanische Festland, was dank des Residentenrabatts nicht allzu sehr zu Buche schlägt. „Einmal im Monat fliege ich aufs Festland oder auf eine andere Balearen-Insel", sagt Katharina Mariella Karasek. Mittlerweile wohnen auch ihre Eltern auf der Insel, sodass sie kaum noch nach Deutschland fliegt.

"Berufsaussteiger, die hier ihr Glück in einer völlig neuen Branche suchen, fallen meist auf die Nase."

Marita Leisdorff gönnt sich zur Weihnachtszeit einen Besuch in ihrer Heimatstadt Hamburg. „Was ich auf Mallorca vermisse, sind die intensiven Gerüche auf den deutschen Weihnachtsmärkten. Glühweintrinken macht nun einmal nur bei frostigem Wetter Spaß", sagt sie. Wie oft man dabei nach Deutschland fliegt, müsse jeder für sich entscheiden.

Jürgen Umland ist in den 90er-Jahren bis zu 40 Mal im Jahr zwischen Köln und Palma hin- und hergeflogen, auch aus geschäftlichen Gründen. Mittlerweile fliegt er zehn Mal pro Jahr in die alte Heimat, um Verwandte zu besuchen.

Glück ist im Innern

Als glücklicher Einwanderer muss man einen großen Teil des Glücks auch schon mitbringen. „Ich glaube nicht daran, dass man sein Glück einfach so hier findet", sagt Ganya Norina Ebele. Glück sei nichts, dass von außen kommt, sondern im Inneren zu finden. „Es geht um Eigenverantwortung, Selbstliebe und auch darum, an seinem Glück zu arbeiten."

In Cala Ratjada bekannt: Jürgen und Monika Umland Foto: Sophie Mono

„Um hier oder auch woanders glücklich zu werden, muss man mit sich selbst zufrieden sein", bilanziert auch Alice Weber. „Wenn das Heimweh zu lange dauert, sollte man sich überlegen, ob der Glücksort nicht doch woanders liegt."

Glück ist hier und jetzt

„Je länger man hier ist, desto mehr ist man bereit, die Gegebenheiten zu akzeptieren", sagt Jürgen Umland. Sozusagen im „Hier und Jetzt zu leben", wie das viele Selbstfindungsbücher empfehlen. „Man sollte niemals einen direkten Vergleich mit Deutschland ziehen", warnt er noch. „Wir sind nicht hier, um andere zu kritisieren." Diesen Fehler hat zum Beispiel der Ex-Lebenspartner von Marita Leisdorff begangen. „Er hat es nie verstanden, die hiesigen Lebensumstände zu akzeptieren", sagt sie. Im verflixten fünften Jahr war Schluss.

„Wir sind nicht hier, um andere zu kritisieren."

Jörg Humke ist sich sicher, Mallorca nicht wieder verlassen zu wollen. Seit neun Jahren erlebt er noch Glücksmomente, wenn er ganz einfach im Auto sitzt, von Santa Ponça nach Palma de Mallorca fährt und die untergehende Sonne die Berge beleuchtet. „Dann werde ich mir wieder bewusst, was für ein Glück ich habe, hier zu leben."

Immer glücklicher wird sogar Katharina Mariella Karasek. „Man muss immer wieder, wie die Spanier selbst, tranquilo bleiben, wenn die Uhren mal wieder anders ticken wie in Deutschland."

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Uschi und Wolfgang Berndt haben ihre Wohnung in Santa Ponça verkauft und wohnen jetzt zur Miete. „Wir bleiben hier, solange es uns gesundheitlich gut geht. Aber uns ist auch klar, dass wir eines Tages zurück nach Deutschland ziehen." Darum ist sie für jeden Tag glücklich, den sie mit ihrem Mann auf der Insel verbringen kann.