Jedes Jahr im Juni zur Sommersonnenwende treffen sich auffallend viele Blondschöpfe am Strand von Can Pastilla. Sie rammen einen mit grünen Blättern dekorierten Pfahl in den Sand, den Midsommarstång. Anschließend schmücken sie ihn mit Blumen, jemand holt eine Gitarre hervor, und alle tanzen um den Stamm herum und singen schwedische Volkslieder. „Mittlerweile haben sich die meisten Mallorquiner und Urlauber daran gewöhnt", sagt Fredrik Thomander, der bei den Treffen meist die Gitarre spielt. Nur einige, die würden noch komisch gucken.

Für die Schweden ist das Mittsommerfest nach Weihnachten das zweitwichtigste Fest des Jahres. Warum sich die hiesige Gemeinde ausgerechnet in Can Pastilla trifft, weiß heute kaum noch jemand zu sagen. „Irgendjemand hat damit angefangen, und es ist zu einem Brauch geworden", sagt Fredrik Thomander. Der 48-jährige Schwede betreibt gemeinsam mit dem Easyjet-Chef Johan Lundgren im ­Viertel Son Dureta das Palma Music Studio (MZ berichtete). Thomanders Frau Lena leitet den mit 50 Mitgliedern größten schwedischen Chor auf der Insel. Beide wohnen seit 2014 auf Mallorca.

Sie sind Teil der schwedischen Gemeinschaft auf der Insel. Rund 14.000 Schweden sollen mehr oder weniger dauerhaft auf der Insel leben. „Viele pendeln", sagt Fredrik Thomander. Wie auch die Deutschen würden viele ein Ferienhaus auf der Insel haben. „Oder sie arbeiten von hier." Schweden seien sehr technikaffin und hätten auch schon vor der Coronakrise viel übers Internet gearbeitet. Auch wenn sein Studio für Bands und Sänger derzeit geschlossen ist, kann Fredrik weiter Songs für seine Klienten schreiben und diese übers Netz verschicken.

Übers Internet halte die Community auch zusammen, Probleme und Tipps tausche man über Facebook-Gruppen aus. Die größte heißt „Svenskar på Mallorca" und hat 12.502 Mitglieder. „Darüber verabredet man sich und hilft sich auch gegenseitig, wenn es Probleme mit den Behörden gibt", sagt Fredrik. Eine der größten hiesigen Gruppen der Deutschen, die „Cala Ratjada Insider", hat mit 23.137 Mitgliedern zwar deutlich mehr, befasst sich aber hauptsächlich mit (Urlauber-)Themen aus dem Osten der Insel.

Gruppen wie „Mallorca 2020" mit 36.124 Mitgliedern sind eher touristisch ausgelegt. Fredriks Frau Lena mag auch die Gruppe „Swea Mallorca". „Swea" steht für „Swedish Women's Educational Association", eine in 30 Ländern aktive Vereinigung, die sich um die Bildung von Frauen bemüht und seit 40 Jahren kulturelle Arbeit leistet, ähnlich dem deutschen Goethe-Institut, das in Palma mit dem Kulturzentrum Casa Planas zusammenarbeitet.

Was vereint oder trennt die deutsche und schwedische Gemeinschaft auf der Insel noch? „Die Schweden integrieren sich gern", sagt Lena Thomander. Das gelte vor allem für die jüngere Generation, von denen auch viele schon gut Spanisch sprechen können. Die ­Älteren blieben eher unter sich, sind der Insel aber treu. „Bei den Jüngeren kommen viele für ein, zwei Jahre und ziehen dann weiter", so Lena Thomander. „Ich glaube, die Deutschen und die Schweden leben in ihren eigenen ­Blasen", sagt Fredrik Thomander. Besonders viel bekomme er von den Deutschen nicht mit. Er habe aber gehört, dass die Deutschen gerade viel Toilettenpapier bunkern. „Das ­machen die Schweden auch", sagt er.

Olivia Lodeiro leitet den einzigen schwedischen Supermarkt in Palma. Bei ihr im ­Carrer Barón Santa María del Sepulcro, 9a, ­können die Landsleute schwedische Hafer­kekse, schwedische Butter, Lakritz, Hering oder schwedische Pastete kaufen, mehr als 200 Produkte bietet sie an. Wie in allen Supermärkten läuft ihr Geschäft gerade sehr gut. Da sie aber erst vor drei Wochen eröffnet hat, kann sie nicht sagen, ob das krisenbedingt sei. Hamsterkäufe hat es bei ihr nicht gegeben. „Was die Schweden in der Krise auszeichnet, ist, dass sie nicht in Panik geraten." Abgesehen vielleicht von ein paar Vorratseinkäufen. Die Landsleute, die bei ihr einkaufen, hielten nun Abstand, seien generell etwas vorsichtiger. Lena Thomander war bei Olivia Lodeiro noch nicht shoppen, will dort aber auf jeden Fall eine Packung Köttbullar kaufen, die typisch schwedischen Fleischklösschen. „Die Besten gibt es bislang bei Ikea", sagt sie.

Big Player

Seit 1992 gibt es Ikea auf Mallorca. Die schwedische Familie Anders und Ulla Alm führt die Geschäfte als ein Franchise-Unternehmen. ­Außerdem betreibt sie mit der Gruppe Sarton Canarias weitere Filialen auf Gran Canaria, Teneriffa, Palma, Lanzarote, in der Dominikanischen Republik und in Puerto Rico. „Ich glaube, Ikea auf Mallorca war eines der ersten Franchise geführte Filialen des Unternehmens", sagt Fredrik Thomander. Er und sein Frau kennen das Besitzerpaar, das sehr viel Wert auf ­Diskretion legt.

Ein weiterer Name, der einem bei den großen Machern der Insel schnell in den Sinn kommt, ist der des schwedischen Paars Mikael und Johanna Landström. Seit 1999 betreiben beide das Hotelrestaurant Portixol, das Gebäude habe beim Kauf beinahe in Ruinen gelegen, erzählen sie. Heute vereint Mikael Landström mit der Gruppe Portixol das Hotel Espléndido in Sóller, das Valluga Hotel in St. Anton, den Palma Sport & Tennis Club, den Legends Cup - der vom 20. bis 27. Juni nach 18 Jahren wieder ein ATP-Turnier auf der Insel austragen will. Und zu Mikael Landström gehört auch der Yachtverleih Falcao Uno.

Ein sehr präsentes Unternehmerpaar sind auch Klas Kall und Barbara Bergmann mit ihrem Einrichtungshaus Rialto Living. Mit der größten schwedischen Galerie tun sich Pärnilla und Stefan Lundgren hervor, die 2011 ihre Lundgren Gallery in Palma gegründet haben.

Treffpunkte

Für viele Schweden ein Grund, mit ihren Kindern auf die Insel zu ziehen, sei auch die ­schwedische Schule, die Svenska Skolan im ­Terreno-Viertel. „Sie ist ein wichtiger Treff­punkt für die Schweden", sagt Lena ­Thomander. ­Eigentümer der Villa Schembri ist seit 2009 ebenfalls ­Mikael Landström. Bis die deutsche Schule Euro­campus 2016 auf das Klostergelände an die Playa de Palma zog, war auch sie in der Villa ansässig. Annica Lindgren hat zwischen 2009 und 2016 an der schwedischen Schule als ­Design-Lehrerin gearbeitet. „Als ich anfing, gingen dort 48 Kinder zur Schule. Als ich gewechselt habe, waren es 140."

Wichtig für die Gemeinde sei auch die schwedische Kirche. Geleitet wird sie von ­Carina Hillgren (51). Jeden Sonntag (zzt. ausgesetzt) findet ab 11 Uhr ein Gottesdienst statt. Zwei Pfarrerinnen betreuen derzeit die Gemeinde. „Wir besuchen Kranke in den Hospi­tälern, es gibt Bastelstunden für Kinder, wir ­beraten bei allerlei Problemen und helfen mit ­einem bocadillo aus der Cafeteria oder einer ­Dusche aus", sagt Carina Hillgren. Die Kirche organisiert auch das weihnachtliche Luciafest in der Kathedrale und den jährlichen schwedischen Weihnachtsbasar im November. „Im letzten Jahr wurden an dem Wochenende 300 Liter Glühwein ausgeschenkt, den mögen besonders die Deutschen", so Hillgren. Gerade steht ein schwieriges Projekt an, das wegen des Coronavirus auf unbestimmte Zeit verschoben ist. „Wir ziehen mit der Kirche vom Keller ins Erdgeschoss um." Die Adresse Carrer Joan Miró, 113, bleibe aber gleich.

Die Schweden auf der Insel wollten vor allem gute Nachbarn sein, sagt Lehrerin Annica Lindgren; „So wurden wir als Kinder erzogen, wir wollen niemanden stören." Und mit solchen Nachbarn lässt es sich doch gut leben.