Aus den Feldwegen der Zufahrtsstraßen nach Colònia de Sant Jordi im Süden von Mallorca kommen immer wieder Polizeiwagen. Im Ort selbst kreist ein Militärflieger dicht über den Häuserreihen. Polizisten halten eine Frau an, die mit ihrem Hund spazieren geht. Sie wohnt direkt an der Promenade, darf dort aber nicht unterwegs sein. Ein paar Bauarbeiter sind in einem Haus an der Platja d'es Molí de s'Estany zugange, das benachbarte Hotel Marqués liegt verlassen da. Der Strand selbst liegt am Donnerstag (23.4.) verlassen da. Die Vögel zwitschern, als hätten sie dort schon immer allein für die Geräusch­kulisse gesorgt. Kein Wellenrauschen, keine sich unterhaltenden Urlauber, kein Restaurantbetrieb.

Zurück im Ort lugt Juan Carlos Pérez über sein Balkongeländer. „Colònia de Sant Jordi ist wie ausgestorben", bestätigt er. „2019 und in den Jahren zuvor waren zu dieser Zeit schon viele Urlauber da." Der Uruguayer lebt seit 13 Jahren in Colònia und arbeitet bei einem Autoverleih. Er hat Hoffnung, dass das Geschäft, dessen Hauptkunden Deutsche und Briten sind, im Juli oder August den Betrieb wieder aufnehmen kann. Mit vielen Kunden sei er mittlerweile befreundet, einige hätten ihn kontaktiert. „Ein Freund aus Deutschland hat mich kürzlich gefragt, ob ich glaube, dass sie per Schiff anreisen können", erzählt der 64-Jährige. „Es tut mir sehr leid, dass sie nicht kommen können." Er selbst sei in einer privilegierten Lage: „Meine Wohnung liegt gut, ich habe einen Balkon mit schöner Aussicht und es ist sehr ruhig hier." Wie zur Bestätigung

spaziert wenig später auch noch ein Hahn über die Fahrbahn.

Weiter nach Ses Covetes. Statt Chaos auf den Zufahrtsstraßen und langen Staus wie im Hochsommer ist man auf dem Weg dorthin mutterseelenallein - ein eigenartiges Gefühl. Vor Ort kommen wir mit Toni Casas ins Gespräch. Er lebt einen Großteil des Jahres in

einem der traditionellen Strandhäuser der Siedlung und verbringt die Quarantänezeit hier. Die Stimmung unter den schätzungsweise 20 Bewohnern von Ses Covetes sei sehr familiär. Mit den Nachbarn habe er sogar ein wenig Sozialleben, natürlich auf Distanz. „Es fühlt sich an, als wäre Winter, aber mit besserem Wetter", sagt Casas.

Die Ortspolizei von Campos hat Plastikbänder gespannt, um den Zugang zu den beliebten Stränden zu verwehren. Aus der Ferne zu erkennen, ist, dass noch viel Poseidongras am Ufer liegt - ein Zeichen dafür, dass das Ökosystem funktioniert. Das von dem zu dieser Jahreszeit noch aufgewühlten Meer angeschwemmte Seegras schützt Sand und Dünen.

Unter den wenigen Bewohnern von Ses Covetes sind „gezwungenermaßen" in diesem Jahr auch Melania Cerda und Juan Díaz. Die

28-Jährige und der 42-Jährige, beide Mallorquiner, hatten im Dezember ihre Wohnung in Palma de Mallorca gekündigt und sich für einen neuen

Lebensstil entschieden: mit einem umgebauten Transporter übers spanische Festland und durch Europa reisen. „Wir waren kurz davor, die Insel zu verlassen. Unsere Abreise hat sich aber verzögert, da wir an dem Transporter noch die Bremsen reparieren lassen mussten. Da uns der Süden der Insel sehr gefällt, wollten wir noch eine Woche hier haltmachen und die Strände genießen, bevor der große Urlau-

beransturm kommt", erzählt Juan Díaz.

Dann kam die Ausgangssperre. Seither sitzt das Paar in Ses Covetes fest, der Transporter ist in einer Stichstraße zum Meer hin geparkt, und Urlauber gibt es keinen einzigen. „Es ist schön, aber gleichzeitig auch frustrierend. Wir sind 100 Meter vom Strand entfernt und können nicht dorthin", erzählt Melania Cerda. Die Anwohner hätten Hilfe angeboten, ein Nachbar stellt ihnen etwa Wasser zur Verfügung. „Sogar die Polizei, die uns angehalten hat, als wir auf dem Weg zum Einkaufen nach Campos waren, oder öfter mal hier im Ort vorbeischaut, ist verständnisvoll", so Juan Díaz. Sie müssten trotz Verbot zu zweit unterwegs sein, schließlich ist der Transporter auch ihr Zuhause.

Letzte Station Sa Ràpita. Auch hier patrouilliert ein Polizeiwagen. Im Yachthafen werkeln ein paar Arbeiter an einem Schiff. An dem Kreisel zum Strand treffen wir Antonio Amengual. Er lebt in S'Estanyol und arbeitet trotz Corona-Krise weiterhin in Sa Ràpita als Gärtner. Auch er vermisst die Urlauber, die in dieser Jahreszeit schon mit ihren Rädern an der Promenade entlangfahren würden, wie er sagt. Selbst damals während der Wirtschaftskrise seien noch welche gekommen. „So etwas wie jetzt habe ich noch nie erlebt. Ich will endlich wieder Normalität zurück", so der 52-Jährige. Als Spanier sei er es gewohnt, viel Zeit im Freien zu verbringen, auf Terrassen zu sitzen, auswärts zu essen. „Ich habe so unglaublich Lust, ein bisschen am?Meer spazieren zu gehen, das könnt ihr euch gar nicht vorstellen", sagt er.