Als Miki Jaume eines der Werbevideos für das Port Adriano Music Festival auf Mallorca auf seinem Handy abspielt, wirkt der offenherzige Mann mit den langen blonden Locken plötzlich bedrückt. Er und die anderen Veranstalter, das versuchen sie in dem eineinhalbminütigen Clip zu beweisen, tun alles, um potenziellen Konzertbesuchern zu zeigen: Bei uns seid ihr trotz ­Corona sicher.

Ob Abstandsmarkierungen auf dem ­Boden, ausgeklügeltes Einlasssystem, Begleitung der Gäste bis zu ihren Sitzplätzen, Bedienung an den mit Abstand aufgestellten Stühlen oder verstärktes Sicherheitspersonal: Das Vertrauen der Menschen zu gewinnen, sei eine sehr große, vielleicht sogar zu große Herausforderung, gibt Miki Jaume zu verstehen. „Nur diejenigen, die einen Künstler unbedingt sehen wollen, werden in diesem Jahr auch kommen", sagt er. „Bei einem Konzert nicht tanzen, sich umarmen und in die Luft springen zu können, sondern stattdessen mit Maske und Abstand zu den Nachbarn auf einem Stuhl zu sitzen, ist eben nicht das gleiche Erlebnis. Allenfalls für Besucher von Jazz-Konzerten ändert sich nicht so viel."

Miki Jaume arbeitet als Veranstalter in dem im Gewerbegebiet von Marratxí ansässigen mallorquinischen Familienunternehmen Trui. Als Marktführer ist er an der Organisation des Port Adriano Music Festival ebenso beteiligt wie am Mallorca Live Festival, an großen Konzerten auf dem teils hauseigenen Veranstaltungsgelände Son Fusteret, an dem Dreikönigsumzug in Palma, dem Oktoberfest im Pueblo Español, der Boatshow oder dem Tennisturnier Mallorca Open in Santa Ponça. Er engagiert die Künstler, plant das Programm oder stellt audiovisuelles Equipment oder LED-Leinwände zur Verfügung.

Absagen, erstatten, ändern

In den vergangenen Monaten allerdings war der 37-Jährige vor allem damit beschäftigt, Großveranstaltungen abzusagen - etwa Konzerte mit bis zu 9.000 Besuchern in Son Fus­teret -, bei kleineren Events umzudisponieren, das Geld für bereits gekaufte Tickets zurückzuerstatten und für die auf das Jahr 2021 ­verschobenen Veranstaltungen neue Konditionen mit den Zulieferern auszuhandeln.

„Die Prognosen für die diesjährige Saison waren hervorragend. Wir hatten jede Menge Aufträge für Events, Shows in Hotels oder Kongresse. Unser Unternehmen war auf Wachstumskurs", erzählt Miki Jaume. Erst im Januar hatte Trui etwa unter dem Namen „Trui Augusta Club" mit dem Kino Sala Augusta eine neue Zusammenarbeit begonnen. Mike Jaume wollte mitten im Zentrum der Balearen-Hauptstadt regelmäßig kulturelle Veranstaltungen anbieten.

Dann aber kam Corona. Noch bevor in Spanien der Alarmzustand ausgerufen wurde, entschied Miki Jaume am 11. März, die Vorführungen, die an jenem Wochenende im Trui Teatre im Stadtviertel Son Rapinya hätten stattfinden sollen, abzusagen. „Zu diesem ­Zeitpunkt war die Lage, etwa in Italien, schon deutlich schlimmer. Wahrhaben, was da womöglich auf uns zukommt, wollten wir dennoch nicht", erinnert sich der aus Bunyola stammende Veranstalter.

Schon wenige Tage später musste Trui 80 seiner 90 Mitarbeiter in Kurzarbeit ­schicken. „70 von ihnen sind Techniker oder Installateure", so Jaume. Sie konnten während der Ausgangssperre nicht arbeiten. Auch heute noch sind die verfügbaren Mitarbeiter mehr als überschaubar. Auch Miki Jaumes Mutter und seine beiden Geschwister gehören dazu. Der Vater, der das Unternehmen 1978 gegründet hat, ist mittlerweile in Rente.

„Eine Achterbahnfahrt"

„Die vergangenen Monate waren wie eine Achterbahnfahrt", erzählt der Mallorquiner, der Woche für Woche gespannt die Entscheidungen der balearischen, der spanischen und weiterer Regierungen mitverfolgte. Selbst nach Ende des Lockdowns ging das Engagement von Künstlern, die erst aus dem Ausland oder vom Festland anreisen mussten, mit einem hohen Risiko einher. Wer darf aus diesem Land überhaupt ausreisen, wer muss nach der Rückkehr in Quarantäne? Auch mit den spanischen Künstlern gab es Probleme. Die Band „Hombres G" etwa sagte plötzlich ihre Tour ganz ab, womit auch das Konzert beim Port Adriano Music Festival geplatzt war.

Letztlich können dieses Jahr nur etwa zehn Prozent der Veranstaltungen stattfinden, die Trui für 2020 geplant hatte. Übrig blieben bei den Aufträgen neben dem Port Adriano Music Festival oder Konzerten anlässlich des Mallorca Live Festival (jeweils mit deutlich reduzierter Besucherzahl), das Freiluftkino in einigen Gemeinden, ein Autokino in Sóller oder die Technik von kleineren Aufführungen bei den abgespeckten Dorffiestas. Ende August soll

zudem ein Konzert des spanischen Sängers und Musikers Pablo López in Inca stattfinden - wenn denn alles klappt.

„Kulturelle Veranstaltungen sind derzeit mit die sichersten Orte, die es gibt", sagt Miki Jaume fast trotzig. Es sei viel weniger riskant, eine Veranstaltung zu besuchen, bei der professionelle Veranstalter dafür sorgen, dass in jedem Moment der Sicherheitsabstand gewahrt wird und alle eine Maske tragen, als sich irgendwo anders aufzuhalten, wo sich viele Menschen an einem Ort befinden, findet Miki Jaume. Dennoch hätten die Menschen, so seufzt er, vor einem Konzertbesuch merkwürdigerweise mehr Angst.

Von der Regierung fühlt sich Jaume im Stich gelassen. „Spaniens Kultursektor ist, etwa im Vergleich zu Deutschland, wenig geschützt. Oder wie kann es sein, dass immer mehr kulturelle Veranstaltungen abgesagt werden müssen und die Regierung die Leute weiterhin, oft ohne Sicherheitsabstand oder Kontrollen, in Außenbereichen von Bars und Restaurants sitzen lässt?"

Kein Oktoberfest

Sein Team und er arbeiten weiter daran, kleinere Events an die strengen Sicherheitsvorgaben anzupassen und attraktive und sichere Lösungen zu finden, um noch zögernde Besucher zu überzeugen. Das bei vielen Deutschen, aber auch Einheimischen beliebte Oktoberfest wird es in diesem Jahr, zumindest von Trui-Seite aus, dennoch nicht geben. „Die Kosten für die Organisation sind hoch, und seitens der Rathäuser in Palma oder Santa Ponça besteht kein Interesse. Neben Residenten kommen zudem jedes Jahr viele Touristen, die bei der diesjährigen Ausgabe wohl ausbleiben würden", sagt Miki Jaume.

Er habe gehofft, dass im kommenden Monat die Hälfte der Mitarbeiter wieder zurückkommen kann. „Leider sehen die aktuellen Zahlen eher nicht so aus, als ob das klappen würde", sagt Miki Jaume. „Sie sagen für mich eher, dass wir auf 2021 hoffen müssen."