Es waren die frühen 60er-Jahre, als sich Weltstars wie Marlene Dietrich, Frank ­Sinatra oder Josephine Baker buchstäblich die Klinke in einem der angesagtesten Nachtclubs Europas in die Hand gaben. Später waren es Grace Kelly, Kirk Douglas, John Lennon, Yoko Ono oder auch Liz ­Taylor und John Travolta. Wer etwas auf sich hielt, ließ sich im Tito's am Paseo Marítimo sehen und feierte in illustrer Runde hoch oben über Palmas Hafen. Auch, wenn das bereits 1923 eröffnete Tito's zuletzt an Glanz vergangener Tage verloren hatte, galt der Club bis zuletzt als die erste Adresse für alle Nachtschwärmer. Bis das Coronavirus auch die knapp 100 Jahre alte Institution in die Zwangspause schickte, nachdem sämtliche Nachtlokale und Diskotheken auch auf Mallorca schließen mussten.

Teil des Cursach-Imperiums

Für das Tito's könnte dies gar das endgül­tige Ende bedeuten. Seit einigen Wochen steht der Club zum Verkauf. Für 16,5 Mil­lionen Euro will Mallorcas Nachtclub-Unternehmer Bartolomé Cursach - neben ­weiteren Lokalen seines Imperiums - den Tanztempel loswerden. Ob in diesen Zeiten jemand eine solche Summe auf den Tisch legt, ist ebenso ungewiss wie, ob das Tito's dann als Club weiterbestehen kann. In der Anzeige eines Immobilienportals wird damit geworben, dass sich die Immobilie mit dem „bekanntesten Nachtclub des Mittelmeerraums" aufgrund der hervorragenden Lage auch als Hotel eignen würde.

Vorbei wären dann die Zeiten, in denen sich die Nachtschwärmer mit den glä­sernen Fahrstühlen an der Außenfassade der Diskothek in die Glitzerwelt aus wummernden Beats, pompösem Glamour und ­prickelnder Erotik befördern ließen. Vorbei wären die Zeiten, in denen Touristen und immer jüngere Einheimische gleichermaßen für einige vergnügliche Stunden ab­tauchen konnten, um bei Musik, Tanz und reichlich Drinks nach dem Prinzip „Sehen und gesehen werden" zu flirten, zu tanzen und abzufeiern. Schon einmal - während der Finanzkrise - hatte sich die Cursach-Gruppe von ihren Diskotheken bis auf den Megapark trennen wollen. Doch wollte niemand Ende der Nullerjahre rund 80 Millionen Euro investieren. Ob es diesmal klappt?

Vom Italiener zum Russen

Dass sich sein einstiges Lokal einmal zu dem entwickeln würde, was es zuletzt war, hätte sich Tito Cungi im Jahr 1923 wohl kaum erträumen lassen. In jenem Jahr eröffnete der Italiener an der Plaça Gomila sein Restaurant. Die Besonderheit damals: Zu Pasta und Pizza wurde schon damals reichlich „O sole mio" geträllert, was die Gäste zum Tanzen animierte. Und das ­Konzept kam an: Nach zehn Jahren wurde umfassend renoviert, und nach der Neueröffnung am 20. Februar 1934 war Tito ­Cungi fortan häufiger an ­seinem Klavier zu finden als in der Küche. Wer etwas auf sich hielt, kam zu Tito, der vor allem die weiblichen Gäste allzu gern mit Küsschen und Umarmungen begrüßte. Mitunter herrschte so starker Andrang, dass insbesondere auf der Meerblick-­Terrasse kaum ein Tisch zu bekommen war. Gefeiert wurde fast jeden Tag bis in die ­frühen Morgenstunden.

Wahrscheinlich wäre es ewig so weitergegangen, hätte der Bürgerkrieg 1936 dem bunten Treiben kein so jähes Ende gesetzt. 21 Jahre dauerte es schließlich, bis 1957 mit dem Russen Nikita Magaloff ein neuer Besitzer dem Tito's neues Leben einhauchte. Unter dessen Direktor Antonio Ferrer erlebte das Lokal auf: die Männer im Smoking, die Damen im eleganten Abendkleid, mit dem Glas Champagner in der Hand - so präsentierte sich das neue Tito's fortan und lockte damit die schon erwähnten Weltstars an. Schnell gehörte der Festsaal zu den wichtigsten Auftrittsorten Europas. Die Stars kamen direkt vom Lido in Paris nach Mallorca, um hier zu feiern.

Als John Travolta in den 70ern das Saturday Night Fever verbreitete, wandelte sich allmählich auch die Musik im Tito's. Im Festsaal, in dem damals rund 1.000 Personen Platz fanden, traten zu dieser Zeit spanische Künstler wie Lola Flores, Alberto Cortez, Rocío Dúrcal und Camilo Sesto auf. Doch der Trend hin zum Disco-Betrieb ließ sich nicht mehr aufhalten.

Zutritt fürs Partyvolk

1985 wurde das Tito's kurzzeitig geschlossen, um es schließlich umfassend zu modernisieren. Der Eingang, der bis zu diesem Zeitpunkt noch an der Plaça Gomila lag, wurde mit der Anschaffung der gläsernen Fahrstühle an den Paseo Marítimo verlegt, und auch die übrige Fassade erhielt ein komplettes Facelifting. Im Inneren wandelte sich der einstige Festsaal in eine spacige Disco mit mehreren Dancefloors. Zum ­neuen Markenzeichen unter dem neuen Besitzer ­Bartolomé Cursach wurden die Go-go-­Tänzerinnen und -Tänzer, die leicht bekleidet und mit durchtrainierten Körpern die Menge zum Tanzen animierten. Und das mit Erfolg. Mit Partys, Fashion- und Casting-Events sowie DJ-Auftritten und Burlesque-Shows sprach man fortan ein neues, jüngeres Publikum aus Einheimischen und Touristen an. Ein Konzept, das bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie funktionierte.

Ob das Tito's jemals wieder öffnet, ist ungewiss. Die Cursach-Gruppe kündigte bereits an, dass man sich durchaus vorstellen könnte, den Betrieb wieder aufzunehmen - sollte der Verkauf nicht klappen und sollten die Voraussetzungen nach dem Nachtleben-Lockdown es wieder ermög­lichen. Tito Cungi würde es sicher freuen.