Es gibt Dinge, die kann und will man sich beim besten Willen nicht vorstellen. Bayern ­München auf dem letzten Tabellenplatz beispielsweise. Nullprozentigen Jägermeister im Supermarktregal. Eine Ladekabelbuchse am Ferrari. Oder Alejandra Burgos, wie sie auf ­einer Parkbank übernachtet.

Gerade Letzteres scheint beim Anblick der Argentinierin und ihrem nicht gerade nach Obdachlosigkeit aussehenden Look ein Ding der Unmöglichkeit. Dennoch schlief die heute 37-Jährige auf Mallorca beheimatete Rock- und Blues-Sängerin, die in den vergangenen Jahren als Solistin oder mit ihrer Band Fyre! durch halb Europa tourte und an der Seite internationaler Superstars wie Alice Cooper oder Anastacia auf der Bühne stand, schon einmal mutterseelenallein unter den Sternen in Palmas Stadtpark Sa Feixina. Wie konnte es nur dazu kommen?

Alejandra Burgos wurde 1983 als jüngste von vier Schwestern in einem Vorstadtviertel von Buenos Aires geboren. „Mein Vater war ­leidenschaftlicher Musiker, der mir mit acht Jahren das Gitarrenspiel beibrachte." Und damit eine bis heute lodernde Flamme in seiner Tochter entfachte. „Songs von den Beatles, ­Janis Joplin, Jimmy Reed oder den Tempta­tions inspirierten mich als Kind und später als Teenager dazu, sie nachzuspielen. Sie waren aber auch Anstoß dafür, eigene Musik zu komponieren", erzählt die Argentinierin mit einer Stimme, so wunderschön verrucht und rauchig wie Hans Albers, damals auf der Reeperbahn nachts um halb eins.

Mechanikerin oder Musikerin?

Zusammen mit ihrem Vater Ariel und befreundeten Musikern begann Alejandra als Heranwachsende, am Wochenende in kleineren Pubs und Konzertbars von Buenos Aires aufzutreten, später tourte die Band sogar wochenlang durchs ganze Land. „Ich hatte damals zwar eine Ausbildung als Mechanikerin an­gefangen, brach sie aber irgendwann ab, weil mir einfach klar geworden war, dass ich als ­Musikerin leben wollte. Alles andere ergab keinen Sinn."

So tingelte Burgos weiter als Rocksängerin und Gitarristin durch die Heimat. Häufig auch allein, ein selbst für eine Powerfrau wie sie nicht ganz ungefährliches Unterfangen. Und obendrein nur wenig lukrativ. „Mein Credo ist, stets an das zu glauben, was man sich vorgenommen hat. Egal, wie schwierig die Lage auch gerade aussehen mag: Im Leben fügt sich alles, wie es kommen soll", sagt sie.

Und es sollte sich fügen. Eine ihrer Schwestern, die zuvor bereits nach Spanien, auf eine kleine unbekannte ­Insel im Mittelmeer, ausgewandert war, rief die mittlerweile 20 Jahre alte Alejandra an, und schwärmte ihr die Ohren voll. Unter anderem von der Leichtigkeit, mit der man dort als ­Musikerin Geld verdienen könne. „Das klang gut", erinnert sich Burgos. Als sich ihre ­Schwester auch noch bereit erklärte, das Ticket nach Palma zu spendieren, packte sie die Koffer.

„Mallorca und sein kosmopolitisches Ambiente haben mich auf Anhieb fasziniert. ­Natürlich war es anfangs, allein wegen der ­bürokratischen Hürden, nicht einfach, Fuß zu fassen." Auch die Möglichkeit, einen Auftrag als Sängerin oder Gitarristin zu bekommen, war schwieriger als gedacht. „Unabhängigkeit ist mir sehr, sehr wichtig. Ohne eigene Mittel, also unter der Fürsorge von jemandem anders zu leben, fällt mir extrem schwer", so ­Alejandra. „Nach ein paar Wochen und erfolglosen Versuchen, Geld zu verdienen, erzählte ich meiner Schwester, dass ich in Palma ein Jobangebot in Aussicht hätte und ein paar Tage woanders wohnen könne. Das war gelogen. Ich wollte einfach wieder Unabhängigkeit spüren."

Und die begann auf einer Bank im Sa Feixina-Park. „Da ich keine feste Bleibe hatte, übernachtete ich im Freien. Jeden Abend hörte ich von irgendwoher Livemusik, konnte aber nicht herausfinden, woher sie kam." Kein Wunder. Es war der Blue Jazz Club des neben dem Park liegenden Hotel Saratoga. Siebte ­Etage. Dachterrasse.

Machen wir es kurz: Alejandras Hartnäckig­keit, eine Bühne auf der Insel zu finden, um dem Publikum ihr Talent zu präsentieren, zahlte sich letztendlich aus. Ein befreundeter mallorquinischer Journalist war es, der sie schließlich in die Club-Szene der Hauptstadt einführte. Alejandra Burgos gab danach Konzerte in allen angesagten Locations, wie dem nicht mehr existierenden Bluesville, dem Shamrock Café, dem Jazz Voyeur Club oder dem Blue Jazz Club im Hotel Saratoga. Das ­Publikum war begeistert. Und der Grundstein für die Karriere der Argentinierin gelegt.

Mehrere Auftritte in den USA, monatelange Konzerttourneen durch Spanien, Teilnahme an internationalen Festivals, Engagements für private Events und Hochzeiten oder als Vorgruppe für weltberühmte Musiker sind Meilensteine dieser Karriere.

Oder waren es vielmehr bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie. „Ich habe den Kopf deshalb nicht in den Sand gesteckt. Derzeit gebe ich Unterricht als Musiklehrerin und Coach für angehende Künstler. Und arbeite natürlich an Songs für ein neues Album", erzählt Alejandra.

Ihre Auftritte auf der Bühne hat sie aufgrund der Publikumsbeschränkungen bis auf Weiteres ins Internet verlegt. „Das Streaming von Konzerten ist langfristig aber keine Lösung. Wie alle anderen Musiker oder auf der Bühne stehende Künstler brauche auch ich das Publikum direkt vor mir. Aber auch das wird irgendwann wieder möglich sein. Bestimmt", sagt sie. Man muss es ihr einfach glauben.

Alejandra Burgos stiftet derzeit einen Teil ihrer Konzerteinnahmen - live oder per Internetstreaming -, um durch die Corona-Krise auf Mallorca in Not geratene Menschen zu unterstützen. Zugunsten des Hilfsvereins Hope Mallorca tritt sie am 20. Februar um 18 Uhr im Theater von Santanyí auf. Tickets für 16 Euro gibt es hier. Für 10 Euro kann das Konzert auch über einen Youtube-Kanal mitverfolgt werden, Tickets hierfür sowie Fanartikel und Alben gibt es auf dieser Website.

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