Der Skandal, der sich am 23. April vor genau 50 Jahren auf Mallorca rund um John Lennon und Yoko Ono abspielte, kam zu spät, als dass ihn die Beatles als Song hätten verarbeiten können. Die weltberühmte Pop-Band hatte sich ein Jahr zuvor, im Frühjahr 1970, aufgelöst. So blieb der Gerichtstermin in Palma wegen angeblicher Kindesentführung in erster Linie ein Medienereignis, das trotz noch nicht erfundener Social Media in kürzester Zeit auf der ganzen Welt Schlagzeilen machte.

Was war passiert? Der berühmte Ex-Beatle John Lennon und seine Frau Yoko Ono waren am 22. April nach Mallorca gekommen und hatten - wenig erfolgreich getarnt als Sr. und Sra. Smith - im Hotel Meliá Mallorca am Paseo Marítimo in Palma eingecheckt. Die Medien erfuhren davon, es wurde über angebliche geschäftliche Termine oder ein mögliches Treffen mit einem indischen Guru spekuliert.

Am 23. April fuhr das Paar nach Cales de Mallorca an die Ostküste. Dort lebte Onos siebenjährige Tochter Kyoko seit einigen Monaten mit ihrem Vater Anthony Cox. Der US-Filmproduzent und geschiedene Ehemann der japanischen Künstlerin hatte das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter.

Das Paar holte das Mädchen im Kindergarten ab und fuhr mit ihm nach Palma zurück. Stunden später erschien dann die Polizei im Hotel. Cox hatte eine Anzeige wegen Entführung gestellt. Auch die Flughafenpolizei war wegen mutmaßlicher Fluchtgefahr alarmiert. Lennon und Ono dagegen erklärten, dass sie nur den Tag mit der Tochter verbringen wollten und dass man wegen deren Magenprobleme, womöglich aufgrund übergroßen Eiskonsums, einen Arzt verständigt habe.

Am Abend desselben Tages trafen sich Cox und die Lennons vor Gericht. Noch in der Nacht konnte der leibliche Vater Kyoko wieder mit in den Inselosten nehmen. Lennon und Ono wurden für einen weiteren Gerichtstermin am Folgetag zitiert. Jetzt brach die Medienlawine los. Mittendrin war der damalige Fotograf der MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca" Joan Llompart, der als Torrelló firmierte. Seine Fotos aus dem Gerichtsgebäude erschienen in Blättern weltweit. Die Telefonleitungen bei der Polizei und bei Gericht brachen vor lauter Anfragen zusammen.

Cox nahm die Anzeige wegen Entführung schließlich zurück, Lennon und Ono verließen Mallorca Richtung Paris, nachdem eine Sprecherin ihre Version der Geschehnisse vor Medienvertretern verlesen hatte. Es folgte ein Nachspiel auf Mallorca im Mai. Vergeblich suchten Ono und Cox bei einem Treffen in Palmas Villenviertel Son Vida einen Kompromiss. Und das Amtsgericht in Manacor, in dessen Zuständigkeitsbereich Cales de Mallorca liegt, erklärte sich im Sorgerechtsstreit für nicht zuständig. Das müssten Richter auf den Virgin Islands entscheiden, wo sich das zerstrittene Paar hatte scheiden lassen.

Die wirklich dramatischen Ereignisse spielten sich dann fernab von Mallorca ab. Ono erhielt zwar ein Besuchsrecht zugesprochen, doch die Familie von Cox geriet in die Fänge der Sekte Church of the Living World und tauchte im Norden der USA ab. Der Kontakt zwischen Kyoko und Mutter Yoko kam erst nach der Ermordung Lennons 1980 wieder zustande, nachdem die Japanerin einen offenen Brief an ihre Tochter geschrieben hatte. Es heißt, die beiden hätten heute engen Kontakt. Die 88-jährige Yoko Ono, die inzwischen im Rollstuhl sitzt, habe Kyoko in ihr Testament aufgenommen.