Radja ist glücklich, man sieht es ihm an. Normalerweise passiert ja nicht mehr so viel Aufregendes im hohen Alter. Aber dann noch ­einmal Schauspieler werden, das ist eine echte Abwechslung. Der 79-Jährige wird sogar umsorgt wie der Hauptdarsteller Henning Baum. „Ich habe einen eigenen Trailer und ein Hotelzimmer", schwärmt der Nachwuchs-Schauspieler. Ständig wuseln Produktionsassistenten um ihn herum: „Möchten Sie etwas trinken?", „Möchten Sie eine Jacke?" Radja ­Dalimonthée grinst durchgehend und verbreitet seine gute Laune auf Holländisch, Deutsch, Spanisch, Englisch - je nachdem, was für ein Muttersprachler gerade vor ihm steht.

Seit dem 13. April wird mit viel Aufwand in Can Picafort an der Ostküste die TVNOW-­Serie „König von Palma" gedreht. Sie spielt am Ballermann der wilden 90er-Jahre. Für die Handlung wurde jahrelang an der Playa de Palma recherchiert. Dabei fand das Produktionsteam unter anderem Radja ­Dalimonthée. Der Indonesier kam erstmals 1969 als Musiker auf die Insel. Von 1983 bis 2005 war er Direktor der mittlerweile geschlossenen Diskothek Riu Palace. Er wurde filmischer Berater und bekam sogar eine Filmrolle. Die Mallorca Zeitung hat Dalimonthée am Drehtag nach Can Picafort begleitet.

Dalimonthée ist eigentlich ein Intellektueller, ein Musiker und Feingeist und im Kopf fit wie ein 18-Jähriger. Wieso hat ausgerechnet er sich einst auf den Ballermann-Sumpf ein­gelassen? Auf ein Milieu, in dem es von ­Halunken, Ganoven und Schurken nur so wimmelte? „Ich bin halt sehr anpassungsfähig, und es hat sich so ergeben. Als mich Bartolomé ­Cursach Anfang der 80er fragte, ob ich beim Riu Palace mitmachen möchte, war ich sofort dabei. So eine moderne, große Disco hatte es bis zu diesem Zeitpunkt ja nie gegeben."

Auf seine Filmrolle musste er sich nicht allzu intensiv vorbereiten. ­Dalimonthée spielt sich selbst. Den Direktor des Riu Palace, den damals bekanntesten Ansager der Insel: „Gooood Evening Ladiiiiiiies and Gentlemeeeeeeeeeen", so begannen die Miss- oder Mister-Wahlen im Riu Palace mit Radja am ­Mikrofon. Und am Ende waren alle nackt. Je mehr Klamotten die Kandidatinnen ablegten, umso höher die Chancen auf den Gewinn einer Flasche Piccolosekt und einen Blumenstrauß.

„Das waren vielleicht Zeiten!" Radja lacht. Tausende von solchen Wahlen hat er damals durchgeführt.

Frohsinn und Freizügigkeit

Wenn er nicht gerade Rex Gildo, Tony Marshall oder Karel Gott ansagte. Für ihn waren die 90er-Jahre die goldene Zeit an der Playa de Palma. Bis die Stimmung Ende des Jahrtausends kippen sollte. „Es verkam alles immer mehr, und auch im Publikum gab es immer mehr Ausfälle." Bis dahin dominierte der rheinische Frohsinn, der sich nach der Wende schließlich mit ostdeutscher Freizügigkeit vereinte. „Alle waren zwar betrunken. Aber es war positiv."

Vielleicht fehlten damals aber nur die Handys, die heutzutage jeden Vollausfall am Ballermann dokumentieren.

Ein Shuttle kommt und bringt ­Dalimonthée vom Stützpunkt in Can Picafort zum Drehort, zur Kellerdiskothek Charly, die im Look der 90er erstrahlt. Viele Spiegel, kleine Separees. „Das ist nicht das Riu Palace. Das ist ja viel ­kleiner!", entrüstet sich Dalimonthée. Produzent Johannes Kunkel beruhigt ihn: „Am Ende wird das viel größer aussehen. Das macht die Postproduktion."

Der 34-jährige Produzent Kunkel hatte auch die Idee, Radja ins Drehbuch hineinzuschreiben. „Radja ist so ein cooler Typ, der die Zeiten damals ja mitgeprägt hat. Und als wir ihn auf altem Archivmaterial in Action gesehen haben, dachten wir, dass er einfach mitmachen muss." Und zweimal fragen musste man den 79-Jährigen auch nicht. Er bekommt ein weißes Jackett angelegt, dann drückt man ihm ein Mikrofon in die Hand. Er soll eine Nackt-Mister-Wahl moderieren.

Bis auf die Unterhose

Die männlichen Statisten werden ans Set geführt, an dem jeder Mundschutz trägt und vorher getestet wurde. Probe. Sechs Jungs müssen sich bis auf die Unterhose ausziehen. Wie es damals halt üblich war bei Mister-Wahlen, wobei viele von diesen frivolen Veranstaltungen aus dem Ruder liefen.

Als dann noch 30 meist weibliche Statisten die Disco betreten und der DJ alte Hits der ­Neuen Deutschen Welle einlegt, kommt am Set echte Stimmung auf. Action! Alle tanzen. ­Radja wippt inmitten der Tanzfläche, er lacht. „Ladiiiiiies and Gentlemeeeeen. Wollt ihr die Sixpacks sehen?" Frenetischer Jubel!

Radja befindet sich wieder in den wilden 90ern. Er ist wieder der Direktor des Riu Pa­lace. Das Rampenlicht gehört ihm. Den Text wirft er dabei vollkommen über den Haufen. „Männer, wir ziehen jetzt alles aus!", fordert er durchs Mikrofon. Produzent Kunkel, der die Szene beobachtet, lacht. „Es kommt auf die Stimmung an, nicht auf den Text!", sagt er. Und tatsächlich, bereits nach zwei Szenen ist alles im Kasten. Kunkel bedankt sich aufs Herzlichste bei Radja. So herzlich wie es in ­Corona-Zeiten überhaupt gehen kann. Radja strahlt. Alle strahlen. Feierabend!

Radja legt das Show-Jackett ab und zieht die Maske auf. „Möchten Sie in Ihr Hotel gebracht werden?", fragt eine Assistentin. „Nein, junge Frau", antwortet Dalimonthée. Seine Augen leuchten. „Ich wohne auf der Insel. Ich fahre jetzt nach Hause."

Bis in den Juli wird „Der König von Palma" (AT) noch auf Mallorca gedreht. Ausgestrahlt werden soll die Serie voraussichtlich Anfang 2022 auf TVNOW, später im Jahr bei RTL.