Wer in den Süden der Insel will, kommt an Campos nicht vorbei. Seit Mitte Januar gibt es dort noch einen weiteren Grund, auch einmal anzuhalten, statt nur vorbeizufahren. Am zweiten Kreisel von Palma kommend – dem zentralen Kreisel Richtung Ortskern – hängt linker Hand an einer dunkelgrau getünchten Hausfassade unübersehbar eine halbe weiße Vespa über einem Eingang zwischen zwei hohen Fenstern. Davor stehen Tische und Stühle: das Indi Café. Die Cafeteria kombiniert guten Kaffee und gesunde Snacks mit einer Vespa- und Café-Racer-Werkstatt, doch dazu später.

Dahinter stecken zwei begeisterte Motocross-Fahrer und Mechaniker, die sich seit über 20 Jahren kennen: Sebastià Rotger und Baltasar Rigo. Der 37-jährige Rotger ist schon viel in der Welt herumgekommen. Schon als Kind vom Motocross begeistert, fuhr er mit 16 erste Rennen. In Barcelona ließ er sich zum Mechaniker für Motocross-Rennen ausbilden. Neun Jahre arbeitete er im Anschluss in Katalonien als Mechaniker bei Wettkämpfen und als Motocross-Lehrer. Dann verschlug es ihn vier Jahre nach Brasilien, wo er in Alagoas ein Rennteam aus drei Geschwistern trainierte und eine Werkstatt sowie eine Ausbildungsstätte für Mechaniker betrieb.

Kaffee aus Brasilien

Nach einem kurzen Boxenstopp in heimatlichen Gefilden verbrachte Rotger in ähnlicher Mission fünf weitere Jahre auf Macau, der chinesischen Insel und ehemaligen portugiesischen Kolonie. Seit gut einem Jahr ist er wieder zu Hause und steht jetzt hinter der großen Holztheke an einer knallgelben, funkelnagelneuen Kaffeemaschine „im Wert von vier Vespas.“ Der Kaffee, den er hier zubereitet, ist ökologisch korrekt, köstlich und stammt aus Brasilien. Die Bohnen werden von einer kleinen Rösterei in Castelldefels vertrieben. Den Motocross-Sport hat Sebastià erst mal hintangestellt: „Auch wenn du noch so gut fährst, es ist und bleibt ein riskanter Sport und ich werde jetzt hier gebraucht“, sagt er.

Kompagnon Baltasar Rigo ist gleichfalls dem Motocross verfallen. Der Ruf seiner Mechanikerkünste erstreckt sich weit über seinen Geburtsort Campos hinaus, wo er als 21-Jähriger seine erste Werkstatt gründete. Heute widmet sich der 41-Jährige der Reparatur von Vespas und Café Racern. Für die, die mit letzterem Begriff nichts anfangen können: Das ist ein Trend aus den 60er-Jahren, der unter Motorradfans Kult ist. Motorräder werden im sportlich anmutenden Vintage-Look individuell verändert und umgebaut. Die so optisch und technisch frisierten Maschinen heißen Café Racer, weil die Jugend von damals auf ihnen von Café zu Café bretterte.

Wechselnde Bilder

Baltasars Frau Victória sorgte als Designerin und Dritte im Bunde für das zum Geist der Café Racer passende Gastro-Konzept: Dort, wo einst der Empfang der Motorradwerkstatt ihres Mannes war, herrscht heute feinstes Café-Ambiente, mit angenehmer und warmer Beleuchtung (eher selten hierzulande), viel Holz und weich gepolsterten Stühlen in Grün und Gelb – als kleine Hommage an Brasilien. Die Bilder an den Wänden wechseln alle vier bis sechs Wochen; bei jedem Künstlerwechsel wird eine kleine Vernissage gefeiert.

Wer also seinen Kaffee, frischen Orangen-Möhren-Ingwersaft, eine Matcha-Latte oder auch ein katalanisches Moritz-Bier genießt, kann beobachten, wie hin und wieder eine Vespa durch das Café in den hinteren Bereich der Werkstatt geschoben wird. Dazu gibt es gesunde Kost, etwa ein mit Hummus, Avocado oder Olivenpaté verfeinertes pa amb oli. Eine Besonderheit ganz im Geiste dieser Café-Werkstatt sei noch erwähnt: die Tees. Sie tragen Namen verschiedener Inseldörfer, weil die in ihnen enthaltenen Kräuter für eben diese Orte typisch sein sollen. Dahinter steckt eine junge Uruguayerin, die mehr Zeit für ihre Kinder haben wollte, ihren Beruf an den Nagel hängte und sich nun den Tees widmet.