Mallorca Zeitung

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Das Kultlokal Novo Café Lisboa in Palma de Mallorca schließt - und hinterlässt einen "Krater"

Die Bar war zehn Jahre lang der Szenetreff schlechthin in Palma. Von Pandemie und Gentrifizierung zermürbt, schmeißt der Betreiber nun hin

Àngel Romaguera will sich nach aufreibenden Jahren im Café Lisboa nun wieder anderen Projekten widmen. Nele Bendgens

In Filmen und Serien haben die Protagonisten oft Stammkneipen, die für sie zum zweiten Wohnzimmer werden. Gemütlich und doch cool, mit einem unverwechselbaren Barkeeper. In einem Mallorca-Film könnten die Hauptfiguren am Abend ihr Bier im Novo Café Lisboa trinken. Irgendwo im liebevollen Kuddelmuddel aus Möbeln, denen man ihren Gebrauch ansieht, und zwischen Plakaten, die die Popkultur des vergangenen Jahrhunderts zeigen. Die Bar in Palmas Stadtviertel Santa Catalina ist genau die richtige Mischung aus kunstvoll und abgeranzt. Dazu passt das Programm: lokale Bands, an manchen Tagen legen bekannte DJs auf, am Open-Mic-Abend zeigen Amateure ihr Können.

Das Café Lisboa hatte schon viele Leben, war früher einmal eine Whisky-Bar, in der philosophiert wurde, später ein Pub mit Faible für Jazz. Àngel Romaguera, der das Lokal 2012 übernahm, machte daraus einen Rückzugsort für Palmas Subkultur. Musiker und Kunden beschreiben ihn als Idealisten, er selbst sagt, er liebe die Musik. Doch die Kultbar, über Jahre Treffpunkt von Mallorcas Boheme, schließt zum Ende des Jahres ihre Pforten. Gründe dafür gibt es viele, vor allem: Àngel Romaguera ist müde.

Musik ist hier kein Hintergrundgeräusch

An diesem Mittwochabend verfolgen die Gäste – die meisten von ihnen sind in ihren Zwanzigern und Dreißigern – die wöchentliche Jamsession. Manche wippen mit, andere nippen stumm an ihrem Glas, eine Frau mit Lockenkopf spielt imaginär Schlagzeug. Musik ist hier kein Hintergrundgeräusch, das Publikum nicht allein zum Trinken gekommen. Das Café Lisboa unterscheidet sich auch sonst von anderen Lokalen im Szeneviertel. Schick ist hier eigentlich keiner angezogen, auch Hipster gibt es nicht zu viele, nur hin und wieder blitzt ein dichter Vollbart oder ein Beerdigungshut mit schwarzer Krempe auf.

Jeden Mittwoch gibt es im Café Lisboa eine Jamsession. Marlene Weyerer

Wenn das Café Lisboa schließt, verliere Santa Catalina die letzte Zuflucht vor dem allgegenwärtigen Reggaeton, befürchtet eine der Gäste an diesem Abend, die Mallorquinerin Elena, die schon seit vielen Jahren in die Bar kommt. Wobei sich auch das Café Lisboa bereits gewandelt habe, wie ihre Freundin Mónica sagt. „Die Stimmung hier ist anders geworden, früher war es künstlerischer, jetzt gibt es mehr Urlauber“, stellt sie fest.

Ähnlich beschreibt es Barbetreiber Àngel Romaguera. Das einstige Stammpublikum sei zerstoben, sagt er. „Nach der Pandemie kamen vermehrt andere Gäste, die wie im Rest des Viertels nur Spaß gesucht haben“, erzählt er. Der 42-Jährige befürchtet, dass Santa Catalina auf Dauer am eigenen Erfolg zugrunde gehen könnten. „Alle hier denken nur daran, möglichst schnell, möglichst viel Geld zu machen“, sagt er. Die schicken Cocktailschuppen rundherum, die neuen Nachbarn mit ihrem vielen Geld – Quartiere mit viel Kultur und Nachtleben ziehen solche Veränderungen an. Die Gentrifizierung, die Romaguera mit seiner Boheme-Bar irgendwo auch selbst vorangetrieben hat, treibt ihn nun aus dem Viertel.

Nach der Pandemie kam die Mieterhöhung

Der 42-Jährige erzählt, er habe viel Energie in die Bar gesteckt, die Pandemie nur knapp überstanden, dann kam dieses Jahr der nächste Schlag in Form einer Mieterhöhung. Seit September zahlt er ein Vielfaches und fährt trotz erhöhter Getränkepreise Verluste ein. Und da wir nun einmal in keinem Film sind, sondern in der Realität, blieben ihm genau zwei Möglichkeiten: Aus dem Café Lisboa eine normale Bar machen, mit einer zweiten Theke, teuren Cocktails und Tanzmusik für die kaufkräftige, größtenteils ausländische Kundschaft. Oder den Laden ganz aufgeben.

Romaguera hat sich für das Aufgeben entschieden. Ab Januar will er sich aufmachen zu neuen Ufern. Welche das sein werden, weiß er selbst noch nicht so genau. Wahrscheinlich seine Karriere als Fotograf wiederaufnehmen, hoffentlich weiter Events organisieren.

Ab Januar ist das Kultlokal Café Lisboa geschlossen. Nele Bendgens

Erst einmal will er aber den „letzten Tanz“ in seinem Café Lisboa überstehen, im Moment gibt es noch eine Menge Veranstaltungen, seine Anwesenheit wird ständig erwartet. „Am ersten Januar werde ich wahrscheinlich komplett am Ende sein“, sagt er, „aber ich freue mich ja auch darauf, einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen.“

Nur eines tue ihm leid, sagt Romaguera: lokalen Künstlern keine Bühne mehr bieten zu können. Schon jetzt trauert die Szene um das Lokal: „Das Publikum im Café Lisboa ist besonders, respektvoll und interessiert“, sagt beispielsweise Singer-Songwriter Miquel Serra. Toni Riera, der unter dem DJ-Namen Dyk B. Selector schon oft im Café Lisboa aufgetreten ist, sagt, die Schließung hinterlasse mehr noch als ein Loch, einen „Krater“. „Ein Loch könnte man füllen, doch ein Krater wird auch in vielen Jahren noch zu sehen sein.“

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