Mallorca Zeitung

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Wie deutschsprachige Mallorca-Residenten das Jahr 2022 erlebten und was sie daraus lernten

Was die Menschen bewegt hat und was in ihren Augen für die kommenden Aufgaben Mut macht

Das alte Jahr geht, das neue Jahr kommt – Zeit, Bilanz zu ziehen, aber auch zu überlegen, was 2023 den Mallorca-Deutschen bringen dürfte. | FOTO: NELE BENDGENS

Das Jahr 2022 geht zu Ende. Was haben Sie aus den vergangenen zwölf Monaten mitgenommen? Welchen Kummer, welche Freude hat das Jahr gebracht? Und wie gehen Sie 2023 an? Diese Fragen haben wir deutschsprachigen Residenten gestellt – hier sind ihre Antworten.

Mirtha Erhart-Zimmerli, Schweizer Honorarkonsulin

Mirtha Erhart-Zimmerli. Nele Bendgens

Bei den vielen Begegnungen, die ich dieses Jahr hatte, ist mir immer wieder aufgefallen, wie wichtig gutes Zuhören und eine gute Kommunikation sind. In einer Zeit, in der sich die Welt gefühlt zunehmend schneller dreht, ist das unglaublich wichtig und wird oft umso mehr geschätzt. Zu sehen, wie viele Menschen sich um das Wohl der Insel kümmern, finde ich immer wieder berührend. Dies ist essenziell und wird bestimmt auch im Jahr 2023 viel Raum einnehmen. Ich freue mich, meinen Teil dazu beizutragen.

Willi Plattes, Geschäftsführer Plattes Group

Willi Plattes bei einer Veranstaltung der PlattesGroup in Palma de Mallorca Nele Bendgens

Ich attestiere Mallorca eine hohe Resilienz. In einer Zeit, in der die Krise zum Dauerzustand geworden ist, zeigt sich der Charakter. Die Menschen beweisen Tag für Tag, dass sie zusammenhalten und gemeinsam die Relevanz privater und wirtschaftlicher Zeitnutzung wertschätzen. Wenn ich spazieren gehe und in den Gesichtern die Offenheit, Zuversicht und Lebensfreude sehe, erfüllt mich eine große Dankbarkeit, dass meine Familie und ich hier leben und arbeiten dürfen. Mir ist nicht bange um die Zukunft dieser einzigartigen Insel. Ich wünsche den Lesern ein gesundes und erfolgreiches 2023.

Lilly Hess Antic, Centro Médico Porto Pi

Lilly Antic Hess. Privat

2022 war ein Jahr der inneren Transformation. Alte und überholte Einstellungen und Sichtweisen mussten gehen. Loslassen von Anhänglichkeiten an Lebensumstände und Menschen war ein großes Thema, sodass ich mich das ganze Jahr wie in einem Druckkochtopf fühlte. Die Veränderung war überfällig, und 2022 hat die idealen äußeren Voraussetzungen zur Durchführung geschaffen. Jetzt bin ich gespannt, wie es in der nächsten Etappe 2023 mit nun neuen Vorzeichen weitergeht.

Wolf Wilder, Weinexperte

Wolf Wilder ist Experte für spanischen Wein und einer der Gründer des größten Online-Fachhandels für spanischen Wein in Deutschland. Nele Bendgens

Änderungen und Neuanfänge stellen einen vor Herausforderungen, können aber auch für die persönliche Weiterentwicklung sorgen. Die Fertigstellung eines Fachbuches zum Thema Unternehmensnachfolge brachte viel Neues für mich mit. Demut und Dankbarkeit sind zwei Dinge, die ich gelernt habe. Die Idee zu einem Weinbuch ausschließlich über mallorquinische Weine ist 2022 entstanden und wird im kommenden Jahr umgesetzt. Die Insel inspiriert mich, gibt mir Kraft und innere Ruhe. Die Freude an der Natur und besonders der Tramuntana ist unendlich. Ich genieße täglich den Blick aus dem Arbeitszimmer in die Berge. Wie klein wir doch im Vergleich zur Natur sind.

Heimke Mansfeld, Gründerin Hope Mallorca

Heimke Mansfeld (2. v. li.) hat Hope Mallorca ins Leben gerufen. Hier mit Damia Pons Adrover (li.), Elvira Urbach, Claudia Radke und Susanne Menke (re.). Foto: Bendgens

2022 hat mir gezeigt, dass ich sehr dankbar bin, wo und wie ich leben darf. Mir hat Hope Mallorca die Augen geöffnet. Soziale Not und Hunger sind nicht mehr Dinge, die wir nur in der Dritten Welt finden. Leider sind sie mittlerweile in Europa angekommen. Ich war sehr dankbar, erleben zu dürfen, dass trotz all dem die Hilfsbereitschaft selbst bei sozial schwachen Personen enorm groß ist. Vielen Menschen, denen wir Hoffnung schenkten durften, haben wiederum anderen Hoffnung geschenkt. Ich blicke mit Zuversicht in die Zukunft, denn ich glaube an uns Menschen.

Sandra Lipski, Organisatorin des Evolution Film Festivals

Marlene Weyerer

Ich habe gelernt, dass Zeit unser kostbarstes Gut ist und dass die kleinen Momente wichtig sind. Das elfte Evolution Mallorca International Film Festival ist richtig groß geworden und war mein Höhepunkt 2022. Das Wort „International“ ist wörtlich zu nehmen. Da bin ich stolz drauf. Mein Team ist super. Nicht nur auf den roten Teppich kommt es an oder auf die Fotos, die abgedruckt werden. Kleine intime Momente, wo man bei einer halben Stunde Kaffeetrinken ein inniges Gespräch führt, sind bedeutend. Daraus resultieren langwierige Freundschaften. Fünf gute Freunde sind mir lieber als 20 halbgare Bekanntschaften. Meine Familie will ich nicht vergessen.

Felix Stadtlander, Mallorca Adventures

Zeit für die kleinen Momente Redaktion

Ich habe dieses Jahr mehr Zeit als sonst mit meinem Sohn verbracht, viele Aktivitäten und Erlebnisse für ihn organisiert, da er während Corona nicht viel erlebt hatte. Wir sind Boot gefahren, haben am Pool gechillt und sind sogar einmal Hubschrauber und Kleinflugzeug durch die Tramuntana geflogen. Wir haben viel gelacht und Spaß gehabt. Die Leute müssen darauf achten, dass nicht nur das Geld im Mittelpunkt steht. Die Zeit und Bindung mit Menschen, die man liebt, ist wichtiger und kommt nicht wieder.

Birgit Büngeler, Deutsches Facharztzentrum

Ulrich Esser und Birgit Büngeler: So wurde am Freitag (18.5.) gefeiert. Foto: Terrassa

Nach der schwierigen Zeit mit Einschränkungen in der Pandemie nehme ich mit voller Dankbarkeit die neue verfügbare Freiheit mit. Ich habe gelernt zu erkennen, dass mit Geduld alles erträglich wird. Frei nach dem Zitat: Alles Gute kommt zu dem, der warten kann. Sehr große Freude hat es mir bereitet, 2022 auf drei Hochzeiten das Glück der Brautpaare mitzufeiern und an einem runden Geburtstag die Freude und das Beisammensein zu feiern. Mir bereitet Kummer, dass ich immer noch erlebe, wie undankbar und respektlos manche Menschen im Umgang miteinander und der Umwelt sind. Es gibt immer noch Leute, die nicht begriffen haben, wie gut es uns hier geht. Ich werde mein Leben mit sehr viel Dankbarkeit weiterhin genießen.

Renate Pentzien, Leiterin Ahoy! Gallery

Michael Pentzien und Renate Pentzien

Dieses Jahr waren wir beseelt von Bryan Adams. Der kanadische Rockstar hat seine großartige Fotokunst bei uns in der AHOY! Gallery präsentiert. Was für ein feinfühliger Mann! Weltweit erfolgreich und ein ganz sympathischer Kerl. Nahbar und humorvoll, unsere Kunden waren hin und weg. Ansonsten möchte ich möglichst noch achtsamer und bewusster jeden Moment erleben. Wir wissen nie, was morgen sein wird. Carpe diem, lasst uns das Beste aus jedem Tag und jedem Moment machen. Große Freude macht mir, dass ich auf der Insel leben und arbeiten darf. Ich liebe Mallorca, die Mallorquiner, diese Natur. Fassungslos war ich im Februar, als ich in den Nachrichten vom Kriegsausbruch in der Ukraine hörte. Krieg! Ich habe es kaum für möglich gehalten. Ich hoffe, dass er und das Leid, das er mit sich bringt, baldmöglichst enden. Ich bin voller Hoffnung und bleibe optimistisch.

Frank Heinrich, Herausgeber „El Aviso“

Frank Heinrich Privat

„Zuversicht ist Pflicht“ lautete meine Devise während der beiden Corona-Jahre 2020/2021. Dieser Devise im vergangenen Jahr treu zu bleiben, war eine Herausforderung. Vor allem die wirtschaftlichen Folgen von Corona, die auch Freunde und Bekannte trafen, und der Ukraine-Krieg mit seinen erst beginnenden Auswirkungen sorgten täglich für negative Meldungen. Aber – Gott sei Dank – gehört zum Leben mehr: Die solidarischen Initiativen wie zum Beispiel der Verein „Hope Mallorca“, der täglich in Not geratenen Menschen hilft und den man aktiv unterstützen kann, oder im direkten Umfeld die Freundschaften, die gewachsen oder neu entstanden sind, zwei wundervolle Enkelkinder, die sich prächtig entwickeln, sowie viele andere, positive Erlebnisse wie der Geburtstagskuchen, den mir eine Kollegin gebacken hat. Meine Devise 2023 bleibt in weiterhin bewegten Zeiten jedenfalls „Zuversicht ist Pflicht“.

Jürgen Umland, Koordinator Cala Ratjada Insider

Simone Werner

Das Jahr 2022 war, was den Tourismus angeht, ganz außergewöhnlich. Das war bedingt durch den Ansturm von Gästen, die teilweise zwei bis drei Jahre auf ihren Urlaub gewartet hatten. Da wir viele Leute kennen und betreuen, sind viele Informationen, Probleme und Wünsche an uns herangetragen worden. Das bringt mich häufig an meine Grenzen. Aber wenn ich den Leuten helfen oder sie beraten konnte, hat mich das glücklich gemacht. Auf der einen Seite ist die allgemeine Hilfsbereitschaft gewachsen – man denke an die Ukraine-Krise –, auf der anderen Seite haben wir aber wachsenden Unmut, Unausgeglichenheit und Wut auf alles und jeden bei einigen Menschen auf der Insel feststellen können. Corona hat vieles in Unordnung gebracht und verändert. Ein Fazit für mich und uns ist aber sicherlich, dass die Gesundheit einen noch höheren Stellenwert bekommen hat. Ich wünsche mir damit für uns und für viele andere auch eine entspannte Zeit hier auf Mallorca. Der eine macht Urlaub, der andere lebt hier, aber die Insel bietet viel Individualität für eine längere Lebensperspektive. Man sollte sie genießen.

Sonia Willner, Rechtsanwältin

Hilfe in der Not: Heimke Mansfeld, Sonja Willner und Jasmin Nordiek von Hope Mallorca. Tito Bosch

Das Jahr 2022 neigt sich dem Ende zu, das neue Jahr klopft bereits an die Tür. Für mich war es ein einerseits gutes aber auch in familiärer Hinsicht trauriges Jahr! Ich musste einen persönlichen Verlust hinnehmen und erlebte gleichzeitig ein Jahr mit wunderschönen Ereignissen. Ich bin sehr dankbar für viele Begegnungen, die ich in diesem Jahr machen durfte, viele alte Freundschaften sind wieder erwacht, Personen, die ich seit Jahrzehnten aus den Augen verloren hatte, sind wieder Bestandteil meines Lebens geworden. Beruflich habe ich meinen Platz gefunden, persönlich die Menschen um mich, die ich möchte und brauche. Dankbar bin ich, mein Leben an einem Ort wie Mallorca so leben zu können, wie ich es tue, sowie für meine Familie, die immer für mich da ist.

Will Kauffmann, Leiter Veranstaltungsfinca

Langeweile kommt bei Will Kauffmann auf der Kulturfinca Son Bauló nicht auf. Foto: Nele Bendgens

Die unerwartete Breite der weltweiten Informationsflut zeigt: Kein Standort wird ausgespart. Informationszwang! Zum Glück oder zum Unglück? Jede Antwort scheint möglich. Wir selbst müssen wählen. Zur Beurteilung unserer eigenen Situation hilft umfangreiches Wissen und Kenntnis aber auch vor allem persönliche Intuition. Wir auf Son Bauló erleben deutlich wachsenden, positiven Zuspruch unserer Gäste: sie schätzen ein niveauvolles, reelles Angebot geformt mit Herz und Wohlwollen und unser familiäres, persönliches Ambiente unter Freunden. Oft vernehmen wir den Ausdruck: „Wie nach Hause kommen“! Der allgegenwärtige Schatten heißt allerdings „Digitalisierung“: Der Schutz vor bedrohlichen und zugleich glorreichen Entwicklungen birgt Risiken und Ängste. Dass der moderne Zirkus beispielsweise bereits Pferde und Elefanten als Hologramme in der Manege performt, könnte verwirren. Wir können keinem hinter die Stirn schauen, wir können die Welt Aufmerksam beobachten – Meinung bilden – reagieren. Den eigenen Mikrokosmos schaffen und pflegen.

Wolfgang Engstler, Konsul

Nele Bendgens

Die sog. Kegelbrüder, von denen acht ca. zwei Monate in Untersuchungshaft im Gefängnis in Palma saßen, haben mich den Sommer über sehr beschäftigt. Im Rahmen der konsularischen Betreuung fanden gemeinsam mit dem Gefängnisbesuchsdienst der deutschen evang. und kath. Kirche zahlreiche mehrstündige Besuche am Wochenende im Gefängnis statt, also ausreichend Zeit und Gelegenheit, die acht Jungs kennenzulernen. Mich hat deren Hilfsbereitschaft und starke Solidarität untereinander, aber auch die Unterstützung ihrer Familien, Arbeitgeber und Freunde aus ihrer Heimat sehr beeindruckt. Sehr gefreut hat mich zudem, dass sie auch heute noch ihre damaligen marokkanischen Zellengenossen nicht vergessen haben, sondern im Gegenteil sich darum kümmern, dass diese von unserem Gefängnisbesuchsdienst teilweise mitbetreut werden und mit Kleidung und Geld für Anrufe nach Hause versorgt werden. Daher mein Wunsch für 2023: Mehr Solidarität und Zusammenhalt und weniger Egoismus und Ellbogendenken.

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