Wie ein Apotheker auf Mallorca die wohl größte Feigenbaumsammlung der Welt geschaffen hat
Montserrat Pons i Boscana ist für die wohl größte Feigenbaum-Sammlung der Welt bekannt. Doch wer könnte eines Tages sein Werk fortführen? Ein Besuch

Der Apotheker Montserrat Pons i Boscana und seine Mitarbeiterin Inma Concepción Gómez mit frisch geernteten Feigen. / Nele Bendgens
Ein Schild der Balearen-Regierung mit der Aufschrift „Camp experimental Son Mut Nou – Collecció de varietats de figuera“ neben der Einfahrt des mit der typisch mallorquinischen Trockensteinmauer umgebenen Geländes weist den Weg zur Feigenfinca Son Mut. Unter den zahlreichen Bäumen am Wegesrand sprießen lilafarbene und kelchartige Blumen aus dem Boden, die an Krokusse erinnern – nur dass gerade Oktober ist. Dann öffnet sich das Grün auf beiden Seiten zu einer großen Lichtung. Vor dem einstöckigen Haus stehen Sitzbänke, im Schatten zweier großer Olivenbäume ist ein Spielplatz, und im Hintergrund liegt ein riesiges offenes Feld mit Reihen von Feigenbäumen auf orangefarbenem Boden. Dort sitzt in einiger Entfernung der Fincabesitzer Montserrat Pons i Boscana (70) in einem kleinen Golfwagen, schaut aufs Handy und rollt mit dem Gefährt heran, als er die Besucher erblickt. „Diese Krokusse sind hier heimisch und heißen crocus cambessedesii“, sagt Pons, während er uns barfuß in einem Paar ausgelatschter Crocs zum kleinen Laden der Feigenfinca auf der Rückseite des Hauses führt. „Sie sind die Vorboten der Pilze. Sobald der Boden feucht genug ist, kommen sie heraus, und 14 Tage später gibt es dort Waldpilze.“

Auf der Feigenfinca Son Mut Nou reifen viele verschiende Sorten von köstlichen Feigen. / Nele Bendgens
Feigen ernährten bereits viele Generationen der Insel
Im Laden hat seine „rechte und linke Hand“, wie er seine Mitarbeiterin Inma Concepción Gómez Reyes nennt, die schon siebzehn Jahre für ihn arbeitet, zwei Kisten mit frisch gepflückten Feigen abgestellt. Sie enthalten verschiedene Sorten mit Namen wie „Call de Dama de Ciutat“ (Hornhaut der städtischen Dame) oder auch „De la senyora“ (Von der Dame). „Und diese hier heißt Aasli und kommt aus Palästina“, sagt Pons, der damit gleich einen Vorgeschmack auf die an diesem Tag noch bevorstehende botanische Weltreise gibt. Pons lacht und scherzt viel, während er in dem winzigen Verkaufsraum all die Produkte der Feigenfinca vorstellt. Hier gibt es Champagner, Wein und Bier aus Feigen, aber auch Feigenessig, Feigeneis, Feigenmarmeladen und Feigenpasteten. Das Rezept für den Feigenkaffee stammt noch aus Zeiten des Zweiten Weltkriegs. „Die Deutschen haben auf Mallorca und in der Türkei Feigen gekauft, als ihnen der Kaffee an der Front ausging“, erzählt Pons.

Einige der Feigenprodukte aus dem Hofladen von Son Mut Nou. / Nele Bendgens
Die Feigen seien ein Jahrhundert vor Christus auf den Balearen eingeführt worden und seither „das Brot der Armen und der Nachtisch der Reichen“, pflegt Pons zu sagen. „Sie haben viele Generationen auf der Insel ernährt, die damals nur das hatten, was das Land hervorbrachte: Spargel, Schnecken und vor allem Feigen“, erzählt der 70-Jährige.
Seit Jahrhunderten in Familienbesitz
Montserrat Pons i Boscana ist hier in Llucmajor zur Welt gekommen, er kann seinen Familienstammbaum bis ins Jahr 1554 und bis auf dieses Anwesen zurückführen. „Ich identifiziere mich mit meinen Vorfahren und dem gesamten historischen und kulturellen Kontext des Feigenbaums“, sagt er. Sein Vater fuhr zur See, als Einzelkind verbrachte er viel Zeit mit seiner Mutter und Großmutter, die ihm ihr Wissen über die Landwirtschaft vermittelten. Er selbst studierte Pharmazie in Barcelona. Noch heute steht er, wie seit 40 Jahren, hinter dem Tresen seiner Apotheke in Llucmajor. Drei Tage in der Woche berät und bedient er dort seine Kunden. Die anderen drei Tage verbringt er mit seiner Arbeit hier auf der Finca. Den Sonntag hat er für die Familie reserviert.
„Meine Mission ist, alle auf den Balearen heimischen Feigenbäume zu erhalten“, sagt Pons. Doch was mit den Gattungen der Inseln begann, wurde zu einem Lebenswerk, für das er um die ganze Welt gereist ist. Mittlerweile zählt seine Finca 3.200 Feigenbäume mit 1.436 verschiedenen Sorten. 264 davon stammen von den Balearen, und 109 sind weltweit einzigartig. In einem mit Steinmauern umgebenen Garten sind die originellsten Sorten seiner Sammlung wie in einem Open-Air-Museum zu bewundern. „Hier steht beispielsweise ein Ableger eines Feigenbaums vom Kalvarienberg in Jerusalem, erklärt Pons bei einem Rundgang. „Und hier ein Ableger des Baumes, unter dem Buddha seine Erleuchtung hatte – die Blätter sind herzförmig.“ Weiter hinten zeigt er einen Ableger aus La Higuera, dem kleinen Dorf in Bolivien, in dem 1967 Soldaten den argentinischen Guerrilla-Kämpfer Che Guevara hinrichteten.

Die herzförmigen Blätter eines Ablegers des Feigenbaums, unter dem Buddha seine Erleuchtung hatte. / Nele Bendgens
Feigenbäume aus der ganzen Welt
„Ich bin in den vergangenen 30 Jahren überallhin gereist und habe mir von dort jeweils zwei Ableger der lokalen Feigenbäume mitgebracht, um sie hier zu ziehen“, erzählt Pons. In einem separaten Gewächshaus stehen die jüngsten Zöglinge, die noch zu klein und empfindlich sind, um schon draußen zu überleben. Pons hat beispielsweise auch Ableger aus vom Krieg geschundenen Länder wie Syrien oder Afghanistan. „Ich hoffe, dass irgendwann Landsleute von dort hier herfinden, um ihre Sorten wieder zum Leben zu erwecken“, schildert er seine Vision. Alle zwei Jahre ist er als Vertreter der Balearen auf internationalen Kongressen für Feigenanbau unterwegs. Montserrat Pons i Boscana ist weltweit renommiert. „Manchmal erkennen mich Fremde am Flughafen und sprechen mich an“, erzählt er.
Auch auf Mallorca sind seine Feigenfinca und er allseits bekannt, und sei es nur aus den vielen Artikeln und Beiträgen, die schon über sie erschienen sind. Was nicht unbedingt auch Anerkennung bedeutet. „Wir bekommen keinerlei staatliche Förderung für die Finca, sondern müssen alles aus eigener Tasche stemmen. Die Politiker kommen immer nur für das Foto vorbei, aber unterstützen tun sie uns nicht“, klagt Pons. Deshalb sei der Tourismus für ihn und sein Projekt auch so wichtig. „Wir empfangen das ganze Jahr über Besucher aus der ganzen Welt, nur im Winter ist es ziemlich ruhig“, erzählt er. Der Eintritt auf die Finca beträgt 5 Euro. Während der Erntezeit von August bis September, lassen sich hier auch selbst Feigen pflücken, die Pons dann zum aktuellen Marktpreis, derzeit 5 Euro das Kilo, verkauft.

Monserrat Pons am Eingang seines Open-Air-Museums auf der Feigenfarm. / Nele Bendgens
Nachfolge des Lebensprojektes ist noch ungeklärt
Nur die Feigen des Feigenbaums seines neunjährigen Enkelsohns Marc sind dann tabu. „Er hat sich letztens bei mir beschwert, dass Feigen an seinem Baum fehlen würden“, erzählt der Apotheker. Pons hofft insgeheim, dass Marc eines Tages die Finca übernimmt und so sein Vermächtnis weiterführt. Leider habe bisher kein anderer direkter Nachfahre von ihm Interesse an den Feigen gezeigt. „Der Marc ist fasziniert davon. Ich hoffe, ich bin noch so lange hier, bis er 18 ist“, sagt Pons. Vergangenes Jahr habe er einen Herzinfarkt und eine OP gehabt und seitdem traue er sich nicht mehr, weit zu reisen. Eine Einladung nach Japan schlug er dieses Jahr deswegen aus.
„Aber ich habe auch so schon alles, was ich wollte“, sagt der Apotheker und blickt auf seine Felder. „Meine Feigenbäume sind wie Töchter für mich. Ich habe sie gepflanzt, ich habe ihnen ihr Leben gegeben und sie geformt, und ich umsorge und pflege sie.“ Er kennt jeden Baum mit seiner lateinischen Bezeichnung, weiß, woher er stammt, die Geschichte hinter der Pflanze. Bei der holperigen Rundfahrt im Golfwagen durch die paarweise gepflanzten Baumreihen sagt er: „Wenn ich über die Finca fahre, dann ist das wie ein visueller, geschmacklicher, landwirtschaftlicher und konzeptioneller Orgasmus für mich“ – und entschuldigt sich sogleich für seine Ausdrucksweise.

Hier warten die gezüchteten Feigensorten darauf groß genug zu wachsen, um auch die Felder gepflanzt zu werden. / Nele Bendgens
Weltweit bekannte Forschungsarbeit
Natürlich kämen auch Menschen hierher, um einfach nur Feigen zu essen, egal, woher diese abstammen, sagt Pons. „Doch schon alleine die reifen Feigen vom 2.400 Jahre alten Buddha-Baum zu pflücken, ist ein unvergleichbarer kulinarischer Genuss, wenn man die Tragweite dabei versteht“, fügt er hinzu. Es gebe Leute, die sich ein Fußballspiel ansehen oder ein Museum besuchen und daran Spaß haben. „Für mich sind es die Feigen, das ist mein Leben“, sagt Pons. Über seine Forschungsarbeiten hat er ein Buch veröffentlicht: „Las higueras de las Islas Baleares“. Die zweite Auflage mit 3.500 Büchern ist ausverkauft. „Wir machen jetzt eine dritte Auflage. Die Leute haben die Bücher teilweise kistenweise abgeholt“, sagt Pons.
Die Mission, die auf den Balearen heimischen Feigenbäume zu bewahren, verliert er über alledem nicht aus den Augen. In einem Gewächshaus stehen rund 400 etwa zwei Meter große Bäume, die Pons zu Preisen von 25 bis 30 Euro an Besucher verkauft. Insgesamt 27 balearische Sorten sind hier vertreten, „es sind die mit den leckersten Feigen von allen“, sagt Montserrat Pons i Boscana.
Informationen
Feigenfinca Son Mut Nou
Camí des Palmer, s/n, Llucmajor
Öffnungszeiten: Di., Do. und Sa.: 8–13 Uhr und Touren für Gruppen ab 20 Personen auf Absprache
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