Marco Mezori sitzt gern am Steuer. Flog er noch vergangenes Jahr regelmäßig eine dreistellige Zahl Urlauber unter anderem von Deutschland nach Mallorca, fährt er heute auf der Insel Wein, Bier, Softdrinks und Wasser an Urlauber, Zweithausbesitzer, aber auch an Einheimische aus. Die Corona-Krise war es, die den Lebenslauf des Deutschen mit italienischem Vater auf ungewöhnliche Weise umgeschrieben hat. Marco Mezori wirkt nicht ­unglücklich, wenn er die vergangenen Jahre seines Lebens beim Treffen mit der MZ Revue passieren lässt, auch wenn einige Schicksalsschläge und ungeplante Wendungen dabei waren und er sehr wohl Grund zur Klage hätte. Der 41-jährige gelernte Pilot stand immer ­wieder auf und versucht sein Glück nun mit einem Lieferservice für Getränke auf der Insel.

Seine Geschichte beginnt streng genommen mit seinem Vater, der aus dem süditalienischen Bari nach Köln ausgewandert war, um dort zu studieren. Im Rheinland lernte er eine Deutsche kennen - und blieb. Immer wieder flog der kleine Marco mit seiner Familie in den folgenden Jahren aber nach Süditalien in den Urlaub. Das Fliegen lernte Mezori also schon sehr früh kennen. Und lieben. Nach einer Ausbildung zum Bürokaufmann - „Man muss ja erst mal was Vernünftiges machen" - arbeitete er zunächst als Flugbegleiter bei Hapag-Lloyd und begann dann eine Pilotenausbildung beim damaligen Mallorca-Shuttle Air Berlin. „Sich da durchzusetzen, ist nicht einfach. Von 100 Leuten, die zum Assessment-Center kommen, stellen sie dann einen ein." Mezori, der wie alle anderen rund 70.000 Euro für die Ausbildung hingeblättert hatte, schaffte es aber und musste in den Jahren darauf erst einmal den aufgenommenen Kredit abstottern. Damals war das Gehalt noch so üppig, dass er das in wenigen Jahren schaffte.

Doch mit Mitte der 2010er-Jahre änderte sich die Großwetterlage schlagartig. Die finanzielle Lage bei Air Berlin ließ immer mehr zu wünschen übrig. Gerüchte über eine Pleite machten wieder und wieder die Runde. „Wir Angestellten haben aber immer gehofft, dass es irgendwie weitergeht, und es kamen ja auch immer irgendwo Geldspritzen her", sagt ­Mezori. Bis im August 2017 Air Berlin dann pleite war. „Wir standen alle vor dem Nichts. Einige meiner Kollegen und ich hatten Glück, dass wir von ­Eurowings übernommen wurden." Doch das Kapitel war für Mezori nur ein kurzes Intermezzo. Die Corona-Krise brachte den weltweiten Luftverkehr zum Erliegen, ­Mezori erhielt im Sommer 2020 gemeinsam mit 200 Kollegen die Kündigung von Eurowings.

Was also tun? Welchen Neustart sollte er mit 40 Jahren diesmal hinlegen? Er musste schließlich auch noch die inzwischen zwölfjährige Tochter versorgen, die mit ihrer Mutter in Deutschland lebt. Mezori ging erst einmal wandern - auf Mallorca. „Zu dieser Insel fühlte ich mich seit einiger Zeit hingezogen, auch durch meine zahlreichen Landungen in Palma." Wenige Jahre zuvor hatte sich der Pilot in Llucmajor ein Dorfhaus gekauft, wo er zum Überlegen erst einmal unterkam. Schnell war für ihn klar, dass ein erneutes Engagement bei einer Airline angesichts der Krise kaum infrage kam.

Er wollte weniger Stress, weniger Anrufe, ob er nicht spontan noch einen Flug am Abend übernehmen könne, weil dieser sonst ausfallen müsse. „Was häufig mit Enttäuschungen verbunden war, weil ich meiner Tochter versprochen hatte, etwas mit ihr zu unternehmen", sagt Mezori. Und dazu wurden die Arbeitsbedingungen immer härter, der Konkurrenzkampf ebenso. „Zurzeit sind ungefähr 50 Prozent der Piloten in Europa arbeitslos. Da können die Airlines die Leute mit Gehältern abspeisen, mit denen sie ihren Ausbildungskredit kaum zurückzahlen können."

Ein Weiter-so kam also nicht infrage, zumal sich bei ihm aufgrund eines Unglücksfalls auch seine Prioritäten verschoben hatten, wie er sagt. Mezori wäre bei einem Brand seiner Wohnung 2016 in Köln beinahe ums Leben gekommen. Noch heute zeugen Narben und helle Stellen seiner ansonsten gebräunten Haut an den Unterschenkeln von dem ­Unglück. Ein Bioethanol-Ofen hatte Feuer ­gefangen, die Flammen waren auf Mezori übergesprungen, und er wurde bewusstlos. „Zum Glück bin ich wieder aufgewacht und war geistesgegenwärtig genug, um die Flammen in der Dusche zu löschen." Nach einigen Tagen im Koma sowie insgesamt einem halben Jahr Krankenhaus und Reha war das Schlimmste überstanden.

Die Idee zu dem Lieferservice kam Mezori nach seiner Entlassung bei Eurowings bei einer Wanderung im Gebirge. „Ich merkte dann ziemlich schnell, dass es auf Mallorca so etwas noch gar nicht gab. In Deutschland sind seit Jahren mehrere Firmen recht erfolgreich", sagt Mezori. Also legte er sich im März 2021 einen Transporter zu, mietete ein Lager in Illetes an und nannte sein Unternehmen „deliverandos" (deliverandos.com), eine Zusammensetzung aus dem englischen delivery (Lieferung) und dem spanischen dos (zwei). „Innerhalb von zwei Stunden ist die Lieferung nämlich spätestens beim Kunden", verspricht Mezori, der derzeit vor allem deutsche Abnehmer für seine Getränke hat. Darunter seien auch viele, die einen Bootstörn um die Insel planten und sich die Getränke vor dem Start direkt im Hafen an Bord liefern lassen.

Das Angebot wächst bei ihm zurzeit quasi wöchentlich, und auch die Lieferzone soll ausgeweitet werden. Derzeit gilt für Bestellungen an der Küste zwischen Camp de Mar (Gemeinde Andratx) und Tolleric (Gemeinde Llucmajor) ein Mindestbestellwert von 50 Euro, die Lieferung ist ­gratis. In andere Ecken der Insel muss für mindestens 100 Euro bestellt werden.

In die Zukunft blickt Mezori optimistisch. „Das Geschäft ist gut gestartet. Und wenn es jetzt läuft, wird es weiterlaufen." Schließlich springe gerade alles wieder an auf Mallorca.