So mancher Zuschauer des Auswanderer-Formats "Goodbye Deutschland" hat sich womöglich schon gefragt, was aus der Dragqueen Ruda Puda geworden ist: Der gebürtige Brasilianer, der mit bürgerlichem Namen Rodolfo Prevelato heißt, war bisher nur in der am 20. Dezember 2021 ausgestrahlten Sendung zu sehen. Seitdem ist es, zumindest im Fernsehen, still um den Mallorca-Auswanderer geworden. Er hat sich gegen eine Fortsetzung in dem Format entschieden.

Auf Mallorca ist er nach seiner Ankunft im August 2021 aber mittlerweile richtig durchgestartet. Statt auf den Fernsehbildschirmen sah man ihn hierzulande als Ruda Puda etwa im Gay Pub The2 Palma, bei LoliPop Mallorca im Lunita in Can Pastilla oder in der Gay-Party Beyond The2 im Es Gremí in Palma. Am 10. Dezember tritt er bei einer letzten Show 2022, einem Weihnachtsspektakel, im Status Cabaret in der Avenida Joan Miró, 38 in Palma auf.

Von Brasilien über Deutschland nach Mallorca

Mittlerweile fühlt sich der Auswanderer pudelwohl auf Mallorca. Dabei wollte er anfangs gar nicht auf die Insel ziehen. Seinem Ehemann Marc Renner ging es allerdings anders. Ihm zuliebe kam der Brasilianer im Sommer 2021 dann doch mitsamt seiner Kostüme und Schminke nach Mallorca.

Kennengelernt hatte sich das Paar in Prevelatos Heimat Brasilien. Nachdem Renner, studierter BWLer, dort seinen Job verloren hatte, zog er mit Prevelato 1999 nach Deutschland. "Ich habe mich sehr angepasst, Deutsch gelernt und Sport und Kunst auf Lehramt. Ich war sehr glücklich und zufrieden in Deutschland", erinnert sich der aus São Paulo stammende Auswanderer. Köln sei für ihn nach wie vor sein deutsches Zuhause.

Doch keine Lust, Sportlehrer zu sein

2005 erkrankte der Auswanderer an einem Hodgkin-Lymphom. "Das ist eine Art bösartiger Lymphknotenkrebs, der im Körper gestreut hatte. Gott sei Dank wurde er recht schnell entdeckt", so Prevelato. Von Mai bis Dezember 2005 habe er eine Chemotherapie bekommen. "Es war ein Jahr, in dem ich ganz viel gekämpft habe. 2006 war ich wieder gesund." Nach seiner Erkrankung habe es sich gefragt, was er im Leben machen wolle. Als Sportlehrer, der den ganzen Tag in Hallen steht, sah er sich nicht. Also exmatrikulierte er sich.

Durch einen Zufall kam er an einen Kellner-Job im Travestie-Kabarett Startreff Folies in Köln. "Ein Künstler riss sich dann den Meniskus. Daraufhin kam mein Chef auf die Idee, dass ich ihn für eine Nummer ersetzen könnte. Da ich Sportler war und tanzen konnte, dachte ich, 'ich mach's."

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Erkennen Sie noch alle diese "Goodbye Deutschland"-Auswanderer auf Mallorca? Johanna Ramthun

So war der Auswanderer plötzlich mitten in der Dragqueen-Szene. Zwei Monate lang habe er dann bei einer Show auf der Bühne gestanden. "Als der einst verletzte Künstler wieder zurückkam, fragte mich mein Chef, ob ich nicht weitermachen wolle", so Prevelato. Er sagte zu. Vier Jahre lang war der heute 45-Jährige in einem Ensemble dort angestellt. Weil der Brasilianer trotzdem im Hinterkopf hatte, dass er es ihn Deutschland ohne abgeschlossenes Studium irgendwann schwer haben würde, studierte er Modedesign. "Das Nähen hatte mir in frühen Jahren schon meine Mutter beigebracht", so Prevelato. Das Studium schloss er dieses Mal ab und nähte seine Kostüme und die seines Ensembles selbst.

Von "Das Supertalent" zu "Goodbye Deutschland"

Nach 14 Jahren in Köln wurde es seinem Mann Marc Renner dort zu langweilig. "Marc ist jemand, der immer einmal wieder rausmuss, um etwas Anderes zu sehen." Also zogen beide nach Berlin, die "Stadt der Mode", wie Prevelato sagt. In der Hauptstadt gründete er sein eigenes Ensemble, Divine Carousel. "Wir waren zu fünft, hatten eine Show in Charlottenburg und sind später jahrelang durch Deutschland getourt. Wir waren in 52 Städten zu sehen" erinnert sich Prevelato. 2016 und 2020 ist der Auswanderer mit seinem Ensemble in der RTL-Talentshow "Das Supertalent" aufgetreten. Fürs Finale habe es allerdings bei keinem der beiden Male gereicht.

"Mein Ziel war es auch gar nicht, die Show zu gewinnen. Ich wollte eher mit unserer Kunst im deutschen Fernsehen Werbung machen, um so mehr Engagements zu bekommen. So bin ich dann auch bei 'Goodbye Deutschland' gelandet."

Strandspaziergang statt Fernseh-Abend

Auf die Insel auswandern wollte erneut, von Berlin aus, Ehemann Marc Renner. "Ich dachte wirklich, ich werde in Deutschland alt", so Prevelato. Doch wegen der Pandemie gerieten die Pläne des Paares ins Wanken. "Ich hatte direkt davor Verträge mit einer Show-Agentur für Travestie-Kunst. Doch alle Shows wurden gecancelt." Während für die Dragqueen Ruda Puda lange Monate des Wartens auf die nächste Show anbrachen, wurde Ehemann Marc ins Homeoffice geschickt. Und auch dieses Mal fiel es dem Nicht-Stubenhocker schwer, so viel Zeit zu Hause zu verbringen. Also äußerte er gegenüber Prevelato den Wunsch, dass er gerne in Spanien leben würde. Dort müsse man nach Feierabend im Winter schließlich nicht vor dem Fernseher sitzen, um herunterzukommen, sondern könne stattdessen am Strand entlanggehen, das Wetter sei generell besser, und und und... "Meine erste Reaktion war 'nein'", erinnert sich Prevelato. Im Februar 2021 ging das Paar für zwei Wochen nach Gran Canaria. "Für mich war Gran Canaria nur ein Urlaub, ich glaube, Marc hat sich damals umgeschaut und sich gefragt, ob er dort leben möchte", so sein Gatte Rodolfo Prevelato. Doch die Kanaren-Insel scheint Renner nicht überzeugt zu haben.

Marc Renner mit Rodolfo Prevelato auf Mallorca. Prevelato

Ab nach Mallorca

Also ging es für das Paar Ende Februar / Anfang März 2021 für drei Wochen nach Mallorca. "Ich muss wirklich zugeben, dass es auf der Insel megaschön war. Ich hatte hier zwar auch keine Engagements, aber es war nicht so kalt wie in Deutschland. Also dachte ich mir 'warum eigentlich nicht wirklich hier leben?'", erzählt Prevelato. Zudem hatte er in Deutschland, wie er sagt, schon alles erreicht in der Travestie-Szene. Um eine neue Show dort anbieten zu können, hätte er neue Kostüme nähen, neue Perücken kaufen und sich ein anderes Styling überlegen müssen. Also dachte er sich: "Besser ich bringe alles hierher, und biete auf der Insel an, was ich in Deutschland jahrelang gemacht habe."

Das Kamera-Team von Vox begleitete das Paar, während es Deutschland den Rücken kehrte und auf der Insel Fuß fasste. "Es war nie unser Traum, dort dabei zu sein, aber ich wollte meine Travestie-Kunst bekannter machen", gibt Prevelato zu. Den ersten Auftritt hatte Ruda Puda dann vier Monate nach der Ankunft auf der Insel in Krümels Stadl in Peguera. Dort musste die Dragqueen Schlager singen. "Die Performance war mega, aber meine Kunst lebt von Kostümwechseln. Es ist ganz anders als die Schlagerszene", so Prevelato, der kritisiert, dass ansonsten in der Folge kaum etwas über die Travestie-Kunst zu sehen war. Zudem habe es ihn gestört, dass in der Sendung in Zweifel gezogen wurde, ob er es auf der Insel als Dragqueen überhaupt schaffen kann.

Rodolfo Prevelato als Ruda Puda auf Mallorca. Prevelato

Statt Drama Bodenständigkeit

Vor allem langjährige Zuschauer des Formats wissen: In "Goodbye Deutschland" werden gerne Auswanderer gezeigt, die das nötige Drama bieten, Leute, die unvorbereitet ins Ausland aufbrechen, die Sprache nicht können, wenig oder gar kein Geld mitbringen und keine Vision haben, wie das Leben im Ausland langfristig gelingen kann. "All das war bei uns nicht der Fall. Wir haben uns zwei Monate nach der Ankunft in einer Sprachschule angemeldet, um Spanisch zu lernen. Zudem haben wir schnell Einheimische kennengelernt.

Auch das Geschäft als Dragqueen lief ab Januar 2022 rundum gut. "Es war auch schlechtes Timing mit Vox. Als man uns Künstler Anfang des Jahres endlich wieder buchen konnte, hatte ich viele Engagements in der Schwulen-Szene, bei Junggesellenabschieden, auf Partys oder in Kabaretts. All das hat das Drehteam verpasst", so Prevelato. Als die Produktionsfirma ihn wieder kontaktiert habe, sei er schon fest in der Szene gewesen. Sein Alleinstellungsmerkmal: Ruda Puda ist nach eigener Aussage die einzige deutsche Dragqueen, die ganzjährig auf der Insel lebt und Shows auf Englisch und Deutsch anbietet.

Kann sich gekonnt verwandeln: Ruda Puda. Prevelato

Keine weiteren Folgen mehr bei Goodbye Deutschland

Dass ihm das Format dennoch viele Engagements in Deutschland beschert hat, will er nicht abstreiten. "Im Oktober 2022 haben Marc und ich unseren 20. Hochzeitstag gefeiert. Wir haben dem Sender angeboten, das zu drehen. Was Schönes wollten sie offenbar nicht zeigen, eher, dass man scheitert", bedauert Prevelato. Also habe sich der Travestie-Künstler nach der insgesamt doch "schönen Erfahrung", wie er sagt, gemeinsam mit Mann Marc dazu entschieden, dass es mit dem Paar keine Fortsetzung geben wird.

Und Mallorca? "Ich vermisse Deutschland mehr als Marc", ist sich der Künstler sicher. Ihm fehlt etwa die Zuverlässigkeit vieler Deutscher. " 'Te llamo mañana' heißt eben nicht, dass jemand am nächsten Tag auch wirklich anruft", hat der Auswanderer nun gelernt. Trotzdem möchte er auf der Insel bleiben.

Marc Renner mit Ruda Puda. Prevelato

In Spanien beginnt das Nachtleben später

Größere Bauchschmerzen bereitet ihm derzeit nur die Tatsache, dass das Nachtleben in Spanien deutlich später beginnt. "Die Leute gehen später essen und daher auch später feiern. In Deutschland hat mein Künstlerleben um 11 oder halb 12 aufgehört, um 1 Uhr war ich im Bett. Hier ist mein ungesunder Feierabend, wie ich ihn nenne, um 4 oder halb 5. Ich mache nach wie vor gerne Travestie-Kunst, aber so ist es für mich sehr anstrengend", gibt der Auswanderer zu. Ab 2023 plant er daher, neben den Shows auch mehr Umstylings für Interessenten anzubieten, die sich schon immer einmal einen Tag als Dragqueen sehen wollten.