Festival-Gründerin Sandra Lipski wirkt beim Treffen im Hotel Portixol so gut gelaunt und energiegeladen wie eh und je. Und das, obwohl die gebürtige Berlinerin, die in den USA und einen Teil des Jahres auf Mallorca lebt, zuletzt auf vielen Hochzeiten gleichzeitig tanzte: Im August drehte sie den Kurzfilm „Mi isla“ in Sóller, dazu gründete sie mit ihrem Mann auf Mallorca die eigene Produktionsfirma „Yeah Productions“. Nun beginnt allmählich die heiße Phase der Planung für das Evolution Mallorca International Film Festival: Vom 27. Oktober bis 2. November steigt die zehnte Edition des Pflichttermins für Kinofans.

Was ist die größere Herausforderung: das Evolution Film Festival mitten in der Pandemie zu organisieren oder eine besonders großartige Geburtstagsedition zu planen?

Letztes Jahr war sehr interessant. Und es war eigentlich sehr angenehm, das Festival zu organisieren, weil es wesentlich weniger Konkurrenz von anderen Festivals gab. Deshalb haben auch Fernando Trueba oder Ángela Molina gar nicht zweimal nachgedacht und gleich gesagt, dass sie kommen. Alle hatten so eine Lust, das war toll! Jetzt haben wir wieder Konkurrenz auf allen Ebenen. Und die Erwartungen sind dieses Jahr einfach sehr hoch.

Lassen Sie sich davon unter Druck setzen?

Ich habe mir den Druck jetzt rausgenommen, denn das ergibt ja keinen Sinn. Ich gebe mein Bestes und bin jetzt schon stolz auf das Programm, es wird wieder ein toller Mix. Aus 80 Ländern wurden Filme eingereicht. Wow! Ich meine: Es gibt 195 Länder auf der Welt, das ist im Verhältnis ganz schön viel. Da sitzen überall Leute und schicken uns Filme, weil sie nach Mallorca kommen und die Insel erleben wollen. Das zeigt die unglaubliche Strahlkraft, die Evolution jetzt schon hat. Ich bin so stolz, dass wir das geschafft haben: dass es wirklich ein internationales Festival und Ereignis ist.

Vergangenes Jahr war es notgedrungen nicht so international wie sonst. Und dieses Jahr ist die Pandemie noch nicht vorbei …

Ja, die Leute sind immer noch vorsichtig, Reisen werden fünfmal überlegt. Und es gibt ja auch noch Restriktionen: Für die Kinos oder das Teatre Principal gilt gerade, dass 75 Prozent des Publikums hineindürfen und drinnen überall Maskenpflicht besteht. Letztes Jahr konnten wir unseren VIP-Cocktail nicht veranstalten, das machen wir aber dieses Jahr im Caixa Forum. Getränke und Essen sind wieder im Spiel. Das fiel 2020 komplett weg, und damit auch ein bisschen das Netzwerken. Diese cocktail hours, die die Leute so lieben, wird es jetzt wieder geben, und ich glaube, da freuen sich viele schon drauf. Ich auch. (Lacht.)

Von wem bekommen Sie Unterstützung?

Der Inselrat und das Rathaus unterstützen uns, auch die Fundación Mallorca Turismo, und die Mallorca Film Commission ist groß dabei. Wir sind sehr dankbar dafür. Das Hotel Portixol ist unser großer Sponsor und das offizielle Festival-Hotel. Dann haben wir Rialto Living, die als Einziges seit dem ersten Jahr dabei sind und wo wieder die lockeren Talkrunden „Café con cine“ stattfinden können.

Der Evolution Honorary Award geht dieses Jahr an Wim Wenders. Wie kam denn dieser Kontakt zustande?

(Lacht.) Harte Arbeit! Connections, connections! Wir haben ihn schon öfter eingeladen, solche Sachen sind wirklich immer jahrelange Arbeit. Das passiert nicht von heute auf morgen, dafür muss man gegenseitiges Vertrauen aufbauen und immer wieder in Kontakt sein. Denn diese Leute bekommen Einladungen noch und nöcher, auch von größeren Festivals. Wenn sie dann wirklich nach Mallorca kommen, ist das unglaublich schön. Und Wim ist eine Ikone des internationalen Films und so eine besondere Persönlichkeit! Ich habe kurz mit ihm telefoniert: Er ist einfach ein cooler Typ, ganz normal, relaxt und locker.

Was macht ihn zum perfekten Preisträger?

Er vertritt total unseren Spirit „Bridging cultures, bridging people“: Was Wim alles in seinen Filmen und Dokumentarfilmen für Menschen und Kulturen zusammenbringt! Er ist kein deutscher Filmemacher, der nur in Deutschland Filme mit deutschen Schauspielern macht. Er dreht überall auf der Welt in etlichen Sprachen. Genau das, was Evolution ist, machte er in seiner Arbeit von Anfang an, von „Paris, Texas“ (1984) bis „Pina“ (2011), den ich jetzt schon fünfmal gesehen habe.

Wim Wenders hat sogar schon selbst auf Mallorca gedreht.

Ja, das ist so toll! Bei Wim war es kein Film, sondern eine große Werbung vor ein paar Jahren. Mein Mann und ich haben den Dreh sogar gesehen, das war in einem Hotel in Illetes. Gerade sind wir am Überlegen, mit welchem Film er beim Festival vertreten sein wird. Es wird wohl eher eine Restrospektive werden. Aber Wim hat sich noch nicht entschieden.

Auch der Eröffnungsfilm „Pan de limón con semillas de amapola“ von Benito Zambrano, eine Verfilmung von „Die Insel der Zitronenblüten“, wurde auf Mallorca gedreht. Haben Sie ihn deswegen ausgewählt?

Das denken immer alle. Aber der Grund Nummer eins ist, dass sich auch hier das Thema des Festivals widerspiegelt. Es ist nicht nur eine mallorquinische Geschichte, sondern da kommen Kulturen zusammen, da werden verschiedene Sprachen gesprochen. Der Film passt auch gut ins Teatre Principal. Das wird super, alle Schauspieler werden da sein. Ich habe letzte Woche auch eine ganz liebe E-Mail von der Buchautorin Cristina Campos bekommen. Sie hat sich bedankt, dass der Film das Festival eröffnet und fühlt sich geehrt. Es ist schön, dass sie sich freut und ihr das etwas bedeutet.

Zambrano durfte damals schon das erste Evolution Film Festival eröffnen.

Ja, da schließt sich der Kreis, und es zeigt, dass es für ihn auch etwas Besonderes ist. Er hat das Festival damals mit „La voz dormida“ eröffnet. Ich erinnere mich, als ob es gestern gewesen wäre! Marc Clotet war hier, der im Film mitspielt, und seine damalige Frau Ana de Armas, die jetzt ein Bond-Girl ist. Das ist etwas, was Evolution auch ausmacht. Sie war damals bei uns und hat im Interview gesagt: Ich wünsche mir, ein großer Star in Hollywood zu sein. Und das hat sie geschafft. Aber das Festival unterstützt sie heute immer noch.

Sicher wird es auch Überraschungen geben, die kurz vor dem Start enthüllt werden?

Ja, weil ich sie vorher selbst noch gar nicht weiß! Solche Sachen passieren zwei, drei Wochen vorher, dass man denkt: „Okay, noch schnell das hier reinschreiben, noch nicht drucken!“ Wie oft ich in den letzten Jahren den Druck dieses Programmhefts gestoppt habe, weil dann doch noch etwas Tolles passiert ist …! Man muss da sehr flexibel sein.

Was war bisher der größte Sprung, und wie gehen Sie das nächste Jahrzehnt an?

Die größte Veränderung, die das Festival durchgemacht hat, war auf jeden Fall, als Danny DeVito 2016 da war. Das hat das Festival auf die internationale Plattform gebracht. Da wurden alle auf uns aufmerksam, wir mussten aber auch entscheiden, dass wir da mitgehen und sagen: Dann müssen wir jetzt auch professioneller werden und brauchen ein größeres Team. Das war ein Prozess: Wir wurden gezwungen zu wachsen. So eine Entscheidung wird für nächstes Jahr vielleicht wieder anstehen. Jetzt beginnen wir eine neue Ära, wo wir noch mal einen großen Schritt nach vorne gehen werden. Damit meine ich internationale Sichtbarkeit, dass wir ganzjährig aktiv sind und uns auch auf anderen Festivals zeigen. Wir können jetzt souverän an ganz andere Sponsoren herantreten. Die nächsten zehn Jahre werden einen Zacken schärfer.

Infos zum Festival unter: evolutionfilmfestival.com