Mallorca Zeitung

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Dieser Deutsch-Mallorquiner kümmert sich nun um das beste Kino der Insel

Der 53-jährige Paul Zabel ist der neue Leiter des renommierten Programmkinos CineCiutat. Er ist nicht vom Fach, wohnt in Artà – und ist doch eine Idealbesetzung

Beruflich betreibt Paul Zabel eine Sprachschule in Cala Millor, in seiner Freizeit leitet er den Trägerverein des Cine Ciutat Nele Bendgens

Sympathisches Lächeln, offener Blick, fester Händedruck und eine ruhige, geerdete Art – Paul Zabel ist eine angenehme Erscheinung. Kein Wunder, dass es ihm einst, als er mit 13 Jahren von Deutschland nach Mallorca zog, nicht schwerfiel, Anschluss zu finden. Und auch kein Wunder, dass die Xarxa Cinema den 53-Jährigen unbedingt als neuen Vorsitzenden haben will. Seit Samstag (18.6.) leitet der Deutsch-Mallorquiner, der eigentlich lieber zuhört, statt selbst zu reden, den Verein, der Palmas Programmkino CineCiutat trägt. Sein Ziel: die Kinolust auf Mallorca verbreiten – auch außerhalb der Inselhauptstadt.

Wie die Menschen im ländlichen Mallorca ticken, weiß Zabel nur allzu gut. „Zusammen mit meiner Cousine war ich der erste Deutsche auf der Dorfschule“, sagt Zabel und lacht bei der Erinnerung an seine ersten Jahre auf der Insel. Seine Mutter und seine Tante hatten damals entschieden, nach Mallorca zu ziehen, die Kinder mussten mit. Ausgerechnet in die verschlafene Gemeinde Campanet. „Es war für mich aber nicht traumatisch. Ich knüpfte schnell Freundschaften“, sagt er. Die Mallorquiner schlossen „Pol“, wie sie ihn bis heute unverbesserlich nennen, ins Herz. Auch wenn er anfangs kaum ein Wort verstand. „Mein Vater ist Mallorquiner, aber ich kenne ihn kaum und wuchs mit meiner Mutter in Hessen auf.“

Bloß keine übersetzten Filme mehr

Auch als Zabel der Insel nach dem Abi den Rücken zukehrte, war für ihn klar, dass er zurückkommen würde. „Mallorca ist Heimat für mich.“ Doch er wollte die Mehrsprachigkeit ausbauen. Drei Jahre lang besuchte er in Basel eine Sprach- und Handelsschule, arbeitete nebenbei in einem Hotel im deutschen Lörrach und pflegte Freundschaften im nahen Frankreich. „Eine tolle Zeit“, resümiert er. Und die Zeit, in der er erstmals seine Leidenschaft fürs Kino im Original mit Untertiteln (OmU) entdeckte. „Je mehr Filme man in der Originalsprache sieht, desto weniger gefallen einem die übersetzten Versionen“, sagt er. Weil sie nicht authentisch sind. „Egal, wie gut die Übersetzung ist: Es geht immer etwas verloren.“ Ganz zu schweigen von typischen Szenen, in denen der Schauspieler offensichtlich „Hello“ artikuliert, man aber nur ein asynchrones „Hola“ zu hören bekommt. „Das kann ich gar nicht mehr ertragen.“

Die Kinoleidenschaft hielt an, auch nach der Rückkehr auf die Insel. „Chaplin, Metropolitan, ABC, Augusta, Rivoli, Astoria, Rialto … damals war Palma noch voll von Kinos“, zählt Zabel auf. Und natürlich das Programmkino Renoir mit seinen OmU-Filmen auf dem Gelände des ehemaligen Schlachthofs S’Escorxador. Hier wurde Zabel bald Stammkunde. Regelmäßig fuhr er von Cala Millor – wo er zunächst freiberuflich als Übersetzer und Deutschlehrer arbeitete und 2011 seine eigene Sprachschule gründete – nach Palma, um sich Filme dort anzuschauen, wo sie am besten zu sehen sind – im Kino.

Doch die veränderten Konsumgewohnheiten und die Wirtschaftskrise von 2008 hinterließen auch hier Spuren. Nach und nach machten fast alle kleineren Kinos in Palma dicht. Im Mai 2012 dann auch Zabels heiß geliebtes Renoir. „Wir waren etwa 50 Filmfreunde, die zur Verabschiedung zusammenkamen“, erinnert er sich, „die Stimmung war betrübt.“ Dann jedoch zog der Filmproduzent Pedro Barbadillo ein Blatt aus der Tasche und machte einen Vorschlag. Warum das Kino nicht übernehmen, über einen Trägerverein, finanziert durch Mitgliederbeiträge? Paul Zabel war sofort begeistert. „Es hat mich direkt mitgerissen“, sagt er. Zwei Wochen später trafen sich rund 200 Filmfreunde im Trui Teatre, und die Idee nahm Gestalt an. Der Trägerverein Xarxa Cinema übernahm die Technik und das Personal des Renoir. Knapp anderthalb Monate nach der Schließung hieß es in dem fortan CineCiutat genannten Programmkino wieder „Film ab“.

Das Kino selber stemmen

Zabels Mitgliedsausweis hat die Nummer 54. Wenn ihm zwischen seinen Aufgaben in der Sprachschule in Cala Millor, seinem Volleyballtraining in Artà, Wanderungen durch die Natur und Treffen mit seinem großen Freundes- und Bekanntenkreis Zeit bleibt, dann fährt Zabel quer über die Insel ins CineCiutat. Oder besser: Er nimmt sich die Zeit, oft zusammen mit seiner Frau Soledad Muñoz. „Ich bin fast jede Woche dort. Ich liebe es wie ganz am Anfang“, sagt er. Auch Freiwilligenarbeiten für das CineCiutat übernahm er viele Jahre – ohne das ehrenamtliche Engagement der Mitglieder geht es nicht.

„In Renoir-Zeiten kannten sich die Stammgäste nur flüchtig. Seit unser Verein das Kino selbst trägt, haben sich viele enge Verbindungen und Freundschaften geschlossen“, sagt Zabel. Ja, es seien auch ausländische Residenten, die das OmU-Programm als sprachliche Alternative zu den spanischen Mainstream- Kinos schätzen. Vor allem aber bestehe der harte Kern des Vereins aus Palmesanern, die Film lieben: Lehrer sind ebenso darunter wie Journalisten, Filmschaffende oder Übersetzer. 1.200 Mitglieder hatte die Xarxa Cinema in den ersten Jahren, heute sind es rund 850. Sie zahlen 100 Euro Beitrag im Jahr (Senioren und Studenten 70 Euro), bekommen dafür einige Gratiskarten und vergünstigten Eintritt.

Das Geld ist knapp, schon mehrfach stand das auch international viel beachtete Projekt vor der Schließung. Immer wieder konnte es, etwa durch eine Crowdfunding-Kampagne, gerettet werden. „Ich will mehr Menschen für das CineCiutat begeistern“, sagt Zabel. Seit Samstag (18.6.) ist er der Vorsitzende der Xarxa Cinema, löst seinen langjährigen Vorgänger Javier Pachón ab. So ganz kann er es selbst noch nicht glauben. „Ich selbst hätte mich niemals in diese Position gedrängt, ich bin ja gar nicht vom Fach und wohne so weit weg“, sagt er bescheiden. Doch andere Mitglieder schlugen ihn vor. Wegen seiner ruhigen Art, seiner Kontakte fernab von Palma, seines Herzbluts, das er für das CineCiutat aufbringt. Und wegen seiner Authentizität. „Ich habe ein super Vorstands-Team“, wiegelt er ab. Und gute Ideen: Wenn die Leute nicht bis in die Hauptstadt kommen wollen, dann müsse das CineCiutat eben zu ihnen kommen, findet Zabel. Kooperationen mit Dorfvereinigungen schweben ihm vor. Oder ein Kino auf Rädern. Damit auf das zehnjährige Bestehen des CineCiutat noch viele weitere folgen.

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